Eine Nachbetrachtung zum public forum über Biolandwirtschaft

Von Doris Bauer und Jeannette Muller

© Philippe Reuter

Am 25. Oktober 2022 hatte forum in Kooperation mit der „Vereenegung Biolandwirtschaft“ eine Sondervorstellung des Films von Tom Alesch Vu Buedem, Bautzen a Biobaueren im Kino Utopia organisiert. Anschließend fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe public forum eine Debatte über Biolandwirtschaft in Luxemburg statt.

Tom Alesch vermittelt in seinem Film in leisen Tönen und unaufdringlich die Lebenswelt der Biolandwirte und -winzer, ihre Freude am Beruf, ihre Liebe zur Natur und zu den Tieren. Er schildert eher unspektakulär, jedoch in eindrucksvollen Bildern, den Alltag der Protagonisten und gibt ihnen Freiraum zur Erläuterung ihrer Ansichten. Ihre Erklärungen wirken einfach, logisch und selbstverständlich. Der Zuschauer spürt ihre Ausgeglichenheit bei der Arbeit im Einklang mit ihren Überzeugungen. Der Film zeigt das Miteinander der Biolandwirte mit der Natur, wirkt erholsam und manchmal lustig. Durch die kontinuierlich unaufgeregte Stimmung des Films gelingt es dem Regisseur, den Zuschauer über Biolandwirtschaft zu informieren und durchatmen zu lassen, indem die Harmonie dieser Produktionsform mit der Natur überzeugend dargestellt wird.

Die anschließende Diskussion mit dem Regisseur Tom Alesch, Gerber van Vliet, dem Verantwortlichen für den nationalen Bioaktionsplan im Landwirtschaftsministerium, dem Biobauern Jean-Lou Colling sowie der Direktorin des IBLA (Institut fir biologësch Landwirtschaft an Agrarkultur) Stéphanie Zimmer, moderiert von Philippe Nathan, konnte aktuelle Fragen zum Thema vertiefen.

Obwohl Tom Alesch geplant hatte, auch konventionelle Landwirte in die Darstellung einzubeziehen, konnte er keinen Bauern für eine entsprechende Aussage im Film gewinnen. Genau dies reflektiert wohl die aktuelle Situation zwischen biologischer und konventioneller Wirtschaftsweise. Es scheint ein großes Unwohlsein auf Seiten der konventionellen Landwirte hinsichtlich einer öffentlichen Illustration ihrer Betriebsform zu geben, insbesondere wenn sie biologisch bewirtschafteten Betrieben gegenübergestellt werden sollen. Beim Austausch mit dem Publikum wurde berechtigterweise dann auch sofort die Frage nach der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Entwicklung der Landwirtschaft aufgeworfen. Da Vertreter der konventionellen Landwirtschaft nicht nur im Film, sondern auch beim public forum abwesend waren, konnte eine entsprechende Thematisierung ihrer Sichtweisen leider nicht stattfinden.

Die europäische Subventionspolitik hat jahrzehntelang den Ausbau konventionell bewirtschafteter Flächen, die Steigerung der nationalen und europäischen Produktionsquantitäten sowie deren Export gefördert – und dies im gesellschaftlichen Konsens. Es muss daher kritisch hinterfragt werden, ob man die Verantwortung der dadurch entstandenen Probleme, wie Biodiversitätsverlust, Wasserverschmutzung, Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase usw. allein auf den produzierenden Sektor abwälzen kann und darf. Wenn dieser Ansatz lange Zeit weder von der Politik, dem Konsumenten, dem Handel noch der Verarbeitung in Frage gestellt wurde, dann braucht es zur Umsetzung neuer Prinzipien einer Einbindung all dieser Akteure und einer gemeinsamen Bereitschaft zur Veränderung, zusammen mit dem produzierenden Sektor. Der Regisseur gab in diesem Sinne zu, dass bei seinen Kaufentscheidungen wie wohl bei vielen Konsumenten lange vor allem auch der Preis entscheidend war, ohne dass er andere Betrachtungen seiner Auswahl in Erwägung zog.

Der nationale Bio-Aktionsplan hat den Anspruch, bis 2025 den Anteil biologisch bewirtschafteter Flächen in Luxemburg auf 20 % anzuheben. Gerber van Vliet erklärte, dass sich Luxemburg aktuell bei knapp 6 % befindet. Österreich befand sich zum Vergleich 2020 bereits bei fast 23 % Anteil Biolandbau. Finanzielle Mittel, insbesondere Subventionen und Prämien, scheinen verfügbar. Stéphanie Zimmer schilderte die Beratungsarbeit des IBLA für Betriebe, die eine Umstellung ihrer Produktionsweise von konventionell auf biologisch planen und strich explizit hervor, dass es sich immer um ein ergebnisoffenes Angebot an die Landwirte handelt und die Entscheidung zur Umstellung letztendlich beim Betriebsinhaber bleibt. Finanzielle Anreize sowie Beratungs- und Informationsangebote sind gegeben. Dennoch erkennt man nur wenig Fortschritte. Warum?

Viele konventionelle Betriebe haben sich finanziell langfristig durch hohe Investionen in Infrastrukturen gebunden, die auf den bislang anerkannten Prinzipien einer quantitativen Produktionsteigerung beruhen. Eine Umstellung in Richtung Biolandwirtschaft wird dadurch maßgeblich erschwert. Die Schaffung eines begleitenden Schuldenausstiegs oder Schuldennachlasses für Betriebe, die umstellen wollen, wäre eine mögliche innovative und sinnvolle Lösung. Neue, auf die bestehende Situation angepasste finanzielle Begleitmaßnahmen sind erforderlich. Wenn landwirtschaftliche Betriebe nach klassischen betriebswirtschaftlichen Kriterien bewertet werden, muss man über ein Change-Management nachdenken, das den Veränderungsprozess begleitet.

Die Frage aus dem Publikum, wieso der Landwirtschaftssektor mit den gleichen Maßstäben gemessen wird wie sonstige Wirtschaftssektoren, klingt berechtigt. Die produzierten Leistungen wie etwa die Erhaltung des Landschaftsbildes oder der Schutz von Naturräumen sind eher Gemeingut als nur Konsumgut.

Jean-Lou Colling, der zunächst mehrere Jahre in der Finanzwirtschaft tätig war, ließ sich von betriebswirtschaftlichen Kriterien überzeugen – er sieht Biolandwirtschaft langfristig als rentabler und für ihn zielführender.

Eine weitere Anmerkung betraf den Einfluss der aktuellen Energiekrise auf den Ausbau biologisch bewirtschafteter Flächen. Durch die Energieknappheit könnte ein Umstieg eher gefördert werden, da die Produktion von klassischen Düngemitteln sich enorm verteuert hat und die konventionellen Landwirte ihre Abhängigkeit von diesen Waren mehr denn je spüren.

Im Publikum wurde des Weiteren die Frage aufgeworfen, warum die effektive Umsetzung von den Zielen des für die Landwirtschaft zuständigen Regierungsressorts abweicht. Eine mögliche Interpretation könnte im Eigenverständnis des Ressorts liegen, nur für bestehende landwirtschaftliche Betriebe verantwortlich zu sein. Eine breiter angelegte Herangehensweise, welche auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung einschließt, könnte hingegen für alle Beteiligten hilfreich sein, um Veränderungsprozesse in Richtung von mehr Biolandwirtschaft anzukurbeln und zu beschleunigen, vor allem aber sie konkret umzusetzen. Das Landwirtschaftsministerium müsste dann allerdings die Perspektive wechseln: sich nicht mehr exklusiv als Vertreter der (mehrheitlichen) Bauernschaft verstehen, sondern als verantwortlich für die Umsetzung von gesellschaftlich gewünschten Zielen: neben der Sicherung der Nahrungsmittelproduktion wären das insbesondere der Erhalt der Biodiversität, der Schutz der Trinkwasserressourcen und die Begrenzung klimaschädlicher Treibhausgase.

20 % Biolandbau im Jahr 2025, sogar 100 % bis zum Jahr 2050 in Luxemburg: Ist dieses Ziel realistisch? Stéphanie Zimmer machte deutlich, woran es noch fehlt: Es gibt noch keine Vision oder Strategie, wie dieses Ziel konkret umgesetzt werden kann. Neben den Landwirten selbst müssen alle Akteure eingebunden werden: die Lebensmittelverarbeitung, der Handel, die Konsumenten usw. Fragen, wie zu dem Zweck etwa die Art, Struktur und Zusammensetzung der Betriebe gestaltet werden müssen, warten noch auf Antworten. Hier besteht noch enormer Forschungsbedarf. Folgeeffekte der Umstellung auf wirtschaftliche und ökologische Themenfelder müssen in Zusammenarbeit aller Akteure bzw. Stakeholder erörtert und erforscht werden.

Von größter Bedeutung für alle Diskussionsteilnehmer ist aber die Erkenntnis, dass die Umstellung auf biologische Landwirtschaft zuallererst in den Köpfen der Landwirte erfolgen muss. Die Entscheidung zur Umstellung erfordert viel Zeit und intensive Beratung. Die Landwirte brauchen die Unterstützung durch die Politik ebenso wie durch die Gesellschaft, die endlich die sogenannten Ökosystemdienstleistungen und die Produktion gesunder Lebensmittel durch den Biolandbau auch über gerechte Preise und soziale Wertschätzung honorieren müssen.

Die im Kino anwesenden Zuschauer kamen mehrheitlich aus ökologisch engagierten und motivierten Kreisen, sodass eine kontroverse Diskussion größtenteils ausblieb. Die Frage, wie eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für eine andere Wirtschaftform in der Landwirtschaft, insbesondere der biologischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, zusammen mit allen betroffenen Akteuren gelingen kann, bleibt somit weiter offen.

Sehen Sie die Diskussion nun im Video nach:


Doris Bauer ist Dipl. Ing (FH) für Gartenbau und Landespflege und Mitarbeiterin der Biologischen Station des Gemeindesyndikates SIAS.

Jeannette Muller ist Diplom-Oecotrophologin

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