- Kino, Uncategorized
forum_C : „The Old Guard“ von Gina Prince-Bythewood
★★★☆☆
(Yves Steichen) Die südafrikanische Schauspielerin Charlize Theron wird nicht müde, ihren Ruf als derzeit profilierteste Actiondarstellerin Hollywoods zu zementieren. Nach ihren vielbeachteten Auftritten in Mad Max: Fury Road (George Miller, 2015) und Atomic Blonde (David Leitch, 2017) übernimmt sie jetzt die Hauptrolle in der Netflix-Adaptation der Graphic-Novel-Reihe The Old Guard (Greg Rucka und Leandro Fernández) unter der Regie von Gina Prince-Bythewood.
Auf dem Papier bringt The Old Guard alles mit, um sich der übermächtigen (Kino-)Konkurrenz von Marvel, Disney und DC Films entgegenzustellen: Eine gestählte Heroine mit mythologischen Wurzeln als Lead, namentlich Andromache von Skythien (Charlize Theron), ambivalente und an sich selbst zweifelnde Superheldenfiguren um sie herum, harte Actionchoreographien sowie die narrative Ausrichtung als mehrteilige Franchise inklusive eigenem Worldbuilding. Dass diese Mischung trotzdem nur bedingt zündet, liegt auch daran, dass sämtliche filmischen Vorbilder, bei denen sich The Old Guard großzügig bedient, eine Nummer größer und besser ausfallen.
“I lead a group of immortals. An army, I guess.” – Andromache alias “Andy” ist die Anführerin einer vierköpfigen Söldnergruppe, bestehend aus Booker (sehr gut: der Belgier Matthias Schoenaerts) sowie dem Paar Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli), die eines gemeinsam haben: Ihre Wunden heilen unverzüglich, und sie sind mehrere hundert bis tausend Jahre alt. Während Andy bereits im antiken Griechenland kämpfte, stießen Joe und Nicky während den Kreuzzügen, und Booker in Folge der Napoleonischen Kriege, zu diesem Geheimbund dazu. Gemeinsam setzen sie sich für “das Gute” ein, hadern aber auch mit der Sinnhaftigkeit ihrer Missionen und den tragischen Facetten ihres „ewigen“ Lebens – den Grund für ihre spezielle Begabung kennen sie indes nicht, sie wissen nur, dass sie irgendwann von allein verschwinden wird. Als mit der jungen afroamerikanischen US-Soldatin Nile (KiKi Layne) eine weitere Unsterbliche auf der Weltkarte auftaucht, und zeitgleich CIA-Agent Copley (Chiwetel Ejiofor) die “alte Garde” jagt, um sie an den dubiosen Pharma-CEO Merrick (Harry Melling aus den Harry Potter-Verfilmungen) auszuliefern, der aus der DNA der fünf Krieger*innen ein Medikament herstellen möchte, bekommt die kampfmüde Andy noch einmal einiges zu tun…
Neben der reizvollen Prämisse selbstheilender Superheld*innen, die insbesondere zwischen der Neurekrutin Nile und ihrer Mentorin Andy anfangs für einige launige Situationen sorgt, punktet The Old Guard auf der Habenseite dadurch, dass Regisseurin Gina Prince-Bythewood an vielen Stellen die traditionellen Klischees des Actiongenres unterwandert. Sei es die offen thematisierte gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung des arabisch-italienischen Liebespaars Joe und Nicky – in einem Filmgenre, das zwar seit jeher von Homoerotik nur so strotzt, dabei aber stets einen problematischen Umgang mit selbiger pflegte und sie entweder verleugnete oder lächerlich machte –, die selbstverständliche Rolle von Andy als Anführerin der Gruppe und Nile als ihre soon-to-be Nachfolgerin, oder die harten Kampfszenen, die zwar primär von der Teamarbeit und dem Zusammenspiel antiker und hochmoderner Kriegswaffen leben, dabei aber auch die Frauenfiguren in physischen Choreographien antreten lassen, die nicht in kindische, unrealistische Zirkusnummern à la Charlie’s Angels oder Tomb Raider ausarten.
Dazwischen geriet The Old Guard stellenweise aber arg behäbig – vor allem in der ersten Hälfte – und auch die etwas pathetischen Dialoge hätten, wie die Charakterzeichnung der Gegenspieler, einiger Überarbeitung bedurft. Schwerer wiegt hingegen die Tatsache, dass der Film in seiner Gesamtheit schlicht wie aus anderen filmischen Werken zusammenkopiert wirkt, und deshalb kaum Eigenständigkeit entwickelt – das Motiv der unsterblichen Hauptfigur(en) beispielsweise kennt man aus Highlander (Russell Mulcahy, 1986), ihre mythologischen Wurzeln aus Wonder Woman (Patty Jenkins, 2017), die Söldnerthematik aus The Expendables (2010-2014), die desillusionierten, zweifelnden Superheld*innen aus Watchmen (Zack Snyder, 2009) und die formale Ästhetik der Kampfszenen erinnert schließlich an John Wick (2014, Chad Stahelski) und Atomic Blonde (bei dem Charlize Theron, wie hier, als Produzentin fungierte).
Wirklich schlecht machen diese Bezüge The Old Guard zwar nicht – in ihrer schieren Masse lassen sie den Film aber ziemlich fantasielos erscheinen: Alles das, was The Old Guard kann, können andere Filme eine Nummer größer und besser. Möglicherweise haben die im Schlussakt nicht ganz subtil angekündigten Sequels ja etwas mehr Eigenständigkeit.
Auf Netflix.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
