forum_C: „Solo: A Star Wars Story“ von Ron Howard ***

Lucasfilm, bzw. die Walt Disney Company, welche die von George Lucas 1971 gegründete Produktionsfirma vor einigen Jahren für einen Milliardenbetrag übernommen hat, arbeitet weiterhin fleißig an der Etablierung eines großen und zusammenhängenden Star Wars-Universums nach dem Vorbild der Marvel-Filme.Regisseure, die sich auf das nicht ungefährliche Vorhaben einlassen, eine der vielen Fortsetzungen oder Spin-offs zu drehen, sind jedoch am besten mit einem gewissen Hang zum filmischen Masochismus ausgestattet. Auf der einen Seite: Notorisch unzufriedene Produzenten mit Kontrollzwang, die Nachwuchsregisseure zwar anheuern, weil sie einige frische, kreative Ideen mitbringen und darüber hinaus auch noch leichter zu steuern sind als Hollywood-Routiniers, nur um ihnen dann doch bei kleinsten kreativen Divergenzen genau so einen Routinier vor die Nase zu setzen. Auf der anderen: Fangeschmeinschaften, die mit den Originalfilmen (1977-1983) und Star Wars-Literatur aufgewachsen sind, diese verinnerlicht haben und jetzt das Gefühl haben, besagtes Universum würde ihnen gehören – sie bemängeln wahlweise, die neuen Star Wars-Filme wären zu sehr an die Ursprungstrilogie angelehnt und deshalb nicht originell genug (so geschehen bei Star Wars: The Force Awakens, J. J. Abrams, 2015) oder aber sie hätten sich durch zu viele erzählerische Neuerungen zu sehr von ebenjener Originaltrilogie entfernt (Star Wars: The Last Jedi, Rian Johnson, 2017).

(c) Walt Disney Studios Motion Pictures

Auch die Entstehung von Solo: A Star Wars Story – nach Rogue One (Gareth Edwards, 2016) das zweite Neu-Prequel der Franchise – war recht bewegt. Das zunächst engagierte Regie-Duo Phil Lord und Christopher Miller (u.a. 21 Jump Street, 2012 und The Lego Movie, 2014) wollte den Erzählton des Films lockerer und komödiantischer halten, und setzte offenbar viel auf Improvisation – sehr zum Missfallen von Co-Autor Lawrence Kasdan und Lucasfilm-Chefproduzentin Kathleen Kennedy. Sie holten Hollywood-Veteran Ron Howard (u.a. A Beautiful Mind, 2001) wenige Wochen vor Drehschluss ins Boot, um zu retten was noch zu retten war. Gerüchten zufolge nahm Howard seinen Auftrag wörtlich und ließ bis in den Herbst 2017 hinein zwischen 70 und 80 Prozent des Films neu drehen – und tatsächlich, so homogen wie der fertige Film letzten Endes wirkt, glaubt man das gerne.

Im Zentrum von Solo (die Ereignisse sind zeitlich etwa zehn bis fünfzehn Jahre vor denen aus Star Wars, 1977 angesiedelt) steht eine der beliebtesten Figuren der Reihe, und zugleich eine, ohne die der enorme Erfolg der Weltraumsaga wohl kaum denkbar gewesen wäre: Der lässige Schmuggler Han Solo, ursprünglich verkörpert von Harrison Ford. In der Tradition anderer bewährter Prequel– bzw. Reboot-Filme wie bspw. Casino Royale (Martin Campbell, 2006) zeigt Solo die frühen Jahre des Draufgängers, um zu ergründen, wie sich die Figur zu dem entwickelte, was sie in den späteren (also: früheren) Star Wars-Filmen ausmachte. Alden Ehrenreich meistert diese undankbare Aufgabe wider Erwarten mit einiger Achtung, auch wenn ihm die Nonchalance und Autorität, die Mischung aus Arroganz und Mumm, eines Harrison Ford (noch) abgeht.

Auf der Star Wars-Zeitleiste ist Solo zwischen der Machtübernahme des Imperiums und der Ausbildung einer Rebellenbewegung angesiedelt. Konkurrierende Gangster-Syndikate teilen sich den Markt um den Handel mit dem begehrten Treibstoff Coaxium untereinander auf – und auch Han (noch ohne den Namenszusatz Solo) steht auf dem düsteren und ärmlichen Planeten Corellia als Handlanger im Dienst eines solchen Syndikats. In gewohnter Hollywood-Tradition kennt er nur ein Ziel: Sich aus dieser Unterdrückung zu befreien und mit seiner Jugendliebe Qi’ra (mit zu wenig Raum zum Glänzen: Emilia Clarke) als Weltraumpilot die Weiten der Galaxie zu erkunden. Nach einer missglücken Flucht, bei der Qi’ra festgenommen wird, heuert Han zunächst bei den imperialen Truppen an, um dann während eines Kampfeinsatzes zur Schmugglerbande von Tobias Beckett (angenehm zurückhaltend und ambivalent: Woody Harrelson) zu stoßen, die freilich wieder die kriminelle Drecksarbeit für den Syndikatchef Dryden Vos (Paul Bettany) erledigen.

(c) Walt Disney Studios Motion Pictures

Nach einem recht schwachen Anfang nimmt Solo dann doch noch Fahrt auf, und Howard erzählt auf zwar lineare, dafür aber routinierte und zitatenreiche Weise von Solos Anfängen als tollpatschiger Schmuggler, der stets zu hoch pokert (nicht die einzige Westernanleihe) und am Ende meistens mehr Glück als Verstand hat, seinen Begegnungen mit dem Wookie Chewbacca sowie dem undurchsichtigen Zocker Lando Calrissian (Ehrenreich in vielen Szenen überlegen: Donald Glover) – hier noch der Besitzer des Millenniumfalken.

Howard versucht erwartungsgemäß möglichst viele Brücken zu den Vorgängerfilmen zu schlagen und gleichzeitig genug Türen für weitere Spin-offs zu öffnen. Es gibt sicherlich größere filmische Ärgernisse als Solo – der immerhin mit einigen mitreißend inszenierten Set pieces punkten kann, wie etwa einen Überfall auf einen schwebenden Zug (eine Hommage an die berühmte Lorensequenz aus der Lucasfilm-Produktion Indiana Jones and the Temple of Doom, 1984) oder die Infiltrierung eines Rohstoffplaneten, der an die Schwefelminen Javas erinnert – doch es drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob es (auch für Lucasfilm) sinnvoll und nötig ist, mit immer neuen Filmen das Star Wars-Universum bis in den allerletzten Winkel hinein zu erkunden und Antworten auf Fragen zu finden, die sich nicht einmal die härtesten Fans bis dato gestellt haben?

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