Wie man Erfindung mit Realität verwechselt

Eine Replik auf den Beitrag von Henri Grün in forum 425 (Mai 2022)

(von Bernard Gottlieb)

Dieser Text ist eine Replik auf Henri Grüns Beitrag Wie man Antisemiten erfindet“, erschienen in forum 425 (Mai 2022), S. 18-21. Grüns Beitrag gingen im Jahr 2021 folgende Texte voran:

Henning Marmulla, „Der ewige Sündenbock Teil 2“, in: forum 421 (Oktober 2021), S. 12-16.

Hubert Hausemer, „Streit über zwei Antisemitismusdefinitionen“, in forum 420 (September 2021), S. 16.

Michel Pauly, „Vorsicht mit dem Vorwurf des Antisemitismus“, in: forum 420 (September 2021), S. 14f.

Henning Marmulla, „Der ewige Sündenbock“, in: forum 419 (Juli / August 2021), S. 5f.

Zum Thema siehe nun auch: Henning Marmulla, „Dialogverweigerung“, in: forum 426 (Juli 2022), S. 11-14.

Der Bericht von RIAL (Recherche et information sur l’antisémitisme au Luxembourg) zum Antisemitismus in Luxemburg für das Jahr 2021 war gerade unter Dach und Fach, als die Mai-Ausgabe 2022 von forum im Briefkasten landete. Neben interessanten Beiträgen konnte man dort auch einen Text mit dem Titel „Wie man Antisemiten erfindet“ – als Replik auf einen sieben Monate zuvor erschienen Artikel namens „Der ewige Sündenbock Teil 2“ von Henning Marmulla – vorfinden. Der Autor: Henri Grün, Verwaltungsratsmitglied des Comité pour une paix juste au Proche-Orient (CPJPO).

Zum Titel ist anzumerken: Antisemiten braucht man gar nicht erfinden, die sind einfach da und entlarven sich meistens selbst. RIAL geht’s um antisemitische Handlungen und Aussagen. Für deren Einordnung liegen Definitionen und wissenschaftliche Literatur vor, auf die wir uns auch beziehen. Wir dokumentieren. Die Bekämpfung von Antisemitismus ist dann Sache einer couragierten Zivilgesellschaft und letztendlich die der politischen Verantwortlichen unseres Landes.

Grün benutzte seinen Artikel aber auch dafür, RIAL frontal anzugreifen, mit der Behauptung, man würde den CPJPO „mittels fragwürdiger, zum eigenen Zweck künstlich konstruierter Statistiken“ als antisemitisch diffamieren. Was an der Arbeit der RIAL-Mitarbeiter so fragwürdig ist, was da künstlich konstruiert sein soll, verrät er jedoch nicht.

Den Vorwurf, wir würden den CPJPO als Ganzes als antisemitisch diffamieren, weisen wir vehement zurück. RIAL hat bisher niemanden – ob einzelne Person oder die gesamte Organisation – antisemitisch genannt. Wäre dem anders, hätte der CPJPO wohl schon längst Klage eingereicht, so wie man vor ein paar Jahren ein Verfahren gegen den Abgeordneten Fernand Kartheiser angestrengt hat, der eine diesbezügliche Vermutung in der Chambre des députés erörtert und in einem anschließenden Interview mit radio 100,7 wiederholt hatte. Die Richterin hat entschieden, dass die Aussagen im Radio-Interview unter die immunité parlementaire fallen und somit nicht gerichtlich belangt werden können. Der Fall ist somit abgeschlossen. RIAL möchte allerdings hoffen, dass eine solche Fragestellung im freiheitlichen, demokratischen Luxemburg generell zulässig ist, wenn entsprechende Verdachtsmomente vorliegen.

In unseren Augen ist der CPJPO nicht unantastbar, gar unkritisierbar. Es gelten für ihn dieselben Regeln wie für alle anderen Player in einer Demokratie. Unserem satzungsgemäßen Auftrag nach werden wir Positionen und Aussagen antisemitischer Natur weiterhin anprangern, indem wir uns auf die gängigen Definitionen und Arbeitspapiere zum Thema Antisemitismus stützen und unsere Aussagen entsprechend belegen.

Angriffe auf die von RIAL zusammengetragenen Daten fährt der CPJPO seit Jahren. Man ist bemüht, unsere Arbeit zu diskreditieren, indem man die Integrität von RIAL zu beschädigen und dessen Präsidenten einzuschüchtern versucht, wohl in der Hoffnung, dass die Aktivitäten eingestellt würden. Wenn man nicht in der Lage ist, den Ball zu spielen, spielt man eben den Mann. Im Fußball eine grobe Regelverletzung, die zu Roter Karte und Platzverweis führt.

Der lügende Jude

Der Vorwurf Grüns lautet also, wir würden fragwürdige Statistiken veröffentlichen, die zu unserem Zweck künstlich konstruiert seien. Dieser Vorwurf wird weder begründet noch bewiesen, er steht da einfach so im Raum herum in der Hoffnung, bei Unentschiedenen, Leichtgläubigen oder auch einfach bei den schnellen, flüchtigen Lesern seine Wirkung zu entfalten, nämlich diffus Zweifel an der Redlichkeit der Gegenpartei zu säen.

Da davon auszugehen ist, dass Grün weiß, dass die Datenbasis fundiert ist – die Angaben werden ja in den Berichten im Detail besprochen –, erinnern diesbezügliche Aussagen an ein klassisches, tiefsitzendes und deshalb von vielen leicht aktivierbares, antisemitisches Stereotyp: nämlich das des unehrlichen Juden, der im Geheimen Komplotte schmiedet. Dem muss selbstverständlich widersprochen werden. Wir werden an dieser Stelle nicht die Ergebnisse des rezenten Antisemitismusberichts zusammenfassen. Jeder, der an der Thematik interessiert ist, kann sich den Bericht bestellen unter folgender Adresse: rial@rial.lu

(K)eine Apartheid

Kommen wir zum Bericht von Amnesty International (AI), der Anfang des Jahres erschienen ist und der Israel als Apartheidstaat bezeichnet, ein Bericht, den Grün in seinem Artikel aufgreift. Unsere Reaktion war, kurz nach Erscheinen des Berichts, und Grün gibt sie korrekt wieder, eine Befürchtung. Ja, wir haben unsere Sorge zum Ausdruck gebracht, dass dieser Bericht Antisemitismus befördern könnte. Diese Befürchtung wird aber in Folge von Herrn Grün als Antisemitismusvorwurf insinuiert, was die Fakten mutwillig missinterpretiert.

Was dem Leser des Grün-Beitrags vorenthalten wird: RIAL steht längst nicht mehr allein da. Gleich mehrere politische Schwergewichte haben den AI-Bericht zurückgewiesen: die USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, die Niederlande[1]. Dass Israel ihn sofort abgelehnt hat, mag man ja noch als „politischen Reflex“ herabsetzen können, aber die Direktorin von AI-Israel sowie führende, der arabischen Minderheit zugehörigen Abgeordnete der Knesset, haben den Apartheid-Vorwurf zurückgewiesen, das muss man doch einfach zur Kenntnis nehmen – wenn man es denn ernst meint, mit dem Friedensdialog.

So wie dieser Bericht von AI in Grüns Artikel unkritisch übernommen und propagandistisch ausgeschlachtet wurde, schließt sich dies lückenlos an diverse Facebook-Auftritte des CPJPO an. Dort werden massiv „Informationen“ dieser Art, meistens von gänzlich unbekannten Quellen, publiziert. Rezentes Beispiel: An mehreren Tagen wurden ein paar hundert Rowdies während des Ramadan-Monats 2022 im Umfeld der al-Aqsa-Moschee von der israelischen Polizei durchaus hart angegangen, das ist ein Fakt. Aber genauso wie die jordanische Stiftung Waqf für die administrativen Abläufe an der Moschee zuständig ist, so ist eben Israel für die sicherheitsrelevanten Aspekte und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig. Dass mithilfe Israels also weit über eine Million gläubiger Muslime während des Fastenmonats friedlich in der Moschee beten konnten, konnte man beim CPJPO bisher nicht lesen. Wie man auf diese Art und Weise, Halbwahrheiten zu verbreiten, einen gerechten Frieden im Nahen Osten fördern will, bleibt uns schleierhaft.

Wir werden in diesem Beitrag nicht alle Aussagen von Henri Grün im Detail beleuchten, nicht weil wir das nicht könnten, sondern weil das eine Zumutung an die Leser wäre. Deshalb möchten wir in der Folge die Themenkreise eingrenzen: zum einen auf den Antisemitismus, den Grün in seinen Ausführungen als antijüdischen Rassismus verstanden wissen will, zum anderen auf die Frage des Existenzrechts des Staates Israel.

Antisemitismus als antijüdischer Rassismus. Und weiter?

Gleich zu Beginn seines Artikels versichert Grün ganz formell, dass der CPJPO sich von jeder Form von Rassismus distanziere, so auch vom antijüdischen Rassismus „dem Antisemitismus“. Das ist keineswegs so selbsterklärend, wie es klingt. Denn es suggeriert, dass Antisemitismus eben ein antijüdischer Rassismus sei, und sonst nichts. Bedauerlicherweise ist es nicht so simpel. Bei genauer Betrachtung des Themas kann man sich nur vom Antisemitismus in seiner Gesamtheit distanzieren, ansonsten ist es sinnlos

Ein Blick in die Geschichte (oder die Gegenwart) zeigt, dass es gänzlich andere Formen von Antisemitismus gab und gibt. Einige Beispiele, die dies belegen:

Religiös bedingter Antisemitismus ist seit fast 2.000 Jahren ein fester Bestandteil unserer christlichen europäischen Kultur und hat die Gesellschaft maßgeblich geprägt und die Shoah wohl erst ermöglicht.[2] Und in der muslimischen Gesellschaft, nicht nur in der Nahostregion, ist das Phänomen des Antisemitismus kaum zu übersehen. Auch dann nicht, wenn er unter dem Deckmantel des Antizionismus auftritt. Religiös bedingter Antisemitismus fällt natürlich nicht unter Rassismus und wird komplett ausgeblendet, wenn man Antisemitismus auf antijüdischen Rassismus reduziert.

Das gilt auch für die kursierenden Verschwörungstheorien. Es gibt weiterhin Leute, die glauben, dass die Juden sich verschworen haben, die Welt zu beherrschen. Historische Vorläufer sind die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“ aus dem vorletzten Jahrhundert, die gerade wieder in einigen arabischen Gruppierungen Hochkonjunktur haben, allen Widerlegungen zum Hohn. In unseren Breitengraden sind es eher die auf das Coronavirus bezogenen Verschwörungstheorien, die hochaktuell sind. In diesen zusammenphantasierten Vorstellungen ist der Jude an und für sich immer reich, kontrolliert die Finanzwelt, die Presse sowieso und denkt Tag aus, Tag ein daran, die Herrschaft über die Welt zu ergreifen. Das ist wahnhaft, aber kein Rassismus

Wenn der Holocaust relativiert oder sogar geleugnet wird, ist das auch nicht rassistisch motiviert!

Israelbezogenen Antisemitismus kann es natürlich auch geben. Dieser wird von der international anerkannten Arbeitsdefinition der IHRA, die inzwischen von fast 1.000 Staaten, Städten, supranationalen und nationalen Vereinigungen, Universitäten, Sportclubs etc. angenommen wurde, abgedeckt. Dies gilt auch für die EU sowie für Luxemburg. Die Lektüre des diesbezüglichen Dokuments der ECRI ist ebenfalls zu empfehlen. „De nos jours, l’antisémitisme peut aussi s’exprimer par le biais de certaines critiques d’Israël qui sont infondées. Nier aux Juifs le droit à une patrie associée à un territoire national, attendre de l’État d’Israël qu’il adopte un niveau de conduite différent des autres Etats, ou diaboliser l’État d’Israël et le voir, lui et sa population, comme intrinsèquement mauvais ou raciste, peuvent être considérés comme de l’antisémitisme.“[3]

Nachdem der CPJPO jahrelang irreführenderweise behauptet hat, man würde Antisemitismus bekämpfen, hat die NGO Ende 2020 zugegeben, dass Antisemitismus keine ihrer Prioritäten sei.[4] Das war allen aufmerksamen Beobachtern natürlich schon lange bewusst, aber wir haben dieses Statement mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen. Es ist einfach ehrlicher und verstellt nicht länger den Blick auf das Offensichtliche.

Die neue Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit dem Staat Israel?

Herr Grün beteuert zu Beginn seines Beitrags: „Das CPJPO stellt auch das Existenzrecht Israels nicht in Frage: Ein Blick auf die Charta und die Veröffentlichungen des CPJPO kann das leicht bestätigen.“ So leicht ist es dann aber doch nicht. Weiter heißt es, dass „durch die fortschreitende und strategisch geplante Siedlungspolitik die Zwei-Staaten-Lösung zur leeren Floskel geworden ist“. Damit keine neuerlichen Missverständnisse aufkommen: Das letzte Statement kann man vertreten, so wie man es auch ablehnen kann. Nur man kann nicht gleichzeitig im Mittelmeer und im Roten Meer baden. Wenn etwas eine „leere Phrase“ geworden sein sollte, taugt es für nichts mehr, und hat dann auch nichts mehr in der Charta des CPJPO zu suchen – eine Frage der Kohärenz. Und es ist damit kein Beweis mehr dafür, dass man das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellt!

Aber die Lässigkeit, mit der dies behauptet wird, erklärt sich vielleicht damit, dass sich das Konzept von der „leeren Floskel“ sogar von verschiedenen Abgeordneten geteilt wird. Der Abgeordnete Charel Margue von déi gréng, einer der aktuellen Regierungsparteien, tritt mit genau denselben Thesen wie Grün in einem vom CPJPO produzierten und veröffentlichen Propaganda-Video auf[5] und wirft damit die Regierungskompetenz in die Waagschale, was aber bei einer derartig brisanten und strittigen Frage unzulässig sein sollte. Sollte man meinen.

Es geht munter in diesem Stil weiter: „De facto gibt es heute bereits die Ein-Staaten-,Lösung‘“ zwischen Jordan und Mittelmeer. Und Grün meint natürlich einen jüdischen Ein-Staat. Was würde das bedeuten, wenn es wahr wäre? Die Oslo-Abkommen wären obsolet, die Zonen A und B, die von der Palästinensischen Autorität des Mahmoud Abbas verwaltet werden, und in denen fast 90 % der Palästinenser der Westbank leben, würden, stimmte Grüns Behauptung, zum Staat Israel gehören. Wer würde dann dies vor Ort auch nur eine Sekunde lang akzeptieren? Aber für Aktivisten lässt sich eben leicht, von Luxemburg aus‚ die Rechnung ohne den Wirt machen!

Diese Gebiete, wie auch die von Israel verwaltete Zone C, wurden allerdings nicht annektiert, und gehören so – der Faktenlage nach – eben nicht zum Staat Israel. Was soll also mit der obigen Faktenverdreherei erreicht werden? Ein gerechter Frieden im Nahen Osten sicher nicht. Aber man arbeitet auch auf internationaler Ebene mit diesen verwirrenden Konstrukten und desaströsen Titulierungen, um eben den Vorwurf der Apartheid, den Amnesty International in seinem Bericht von Anfang 2022 wider besseres Wissen aktivierte, salonfähig zu machen und für moralische Empörung zu sorgen.

Solche Anschuldigungen sind übrigens keineswegs neu – siehe z. B. Durban I von 2001 – und ziehen sich jetzt wie ein roter Faden durch die meisten vom CPJPO übernommenen Artikel. Bis hin zur Tour de France, wo eine teilnehmende Mannschaft (mit einem einzigen israelischen Fahrer) mit dem Namen „Israel Premier Tech“ jetzt als „Israel Apartheid Tech“ propagandistisch verleumdet wird. Folgt man diesen BDS-Anhängern wäre die Welt wohl heil, wenn der Name Israel nicht auf Frankreichs Straßen zu sehen wäre.

Jüdisch und demokratisch: das funktioniert!

Die Unabhängigkeitserklärung Israels vom 14. Mai 1948, ein Auszug: „Der Name des Staates lautet Israel. Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestutzt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.“

Dass Israel ein jüdischer Staat werden sollte und dies auch geworden ist, kann eigentlich niemanden ernsthaft wundern. Das war doch genau das Ziel seiner Gründung! Und es gab hinreichend historische Gründe dafür. Von der Bezeichnung „Heimstätte für das jüdische Volk“ in der Balfour Deklaration, zur Société des Nations (SDN) 1922 in San Remo, wo jüdische historische Rechte zu jüdischen legalen Rechten wurden, bis zum Teilungsplan der UNO 1947, der die Aufteilung des vom britischen Mandat kontrollierten Gebiets Palästina in zwei Staaten, einen arabischen und einen jüdischen Staat, empfahl, wobei Jerusalem eine „internationale“ Stadt sein sollte. Die in dem Gebiet lebenden Araber (der Begriff „Volk der Palästinenser“ war noch nicht erfunden) haben ihre Chance auf einen eigenen Staat verworfen. Und sie tun das mit erschreckender Konsequenz immer wieder bis heute.

In anderen Worten: Israel ist ein jüdischer Staat, in dem der Sabbat der wöchentliche Feiertag ist, jüdische Feste gefeiert werden, Hebräisch die Nationalsprache ist, etc. Solche Fakten liegen in der Natur dieses Staates und seiner mehrheitlichen Bewohner. So wie es in der Natur des luxemburgischen Staates und seiner mehrheitlichen Bewohner liegt, dass das Jahr sich nach den christlichen Feiertagen gliedert, die Ferien sich um eben diese Feiertage kringeln und der christliche Sonntag der freie Tag der Woche ist. Normalität eben, die andersgläubigen Minderheiten zugemutet wird, was aber für gewöhnlich nichts an deren Menschenrechten ändert. Wo also ist das Problem mit Israel als jüdischem Staat?

Oder hat man schlicht und einfach nur ein Problem mit einem Staat, wenn er jüdisch ist? Wenn Juden in der tonangebenden Mehrheit sind und nicht, wie in Europa gewohnt, eine verschwindende Minderheit darstellen? Jüdisches Leben, Selbstverständnis, Traditionen und demokratisches Staatswesen sind keineswegs unvereinbar. Man nenne uns ein Land im Nahen Osten, das so eine freie Presse hat wie Israel, in dem man die Regierung so angstfrei kritisieren kann wie in dem jüdischen Staat? Dieser erfundene Gegensatz, demokratisch versus jüdisch, existiert nur für Leute mit binärem Denkmuster (siehe dazu die Resultate des Demokratie-Index[6]).

Schwerwiegend dagegen: CPJPO propagiert fortlaufend Materialien, die die Existenz des Staates Israel, entgegen Grüns Behauptungen und im Gegensatz zum Wortlaut der CPJPO-Charta, sehr wohl in Frage stellen. So z. B. durch die Publikation von Karten, auf denen der Staat Israel ausradiert worden ist und das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer durch eine palästinensische Flagge bedeckt ist. Oder mittels immer neuer, aufwühlender Begriffszuschreibungen, wie zum Beispiel der Titulierung von Polizei und Armee, die innerhalb ihrer Landesgrenzen agieren, als illegitime Besatzungsmächte. Oder wenn ein wildes Angriffsbombardement auf israelische Zivilbevölkerung aus dem Gaza-Streifen heraus wie im Mai 2021 als Notwehr stilisiert wird. Oder immer wieder der unsägliche Apartheidvorwurf und die Mär vom Völkermord am palästinensischen Volk. Da all dies verleumderischen Charakter hat, vor allem dem Rufmord dient und nicht zuletzt faire Verhandlungslösungen unmöglich macht, kann man davon durchaus ableiten, dass man – in der letzten Konsequenz – einem solchen Staat die Existenzberechtigung abspricht.

RIAL sammelt solche Beispiele seit mehreren Jahren, Beispiele, die z. T. von Verwaltungsratsmitgliedern des CPJPO verbreitet werden, und archiviert sie in seinen Jahresberichten. So auch im Bericht für das Jahr 2021, Seite 51-54. Auf Seite 52 ein besonders frappierendes Beispiel in einem vom CPJPO produzierten und publiziertem Propaganda-Video.[7] Wir haben uns das ja nicht ausgedacht! Material wie dieses widerspricht der Aussage, man würde das Existenzrecht Israels anerkennen, nicht nur, sondern es führt sie aufs Heftigste ad absurdum. Wenn so weitergemacht wird, ist ein echter Dialog, der für einen fairen Frieden für alle notwendig ist, unmöglich.

Bernard Gottlieb ist Präsident von RIAL. Jedes Jahr veröffentlicht RIAL einen Bericht zum Zustand des Antisemitismus in Luxemburg. Jedes Jahr steigen die Zahlen an antisemitischen Vorfällen.


[1] Siehe nur https://www.jpost.com/israel-news/article-705664 und https://www.newsweek.com/amnesty-report-against-israel-same-old-tired-propaganda-opinion-1676879 (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 6. Juli 2022 aufgerufen).

[2] Siehe nur https://www.tageblatt.lu/headlines/die-shoah-kam-nicht-aus-dem-nichts-ueber-die-anfaenge-und-verbreitung-der-judenfeindschaft-in-europa

[3] Recommandation de politique générale No 9 de l’ECRI (révisée) sur la prévention et la lutte contre l’antisémitisme, adoptée le1er juillet 2021: https://rm.coe.int/rec-09rev-2021-028-fr/1680a3c142, S. 8.

[4] d’Lëtzebuerger Land vom 27. November 2020, zu finden hier unter dem Text von Claude P. Muller vom 6. November: https://www.land.lu/page/article/441/337441/FRE/index.html

[5] https://www.youtube.com/watch?v=iQ7cJzTJQ94

[6] Die nordischen Staaten Europas liegen hier in der Bewertung für 2021 an der Spitze, Luxemburg auf dem ausgezeichneten 14. Rang, und Israel an Stelle 23, zwischen Frankreich und Spanien! Keiner der arabischen Staaten des Vorderen Orients schafft es unter die ersten 100, wobei ‚Palästina‘ mit Rang 109, relativ gesehen, gar nicht so schlecht dasteht und sogar noch leicht besser abschneidet als der Libanon! Siehe: https://www.eiu.com/n/campaigns/democracy-index-2021/

[7] https://www.youtube.com/watch?v=6f04hIVx8Sc

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