31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 30: Jil Feipel)

Vorschlag 30 der forum-Redaktion: Die Interessen der Jugend und der zukünftigen Generationen müssen institutionell abgebildet werden. Unsere heutigen Entscheidungen bzw. Nicht-Entscheidungen haben voraussichtlich einen größeren Impact auf die kommenden Generationen als auf die derzeitigen WählerInnen. Die demokratische Vertretung zukünftiger Generationen könnte eine Ombudsperson oder alternativ ein Zukunftsrat einnehmen. Wales hat so z. B. seit 2016 eine Kommissarin für zukünftige Generationen. Im Motiventeil aller Gesetzesvorhaben sollten demnach auch nicht allein die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen beurteilt werden, sondern auch auf die Lebenschancen zukünftiger Generationen.

 

Reaktion 30 von Jil Feipel:

Gleichstellung zählt zu den Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Demokratie und einen fairen Rechtsstaat. Sei es hinsichtlich der sexuellen Orientierung, der Herkunft oder des Geschlechts der Bürger. Die Gleichstellung gilt als Kernaufgabe eines demokratischen Staates. Daneben rückt eine andere Form von Gleichstellung leider häufig in den Hintergrund: die Generationengerechtigkeit. Analog zur Strategie des „Gender-Mainstreaming“ bei der Gleichstellung der Geschlechter sollten auch hier Entscheidungen getroffen werden, die alle Generationen berücksichtigen und ihnen gleichermaßen zugutekommen. Diese Strategie kann als „Future-Mainstreaming“ bezeichnet werden. Schließlich sollten politische Entscheidungen sowohl gendergerecht als auch „generationengerecht“ sein und demnach nicht nur zugunsten der jetzigen Generation, sondern auch der zukünftigen getroffen werden.

Hinzu kommt, dass die Politik eine längerfristige Vision für die Zukunft schaffen sollte, die bestenfalls über die nächsten paar Jahre hinausgeht und auch auf das Wohl und die Interessen unserer zukünftigen Generationen bedacht ist. Deshalb ist es wichtig, sich zu fragen: Wie soll Luxemburg für unsere Enkelkinder und Urenkelkinder aussehen? Was wollen wir erreichen und wie wollen wir diese politischen Ziele, die den kommenden Generationen ein gutes Leben in Luxemburg garantieren sollen, umsetzen? Es muss mit Blick auf die Zukunft gehandelt werden. Mit Zukunft sind nicht die nächsten fünf, zehn oder 15 Jahre gemeint, sondern die Zukunft im weiten Sinne. Eine solche Vision ist bis heute nicht wirklich politisch entwickelt: Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten, um ein „generationengerechtes“ Staatshandeln zu garantieren.

Vorreiter bei der Bewältigung dieser „Generationsproblematik“ ist Wales. Durch den „Well-being for Future Generation Act“ verfügt die dezentralisierte walisische Regierung mit Sophie Howe als einzige Regierung weltweit über eine Kommissarin bzw. Ministerin für die zukünftigen Generationen. Ziel dieses Amts ist es, sich mit langfristigen Auswirkungen politischer Entscheidungen auseinanderzusetzen und vor allem mit der jüngeren Generation zusammenzuarbeiten. Als Hüterin der Interessen zukünftiger Generationen besteht ihre Arbeit jedoch auch darin, die Interessen von Nichtgeborenen zu vertreten; ihr Blick reicht also in eine weit entfernte Zukunft. Die Idee einer Ombudsperson, die dafür zuständig ist, die Interessen der kommenden Generationen zu vertreten, zu schützen und eine Verbindung zwischen der Regierung und den zukünftigen jungen Wählern und Wählerinnen herzustellen, erfüllt durchaus ihren Zweck. Ein spezielles Amt, das sich voll und ganz dem Blick auf die Zukunft und die nächsten Generationen widmet, könnte andere Minister in ihren Entscheidungen beraten oder Einspruch einlegen bzw. diese drauf hinweisen, wenn Entscheidungen getroffen werden, die für zukünftige Generationen Nachteile mit sich bringen könnten.

Eine andere Initiative, die sicherlich auch zur Generationengleichstellung beitragen würde, wäre eine frühere Wahlbeteiligung. Das würde der jungen Generation mehr Mitspracherecht einräumen und dadurch sicherlich auch bei einem Teil der Jugendlichen früher als bisher ein politisches Interesse wecken. Leider hat das Referendum von 2015 mehr als eindeutig gezeigt, dass die Mehrheit der Luxemburger gegen ein Wahlrecht ab 16 Jahren ist. Da die Wahlbeteiligung bei erreichter Volljährigkeit obligatorisch ist, hätte es sich bei dem vorgeschlagenen Wahlrecht um ein freiwilliges Wahlrecht gehandelt. Hiermit wäre der jüngeren Generation eine Möglichkeit gegeben worden, sich politisch mehr einzubringen. Denn grundsätzlich geht es ja immer viel mehr um Inklusion als um Exklusion, deswegen befürworten die Jeunesses Socialistes Luxembourgeoises das Wahlrecht ab 16 Jahren. Allen Teilen unserer Bevölkerung, unabhängig von Alter, Nationalität und Herkunft, sollte ein Mitspracherecht gewährleistet werden, wenn wir eine Gleichstellung aller Bürger erreichen wollen.

Immerhin ist es mehr als offensichtlich, dass der Großteil der Jugendlichen und der jüngeren Generation sich durchaus um seine Zukunft sorgt. Dies kommt vor allem durch die aktuelle Debatte um den Klimawandel zum Vorschein. Die Fridays for Future-Demonstrationen sind wohl das beste Beispiel dafür. Obwohl die Folgen der Klimakrise bereits deutlich spürbar sind, werden sie das Leben kommender Generationen in noch stärkerem Ausmaß beeinflussen. Aber auch Entscheidungen bezüglich des Arbeits- und Wohnungsmarkts werden eine entscheidende Rolle spielen.

Es ist also wichtig, jedem eine Stimme zu geben, auch den jungen Leuten, die noch nicht wählen dürfen oder selbst denen, die schon volljährig sind und wählen. Denn auch wenn es junge Wähler und Wählerinnen gibt, werden politische Posten i. d. R. von Personen anderer Altersgruppen bzw. Vertreter*innen älterer Generationen ausgeübt.

Eine bessere Zukunft kann nur dann erreicht werden, wenn die Generationen und Personen, die diese Zukunft verkörpern, auch aktiv mit einbezogen, ihre Ideen gehört und in das politische Handeln integriert werden. Das in Wales umgesetzte Prinzip kann dafür durchaus als Vorbild dienen.

 

Jil Feipel studiert Rechtswissenschaften in Straßburg mit Schwerpunkt Europarecht.

 

 

 

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