Weckruf für die USA
(Yves Steichen) Ein Schwarzer beim Ku-Klux-Klan, dem rassistischen und gewaltbereiten Geheimbund aus der Zeit des Amerikanischen Sezessionskrieges? Was zunächst wie eine irre Fiktion – beziehungsweise wie die Grundlage einer nicht minder grotesken Sketchreihe des Komikers Dave Chapelle – klingt, hat sich in der Realität so zugetragen: In den siebziger Jahren gelingt es dem dunkelhäutigen Polizisten Ron Stallworth aus Colorado Springs zusammen mit seinem weißen Partner, den örtlichen Ableger des Ku-Klux-Klans zu infiltrieren. Spike Lee (u.a. Malcolm X, 1992 und 25h Hour, 2002), einer der zurzeit politischsten und engagiertesten Filmemacher Hollywoods, erzählt in dem Satiredrama BlacKkKlansman die haarsträubende Geschichte des ersten (und wahrscheinlich einzigen) schwarzen Mitglieds des Ku-Klux-Klans – und nimmt sich dabei auch gnadenlos das Amerika der Gegenwart und den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump vor.
BlacKkKlansman, der auf der 2014 erschienen Autobiografie Black Klansman: A Memoir von Ron Stallworth basiert, erhielt bei seiner Premiere auf den Filmfestspielen von Cannes im Mai 2018 den „Großen Preis der Jury“.
(c) Focus Features
Colorado Springs, Anfang der Siebziger: Ron Stallworth (lässig: John David Washington, Sohn von Spike-Lee-Veteran Denzel Washington) ist bestrebt, der erste schwarze Detective der örtlichen Polizei zu werden. Leicht ist das nicht, denn der paternalistische Chief Bridges (Robert John Burke) nimmt Stallworth zwar in den Polizeidienst auf, weil ihm dessen Afro gefällt, versetzt ihn aber ins Aktenarchiv – und dort ist Stallworth sogleich den rassistischen Anfeindungen seiner weißen Kollegen ausgesetzt. Als die lokale afroamerikanische Studentenverbindung Stokely Carmichael, alias Kwame Turé und Mitinitiator der „Black Power“-Bewegung (mitreißend: Corey Hawkins), einlädt um eine Rede zu halten, ändert der Chief schließlich seine Meinung. Stallworth soll die Veranstaltung undercover auskundschaften – doch der Auftrag bringt ihn in eine schwierige Situation, denn Stallworth hegt nicht nur Sympathien für die Präsidentin der Organisation, Patrice (kämpferisch: Laura Harrier), sondern auch für die Ideen des militanten Bürgerrechtlers Turé: Unter der Maxime „All power to all the people“ fordern die Studenten einen radikalen politischen Umbruch.
Und sie sind nicht die Einzigen: Am entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums fantasieren auch die Rechtsradikalen vom örtlichen Ku-Klux-Klan von einer gesellschaftlichen „Revolution“ und rufen unverhohlen zur Gewalt gegen Schwarze auf – nur werden deren Treffen nicht überwacht. Mehr aus Frust denn aus Überlegung meldet sich Stallworth auf eine Anzeige des „KKK“ und lässt am Telefonhörer eine beachtliche Hasstirade gegen alle möglichen Feindbilder der „Organisation“, vor allem aber gegen Afroamerikaner, vom Stapel. Am anderen Ende der Leitung ist Walter (Ryan Eggold) sichtlich beeindruckt von so viel Wut und lädt Ron spontan zu einem Treffen ein. Für ein solch persönliches Treffen mit dem im Untergrund agierenden „Klan“ braucht Stallworth aber notwendigerweise einen weißen Partner – nämlich seinen jüdischen Polizeikollegen Flip Zimmerman (zurückhaltend: Adam Driver); passenderweise gehören Juden in gleichem Maße zu den Feindbildern des „Klans“ wie Schwarze. Während Ron also die Mitglieder des „KKK“ über das Telefon einlullt und dabei nach und nach sogar bis zu deren „Grand wizard“ David Duke (beängstigend charismatisch: Topher Grace) vorstößt, besucht Flip deren Versammlungen und entdeckt Zeichen eines bevorstehenden Terrorattentates…
(c) Focus Features
Spike Lee lässt keinen Zweifel daran, dass er die amerikanische Gesellschaft mit BlacKkKlansman auf- beziehungsweise wachrütteln möchte. In jeder Faser seines Films stemmt sich Lee der rassistischen und diskriminierenden Rhetorik, die Donald Trump von der Straße in das Weiße Haus hineingeholt und gewissermaßen institutionalisiert hat, entgegen: Obwohl BlacKkKlansman in den siebziger Jahren angesiedelt ist, greifen seine Protagonisten (darunter Alec Baldwin, der Trump bereits in der Sendung Saturday Night Live parodiert hat, in einem brillanten Cameo-Auftritt als „KKK“-Hardliner) unentwegt den „America First“-Diskurs auf.
Erzählerisch bewegt sich BlacKkKlansman dabei zwischen zwei Welten: Während Lee das Milieu der „Black Power“-Aktivist(inn)en um Patrice in lässigen und grobkörnigen, mit Reminiszenzen an den Look des sog. „Blaxploitation“-Kinos der 70er Jahre (u.a. Shaft und Coffy), zeigt, porträtiert er den „KKK“-Verbund auf überspitzte Weise als Ansammlung stumpfsinniger Hinterwäldler, die sich an dumpfen Ritualen und Zeremonien erfreuen. Als Zuschauer(in) fällt es einem leicht, über sie zu lachen – doch ein Gedanke schwingt immer mit: Auch Trump wurde anfangs ausgelacht.
Lees Abrechnung mit dem institutionalisierten Rassismus hört hier aber noch längst nicht auf, denn er knöpft sich auch zwei Klassiker des Hollywoodkinos vor, die unter ästhetischen Gesichtspunkten zwar als Meilensteine gelten, dabei aber entweder eine Apologie der Südstaaten-Sklaverei (Gone with the Wind, Victor Fleming, 1939) oder eine Glorifizierung des Ku-Klux-Klans (Birth of a Nation, D.W. Griffith, 1915) sind, und diesem zu neuem Aufschwung verholfen haben. In einer beeindruckenden Parallelmontage etwa lässt er einen alternden Bürgerrechtler (gespielt von Harry Belafonte) vor der Studentenvereinigung von einem Lynchmord an einem geistig behinderten Schwarzen aus dem Jahr 1916 erzählen, während sich die „KKK“-Mitglieder (einschließlich Flip) johlend an einer Vorführung von Birth of a Nation ergötzen.
(c) Focus Features
So stark (und wichtig) die Botschaft von BlacKkKlansman auch ist, hat der Film dennoch einige erzählerische Schwächen. Zum einen funktioniert die Prämisse – Ron ist die Stimme und Flip der Körper, aber beide Cops mimen die gleiche Person – nur bedingt: Selbst den einfältigsten Hinterwäldlern müsste auffallen, dass Flips Tonalität in keiner Weise zu der Stimme am Telefon passt; dieser Umstand mag aber tatsächlich auf ein unglückliches Casting der beiden (für sich genommen hervorragenden) Hauptdarsteller zurückzuführen sein. Zum anderen konzentriert sich Lee zwar sehr auf zwei politische Extreme – „Black Power“ vs. „KKK“ –, klammert dabei aber weitgehend den ganz alltäglichen und gesellschaftlich stets präsenten Rassismus aus, der nicht weniger wegbereitend für eine Kandidatur beziehungsweise Wahl Trumps war; auch Rons Polizeikollegen werden erstaunlich schonend porträtiert – bis auf einen unverhohlenen Rassisten, der am Ende bekommt was er verdient, scheinen alle integer und progressistisch zu sein.
Nichtsdestotrotz ist BlacKkKlansman eine gescheite und bissige Satire, die in den letzten Minuten mit einem regelrechten Knall endet und seinen Zuschauer(inn)en trotz Siebziger-Jahre-Ästhetik versichert, dass dieser Film im Hier und Jetzt spielt.
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