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forum_C: Aus dem Leben eines Museumskurators: „The Square“ von Ruben Östlund
Christian (gespielt vom Dänen Claes Bang), der gleichermaßen attraktive wie eloquente Kurator eines Museums für zeitgenössische Kunst in Stockholm, hat gerade die neueste Kunstinstallation seines Hauses namens The Square vorgestellt, da ruft er eben noch den Küchenchef dazu, damit dieser dem Publikum das Menü erklären kann. Doch die anwesenden Gäste scheint das gar nicht zu interessieren – sie stürmen lieber auf das Büffet zu, als dem Koch zuzuhören. Dieser verliert kurzzeitig die Fassung und schreit die versammelte Gästeschar zusammen, nur um dann wieder mit getragenem und professionellem Gestus fortzufahren. In solchen und weiteren, ähnlich absurden Episoden zeichnet der schwedische Regisseur Ruben Östlund (u.a. Turist, 2014) in seinem satirischen Drama nicht nur ein bissiges und bisweilen gehässiges Porträt des elitären, selbstgefälligen Stockholmer Kunstbetriebs, sondern lotet auch die gesellschaftlichen Grenzen von Solidarität, Fürsorge, Menschlichkeit und Gleichgültigkeit aus; The Square gewann bei den diesjährigen Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme.

(c) Magnolia Pictures
Im Mittelpunkt des Films steht der angesehene Museumskurator Christian, geschieden und Vater zweier Töchter, der auf dem Weg zur Arbeit Opfer eines Trickbetrugs (gewissermassen auch eine erfolgreiche künstlerische bzw. schauspielerische Performance) wird, bei dem ihm Mobiltelefon und Geldbörse gestohlen werden. Mittels einer App gelingt es ihm, sein Telefon in einem großen Wohnblock inmitten einer unterprivilegierten Gegend zu orten; mit seinem Assistenten Michael (Christopher Læssø) lässt sich Christian anschließend zu einer kindischen Reaktion hinreißen, bei der beide nachts in ebendiesem Wohnhaus anonyme Drohbriefe zur Rückgabe des Diebesguts verteilen. Zwar erhält Christian wenige Tage später überraschenderweise seine Wertsachen zurück, doch die Konsequenzen seiner unüberlegten Aktion werden ihn – zusammen mit einem höchst kontroversen Werbeclip – in eine existenzielle Krise stürzen.
Während der Vorbereitungen zu der Kunstinstallation The Square – ein hell leuchtendes Quadrat von vier mal vier Metern auf dem Vorplatz des Museums, das Christian immer wieder vorstellt als „sanctuary of trust and caring“, an dem alle die gleichen Rechte und Pflichten haben, (das Werk wurde im Vorfeld der Dreharbeiten tatsächlich von Ruben Östlund und dem Filmproduzenten Kalle Boman entwickelt und ist als permanente Installation in der schwedischen Stadt Värnamo zu sehen) – zeigt der Film Christian in einer recht losen Abfolge von teils sehr komischen Episoden in seinen unterschiedlichen Rollen: als intellektueller Kulturfunktionär, der aus dem Stegreif kunstwissenschaftliche Konzepte anwenden kann, als Mann, der seine Machtposition ausnutzt, um die Journalistin Anne (Elisabeth Moss) zu verführen, als Vater, der mit der Erziehung seiner Töchter überfordert ist, als Chef, Untergebener, Gastgeber.

(c) Magnolia Pictures
In diesen Milieubeschreibungen entlarvt Östlund den Kulturbetrieb als blasiertes und formelhaftes Umfeld, dessen vorgeblich hehre Absichten in krassem Widerspruch zu seinem tatsächlichen praktischen Handeln stehen. Putzkräfte fegen versehentlich Kunstwerke (aus Kieselsteinen bestehend) weg, penible Aufpasser verscheuchen die wenigen Besucher, die sich in die extravaganten Ausstellungen trauen und die banausische Werbeagentur, die The Square promoten soll, findet das Kunstwerk viel zu fade und zahm und möchte es lieber mittels eines reißerischen Clips bewerben, der zwar nichts mit der Botschaft des Werks zu tun hat, dafür aber allerniedrigste Instinkte bedient und hohe Klickzahlen generieren kann. Auch die Medien nimmt Östlund sich genüsslich vor: Attackieren sie Christian anfangs noch wegen des geschmacklosen Clips, so werfen sie ihm auf einer späteren Pressekonferenz (auf der er seinen Rücktritt verkündigt) Selbstzensur vor. Dies alles gipfelt schließlich in einer surrealen und schwer erträglichen Performance, bei der der Künstler Oleg (Terry Notary) die Förderer des Museums bei einem Galadinner als „Affenmensch“ so massiv bedrängt, dass die Situation völlig außer Kontrolle gerät (auch diese Episode ist einer realen Begebenheit nachempfunden, bei der der russische Performancekünstler Oleg Kulik 1996 als „kläffender Hund“ die Besucher der INTERPOL-Ausstellung in Stockholm biss).
Dazwischen montiert Östlund aber auch wiederholt Aufnahmen von Obdachlosen und reflektiert damit über das Kunstmilieu hinaus die moralische Verfassung unserer Gesellschaft, die reale, omnipräsente Herausforderungen wie Obdachlosigkeit und Solidarität erst zu erkennen scheint, wenn sie mittels einer Kunstinstallation eventisiert werden. The Square ist eine über weite Strecken höchst unterhaltsame Gesellschaftssatire, die dabei aber auch Episoden aufweist, die zu lange und/oder zu wohlgefällig gerieten – womit der Film dann stellenweise genau jenem Milieu entspricht, das er eigentlich karikieren möchte. (aktuell im Utopia)
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