Das Gesetz vom 6. Februar 2009 zur Schulpflicht sieht vor, dass ein Kind in Luxemburg seiner Schulpflicht entweder in einer öffentlichen, staatlichen Schule, einer Privatschule, einer Privatschule im Ausland oder, unter bestimmten Bedingungen, zuhause nachkommen kann. Mit dieser Regelung, die schon das vorherige Gesetz von 1912 vorsah, gehört Luxemburg zu den Ländern, die diese Option schon vergleichsweise früh anboten.
Grundsätzlich darf über den gesamten Zeitrahmen der geltenden Schulpflicht zuhause unterrichtet werden, d.h. ab dem vollendeten vierten Lebensjahr bis zum sechzehnten Lebensjahr. Eltern, die die Option des Heimunterrichts in Anspruch nehmen wollen, sind dazu verpflichtet, einen begründeten Antrag (demande motivée) einzureichen, in dem sie die Beweggründe ihrer Entscheidung darlegen. Ein Nachweis bestimmter Qualifikationen oder Bescheinigungen, die sie zum Unterrichten befähigen oder verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen sind nicht vorgeschrieben.
Unterrichtet wird entweder nach dem luxemburgischen Lehrplan (plan d’études) oder einem im Ausland anerkannten Lehrplan. Gerade Familien, die nur einen zeitlich begrenzten Aufenthalt in Luxemburg planen, nutzen akkreditierte Fernstudienprogramme, wie sie z.B. das französische CNED (Centre National d’Enseignement à Distance) unter Zuständigkeit des Bildungsministeriums anbietet. Ein Nachweis der mittleren Reife lässt sich durch Heimunterricht nicht erlangen. Auch eine Berufsausbildung ist im Rahmen des Heimunterrichts nicht möglich, da sie unter Kooperation des Bildungsministeriums, der Berufskammern und des Arbeitsgebers einem anderen gesetzlichen Rahmen unterliegt.
Die Wahl der Lehrinhalte, darunter die der Alphabetisierungs- und Unterrichtssprache sowie die Anzahl an unterrichteten Fremdsprachen obliegt der Entscheidung der Eltern und kann vom klassischen Kurrikulum der öffentlichen luxemburgischen Schule abweichen. Da auch Privatschulen in Luxemburg wie das Lycée Vauban oder die St. George’s International School ein französisch- bzw. englischsprachiges Angebot bereitstellen, muss die Wahlmöglichkeit einer Alphabetisierungs- und Unterrichtssprache auch im Rahmen des Heimunterrichts gewährleistet sein. Nebenfächer wie Sport können durch die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder regelmäßige Aktivitäten abgedeckt werden. Auch bestimmte naturwissenschaftliche Fächer lassen sich etwa durch die regelmäßige Teilnahme an pädagogischen Angeboten vom Naturmuseum gewährleisten.
Offizielle (Langzeit-)Studien und Statistiken über die durchschnittliche Dauer des Heimunterrichts, den späteren Bildungsweg der zuhause unterrichteten Schüler oder aber dem sozio-ökonomischen Hintergrund der Eltern gibt es nicht, da es sich in Luxemburg zurzeit insgesamt um weniger als 100 Fälle mit z.T. unterschiedlichsten Rahmenbedingungen handelt, wodurch ein repräsentativer Vergleich kaum möglich wäre. Dadurch, dass es sich zudem überwiegend um Familien handelt, die sich nur über einen begrenzten Zeitraum in Luxemburg aufhalten, lässt sich der weitere Bildungsverlauf der Schüler kaum nachverfolgen.
Ein zunehmender Trend zum Heimunterricht ist nicht zwangsläufig erkennbar, da die Zahl der Anfragen jeweils stark variiert. Selbst eine geringfügig höhere Nachfrage nach Heimunterricht ließe sich proportional durch die steigende Gesamtzahl der Schüler in Luxemburg und die damit verbundene demografische Bevölkerungszusammensetzung relativieren.
Eine angestrebte Reform des bisherigen Gesetzes soll vor allem die formalen Zulassungsbedingungen, die Form der Kontrolle sowie die Regelung der Lehrinhalte betreffen. Das Zulassungskriterium für den Heimunterricht soll nicht länger die „demande motivée“ der Eltern, sondern die Kohärenz des von ihnen langfristig angestrebten Lebensplans für ihr Kind darstellen. Nicht die persönlichen Beweggründe der Eltern, sondern der Bildungsweg des Kindes soll die Grundlage für einen möglichen Heimunterricht darstellen. Tatsächlich macht es für Familien, die sich nur für einen begrenzten Zeitraum im Land aufhalten und ihren Lebensmittelpunkt langfristig nicht in Luxemburg planen, wenig Sinn, ihr Kind ins mehrsprachige luxemburgische Schulsystem zu geben. In Luxemburg ansässige Eltern hingegen müssen sich der Konsequenzen eines einsprachigen Unterrichts in einem multilingualen Land bewusst sein. Diese Aspekte gilt es daher im Vorfeld abzuklären.
Ein weiterer Punkt betrifft die Kontrolle, die nicht länger von den Regionaldirektoren gewährleistet, sondern durch das Bildungsministerium zentralisiert werden soll. Dadurch sollen regionale Ungleichheiten vermieden werden. Außerdem soll gesetzlich die Möglichkeit geschaffen werden, eigene Lehrpläne zu entwickeln und zusammenzustellen, die auch anderen Auffassungen von Kindeserziehung Rechnung tragen. Des Weiteren soll den Eltern eine umfassende Beratung zur Verfügung stehen, die den Werdegang des Kindes begleitet.
(Der Text beruht auf einem Gespräch mit Pierre Reding, Premier Conseiller de Gouvernement, das am 7. September 2018 geführt wurde. SC)
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