- Kino
forum_C : „Promising Young Woman“ von Emerald Fennell (Luxembourg City Film Festival)
★★★★☆
(Yves Steichen) Die Nachbeben der #Me-Too-Bewegung sind auch nach zweieinhalb Jahren noch in der weltweiten Unterhaltungsindustrie zu spüren. Davon zeugen nicht nur die gegenwärtig sehr kontrovers geführten Diskussionen um den Umgang mit anerkannten, aber (aus unterschiedlichen Gründen) belasteten Regisseuren wie Roman Polanski und Woody Allen, auch einzelne Filmproduktionen scheinen sich thematisch in den Diskurs um die Verflechtung von Macht und sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen einschreiben zu wollen. Der grimmige, mitunter schwarzhumorige Revenge-Thriller Promising Young Woman (Regie und Drehbuch: Emerald Fennell, u.a. Show-Runnerin von Killing Eve) – der auf dem diesjährigen amerikanischen Sundance Film Festival vorgestellt wurde und vor wenigen Tagen als Auftaktfilm des Luxembourg City Film Festivals lief – verortet die Sphäre des Missbrauchs allerdings nicht in der Showbranche, sondern in einer anderen, gleichsam dekadenten und übersexualisierten Welt: Die der US-amerikanischen Eliteuniversiäten.
(c) Focus Features
Cassie (Carey Mulligan) hat diesen Kosmos hinter sich gelassen – allerdings nicht freiwillig, denn ein traumatisches Ereignis, in das auch ihre Kindheitsfreundin Nina verwickelt war, zwang die einst ‘vielversprechende‘ Medizinstudentin, ihr Studium abzubrechen. Seitdem lebt die Dreißigjähre ohne Ambitionen wieder bei ihren Eltern (Jennifer Coolidge, Clancy Brown) und in den Tag hinein – mit einer Ausnahme: Ihre Berufung hat Cassie darin gefunden, sich mehrmals die Woche auffällig zu kleiden und zu schminken, und in den örtlichen Bars vorzugeben, bis zur Besinnungslosigkeit betrunken zu sein. Lange muss sie dann nie darauf warten, dass ein vermeintlich ‘netter Kerl’ (so zumindest lautet deren Selbstbeschreibung) auftaucht, der die hilflose Frau ‘nach Hause begleiten’ möchte, dabei aber letztlich ‘bloß’ eine Gelegenheit für nicht-einvernehmlichen Sex ausmacht. Umso wirkungsvoller trifft sie aber dann der Schock, von der plötzlich stocknüchternen Cassie mit ihrem Verhalten konfrontiert zu werden. Als sie schließlich auf den ehemaligen Studienkollegen Ryan (Bo Burnham) trifft, scheint sich Cassies Zustand endlich zum Positiven zu wenden – doch mit der Begegnung mit Ryan öffnen sich auch viele Türen in die Vergangenheit…
Emerald Fennells Regiedebüt geriet zu einer galligen und listigen Mischung aus Rachedrama und Komödie, die zwar mehr als einmal die Erwartungen der Zuschauer*innen unterläuft, aber auch dadurch, dass der Film zu vielen Erwartungen gleichzeitig gerecht werden möchte, erzählerisch und formal nicht immer ganz kohärent ist. Während Promising Young Woman zwar durchaus präzise die Auswüchse der ‘Rape culture’ an privilegierten US-Eliteuniversitäten freilegt und die (nicht nur) dort vorzufindenden Männertypen ausnahmslos als lächerliche – und im ‘besten’ Fall pathetische – Figuren entblößt, verschenkt der Film im (per se eindrucksvollen) Finale durch eine zwiespältige Botschaft und ein unentschlossenes, weil doppeltes Ende aber auch einige Sympathiepunkte.
(c) Focus Features
Carey Mulligans großartige, elektrisierende Verkörperung des gleichsam unberechenbaren und doch sehr überlegt agierenden Racheengels hallt allerdings noch lange Zeit nach. Es bleibt zu hoffen, dass der Film im Laufe des Jahres auch eine Auswertung in den luxemburgischen Kinos erfährt.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
