„Croc-Blanc / Wollefszant“ von Alexandre Espigares ★★★★☆

Fressen oder gefressen werden – in Croc-Blanc (engl. White Fang, lux. Wollefszant), Alexandre Espigares Adaptation von Jack Londons gleichnamigem Roman (1906) und zugleich seine erste Spielfilmarbeit seit der Oscarauszeichnung für den animierten Kurzfilm Mr Hublot (2014, zusammen mit Laurent Witz), werden die Gesetze der Natur von Anfang an unmissverständlich klargestellt. Unter der Obhut seiner Mutter Kiche erkundet ein neugieriger und draufgängerischer Wolfshundwelpe, der später White Fang getauft wird, die Natur des nordamerikanischen Yukongebietes – doch die Gefahren sind zahlreich und mörderisch: Adler- und Luchsangriffe, verfeindete Wolfsgruppen sowie vom Goldrausch entfesselte Menschen, die sich diese wilde Natur Stück für Stück untertan machen.

Croc-Blanc (c) 2018 Superprod – Bidibul Productions – Big Beach – France 3 Cinéma

Zuflucht finden die Wolfsmutter und ihr Welpe bei einem Stamm nordamerikanischer Ureinwohner, dessen Anführer White Fang zu einem unerschrockenen und ausdauernden Schlittenhund ausbildet. Doch die Goldgier der Pioniere bedroht die Existenz der Einwohner und zwingt den Chief schließlich dazu, seinen geliebten Wolfshund an den schmierigen Kriminellen Beauty Smith zu verkaufen, der ihn in einer Goldgräbersiedlung zum Kampfhund ausbildet – und damit seine gefährlichsten und destruktivsten Instinkte zutage fördert. Erst im Beisein eines Marshalls und seiner Frau gelingt White Fang wieder eine friedvolle Annäherung an die Menschen…

Seine internationale Premiere feierte Croc-Blanc (in Luxemburg koproduziert von Bidibul und vertrieben von Tarantula) im Januar 2018 auf dem renommierten Sundance-Filmfestival in den Vereinigten Staaten. Die einheimische Vorpremiere fand Anfang März in der Philharmonie de Luxembourg statt, bei der die Filmmusik (von Bruno Coulais) vom Orchestre Philharmonique unter der Leitung von Gast Waltzing aufgeführt wurde – im Übrigen in Anwesenheit von Hund Hermès, der Pate stand für die filmischen Animationen von White Fang. Auch die Motion-Capture-Aufnahmen, mittels derer die menschlichen Figuren zum Leinwandleben erweckt wurden, fanden in den Filmland-Studios in Kehlen statt.

Formal (und auch erzählerisch) ist Espigares Adaptation deutlich angelehnt an den italienischen Spaghetti-Western der sechziger Jahre, von dem er die großartigen Landschaftspanoramen und die expressiven Nahaufnahmen der zerfurchten, von der erbarmungslosen Natur gezeichneten Gesichter seiner menschlichen Figuren übernommen hat; die Kameraarbeit ist dabei wohltuend statisch und verzichtet auf die heute üblichen Effekt- und Schnittgewitter, bei denen jegliche räumliche Orientierung verloren geht. Im Allgemeinen haben Espigares und seine Designteams insbesondere für die menschlichen Charaktere eine eigene, interessante Ästhetik gefunden, die diese (und das muss man hier als bewusste Wahl deuten) teils wie Fremdkörper in dem Naturszenario anmuten lässt – er adoptiert dadurch konsequent die Perspektive der Tierfiguren.

Croc-Blanc (c) 2018 Superprod – Bidibul Productions – Big Beach – France 3 Cinéma

Die Beziehungen zwischen Tier und Mensch, die mal von Verständnis und Zuneigung und mal von Oppression und Ausbeutung geprägt sind, stehen deshalb auch im Zentrum von Croc-Blanc. Espigares übernimmt aber nicht nur die Sichtweise der Tiere (oft befindet sich die Kamera auf deren Höhe) sondern lässt ihnen auch ihre Tiernatur und Wildheit – übertrieben verniedlichte, sprechende (bzw. singende) und tanzende Tiere, wie man sie aus den Animationsfilmen der Marke Disney seit Ewigkeiten gewohnt ist, finden sich hier also nicht.

Letztlich lassen sich nur wenige echte Schwächen bei Croc-Blanc ausmachen: Neben gelegentlichen Holperigkeiten im Erzählrhythmus ist es auch etwas bedauerlich, dass bei der künstlerischen Gestaltung des Antagonisten Beauty Smith allzu sehr auf das Klischee der moralisch deformierten Figur, die gleichzeitig auch körperlich abstoßend ist, zurückgegriffen wurde. Auch die stellenweise sehr düstere Atmosphäre – die zwar dem Geist der Romanvorlage und der Pionier- und Goldgräberzeit des späten 19. Jahrhunderts entspricht – könnte jüngere Zuschauer überfordern (auch wenn die tatsächliche Gewalt meistens off-screen stattfindet).

Davon abgesehen gelang Alexandre Espigares eine sehr empfehlenswerte erste Spielfilmarbeit, die mitreißend und aufrichtig erzählt bzw. bebildert ist – und echte Kinoqualitäten hat.

Ab 28. März im Kino, auch in luxemburgischer Synchronisierung.

 

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