forum_C: TV-Tipp: Die Hölle auf Erden: Michael Ciminos „The Deer Hunter“

Freitag, 1.9 / 22:35 / 3sat

In einer abgelegenen Arbeiterstadt in Pennsylvania werden die drei Stahlarbeiter Michael, Nick und Steven zum Kriegsdienst in Vietnam einberufen. Zuvor gibt es noch eine ausgelassene Hochzeitsfeier und eine anschließende Jagd, danach scheint eine Rückkehr in diese idyllische Welt unmöglich. Im Dschungel von Vietnam werden aus den leidenschaftlichen Jägern schließlich selbst Gejagte; sie erleben auf grausamste Weise die Schrecken und Gräuel des Krieges und der Gefangenschaft.

The Deer Hunter überzeugt als Anti-Kriegsdrama in großartigen Bildern bei seiner Länge von fast drei Stunden vor allem durch seine starken Darsteller. Um eine sachlich distanzierte Aufarbeitung des Vietnamkriegs geht es dem Film nicht, viel eher setzt er auf die persönlichen Kriegserfahrungen drei junger Amerikaner im unmittelbaren Augenblick. Die kompromisslose Härte in der Darstellung und die Einseitigkeit der subjektiven Erzählperspektive machen aus The Deer Hunter einen schier radikalen Film.

(c) EMI Films / Universal Pictures

So wie der Film in der ersten Hälfte versucht, mit äußerster Sensibilität das Porträt des Arbeitermilieus zu zeichnen, so scheitert er letztendlich an der Darstellung der Konfrontation mit der asiatischen Kultur, den Blick darauf gar verzerrend: Asiaten sind hier in ihrer an Rassismus grenzenden Darstellung verflacht und zu eindimensional wirkenden, sadistischen Schergen degradiert.

Vor allem die Struktur des Films lässt einige Episoden herausragen, die aufgrund ihrer eindringlichen Intensität in Erinnerung bleiben. Wenn in der prächtigen Szene der Hochzeitsfeier, (die Vergleiche mit der aus Francis Ford Coppolas The Godfather oder Jean Renoirs La règle du jeu nicht scheuen muss) noch Unbeschwertheit vorherrschte, dann wirkt diese vergessen und verdrängt durch die an Intensität kaum mehr zu überbietende Szene des russischen Roulettes während der Gefangenschaft.

Dass der Film 1979 während den Filmfestspielen in Berlin für einen Skandal sorgte, ihm die Einseitigkeit in der Darstellung des Krieges zum Vorwurf wurde, ist aus heutiger Sicht wohl einem grundlegenden Missverständnis geschuldet: Was aus politischer Perspektive zu ergründen versucht wurde, ist im Film doch eher künstlerisch-ästhetisch verankert. Der Film kreist nicht um die Frage der politischen Schuld, sondern fokussiert das was durch den Krieg in jedem einzelnen irreparabel zerstört wird. So verwundert es auch kaum, dass auf die für das Genre ohnehin glorifizierend eingesetzten Schauwerte von Explosionen, Kugelhagel oder Blutexzessen in Ciminos Werk weitestgehend verzichtet wird.

Der Film wagt die Kritik am Krieg indem er vor allem neben den physischen die psychischen Konsequenzen der Schonungslosigkeit der Kriegserlebnisse offenlegt.

Aus der historischen Distanz wird daneben vor allem einsichtig, dass der Film die Heimat ins Melodramatische verklärt, zumal er den Bezug zu einem größeren politischen Kontext weitestgehend ausblendet. Cimino interessiert nicht die historische Situation oder die politische Lage, Hauptaugenmerk liegt auf den Individuen, den drei Männer aus Pennsylvania. Über deren konkrete Erlebnisse verhandelt der Film Fragen über Freundschaft, Liebe und die Tragik des Kriegs, die mit Kriegsende längst nicht überwunden ist.

Michael Ciminos zweite Regiearbeit aus dem Jahr 1978 wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet, einschließlich in der Kategorie „bester Film“. Es ist zudem einer der ersten Filme des amerikanischen Mainstream-Kinos der 1970er, neben Filmen wie Hal Ashbys Coming Home (1978) oder Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (1979), die sich mit dem Vietnamkrieg auseinandersetzten.

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