- Politik
Der Mann ohne Eigenschaften: Jean-Claude Juncker zu seinem 30. Regierungsjubiläum
Nach 30 Jahren Regierungsbeteiligung und 18 Jahren im Amt des Premierministers schien es uns angebracht, das Phänomen Juncker einer vorläufigen Analyse zu unterziehen. Was als Zwischenbilanz gedacht war, könnte jedoch vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Wochen wie ein erster Abschiedstext gelesen werden. Das Ende der politischen Laufbahn Jean-Claude Junckers scheint vorgezeichnet.
von Laurent Schmit, Jürgen Stoldt, Bernard Thomas
Hier einige kurze Auszüge. Sie können den ganzen Artikel hier lesen oder das Heft per Mail an forum@pt.lu bestellen.
(…) Diese Fokussierung auf die Person des Premierministers führte zu der geradezu skurrilen Situation, dass sich Jean-Claude Juncker unmerklich außerhalb der politischen Debatte wiederfand. Ohne sich inhaltlich festzulegen, repräsentierte er das „nationale Interesse“ und den politischen Konsens. Ihn anzugreifen, wurde mehr und mehr ungehörig. Das konnte gelingen, weil Juncker auf viele Menschen wie die ideale Projektionsfläche ihrer eigenen Wunschvorstellungen wirkt: schlau und pragmatisch, unverletzlich und dabei einfühlsam. Systematisch gibt er in der persönlichen Begegnung seinem Gesprächspartner recht und schafft eine Atmosphäre des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens. Kaum jemand geht aus seinem Büro, ohne das Gefühl, dass die Dinge sich jetzt zum Besseren wenden werden. In Kombination mit seinen markigen Sprüchen ist es gerade diese Schwierigkeit ihn zu verorten, die Junckers Erfolg ausmacht: Ein Mann mit vielen Talenten aber ohne Eigenschaften. (…)
Als wirklich problematisch hat sich jedoch der „institutionelle Pragmatismus“ des luxemburgischen Premierministers erwiesen. forum schrieb schon im Dezember 2006, dass der Regierungschef eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehe, indem er fast schon systematisch die Institutionen des Landes (Justiz, Staatschef, Staatsrat, Zentralbank, …) beschädige. Die Art und Weise, wie die „institutionelle Krise“ vom 2. Dezember 2008 ablief, die Behandlung der Akte „Bommeleeër“, aber auch die Entwicklungen der letzten Wochen im Zusammenhang mit der Aufsicht des Geheimdienstes lassen erahnen, wie locker der Jurist Juncker das Verhältnis der Institutionen zueinander sieht – und jeder Journalist und Oppositionspolitiker im Lande weiß, wie entrüstet er reagiert, wenn man ihn darauf kritisch anspricht. (…)
Das vor allem in luxemburgischen und deutschen Medien verwendete Leitmotiv von Juncker als erprobtem Vorkämpfer der europäischen Einigung geriet in der internationalen Presse zunehmend in Schieflage. Hierzulande wurde die schöne Geschichte vom Vorzeige-Europäer jedoch nie wirklich in Frage gestellt. Dazu beigetragen hat die Arbeitsaufteilung zwischen dem „europäischen“ Juncker und seinem langjährigen Assistenten Luc Frieden, der die Begehrlichkeiten des Finanzplatzes in Brüssel als „nationales Interesse“ verteidigte. (…)
Der Politiker, der Luxemburg aus der Beschaulichkeit der Santer-Ära reißen und eine neue Streitkultur begründen wollte, wurde nicht zum „Macher“ und schon gar nicht zum Visionär für das Luxemburg des 21. Jahrhunderts. Sich Problemen wie dem abnehmenden sozialen Zusammenhalt, dem völlig ungeregelten Wohnungsmarkt, der Landesplanung und der undurchsichtigen Polit-und Geschäftspraktiken (Stichwort Wickréng-Léiweng) anzunehmen, hätte auch bedeutet sich mit den Kollateralschäden des Finanzplatzes auseinanderzusetzen. Junckers Zeit in der Regierung ist geprägt durch den Aufstieg (und Fall?) des Neoliberalismus. Jede strenge Regulierung hätte diesem Weltbild widersprochen. Alleine die Angst, ausländische Investoren abzuschrecken, reichte meistens aus, um die Regierungen unter Juncker von mutiger Politikgestaltung abzuhalten.(…)
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