„The Crown“ : Season 5

Royale Staffage

Für die britische Monarchie gab es bis jetzt wenig Anlass, sich über ihre Darstellung in der Netflix-Serie The Crown (seit 2016, Idee und Drehbuch: Peter Morgan) zu echauffieren. Zwar zeichnete die mehrfach prämierte britische Fernsehserie in bisher vier Staffeln ein durchaus intimes Porträt der Regentschaft und Ehe von Queen Elizabeth II., doch war dies stets auch ein wohlwollendes – wenn nicht apologetisches – Bildnis der britischen Königin und ihrer Entourage, das ein gewisses Maß an Verständnis für die erdrückende Last des Amtes, seiner Traditionen und Formalitäten, bereithielt.

(c) Left Bank Pictures / Sony Pictures Television

Die beiden ersten Staffeln mit Claire Foy in der Hauptrolle, die als die besten der Serie gelten, zeigten eine junge, unerfahrene und vorsichtige Queen in the making in den fünfziger und sechziger Jahren, die die Regeln des politischen Spiels erst erlernen musste – genau wie jene ihrer eigenen Familie bzw. der Krone als Institution – in einer Zeit des beginnenden Prestigeverlusts. In den darauffolgenden Staffeln drei und vier, die hauptsächlich die siebziger und achtziger Jahre abdeckten, bekamen die Zuschauer.innen eine alternde, kalkulierende Queen (nun verkörpert von Olivia Colman) zu Gesicht, die sich nicht mehr von ihren Premierminister(innen) einschüchtern und einlullen ließ, sondern auch ihre eigene Familie mit strenger Hand und mitunter gegen deren Willen regierte.

Die fünfte Staffel von The Crown, die seit November (und damit rund zwei Monate nach dem Tod von Elisabeth II. am 8. September 2022) auf Netflix zu sehen ist, knüpft an das Ende der Regierungszeit von Margaret Thatcher an, und thematisiert die viel erwarteten frühen 1990er Jahre in zehn Episoden von rund 50 Minuten.

(c) Left Bank Pictures / Sony Pictures Television

Für die Queen (Imelda Staunton) und ihren Gatten Prinz Philip (Jonathan Pryce) könnte es durchaus besser laufen: Ihr neuer Premierminister John Major (charismatisch: Johnny Lee Miller) weigert sich, die königliche Yacht Britannia, seit 1953 im Dienst, mit Steuergeldern renovieren zu lassen und schlägt – wenig subtil – vor, sie durch ein neueres Modell zu ersetzen. Die ohnehin skandalumwitterte Ehe von Charles (Dominic West) und Diana (Elizabeth Debicki) ist dabei endgültig auseinanderzudriften, und beide Eheleute verpassen keine Gelegenheit, sich öffentlich zu zerlegen; Charles, gefangen in der undankbaren Rolle des gefühlt ewigen Thronfolgers, piesackt seine Mutter zudem mit eigensinnigen Imagekampagnen und möchte lieber heute als morgen selbst König werden. Die Monarchie verliert an Rückhalt in der Öffentlichkeit und der ältlichen, zunehmend müde und entrückt wirkenden Queen entgleitet allmählich die Kontrolle über ihren Betrieb und ihre mediale Außendarstellung. Premierminister Major fasst die Situation entsprechend zusammen: „The House of Windsor should be binding the nation together. Setting an example of idealized family life. Instead, the senior royals seem dangerously deluded and out of touch. The junior royals, feckless, entitled, and lost.“

Inhaltlich begeben sich die The Crown-Macher mit der Fokussierung auf die 1990er Jahre auf dünnes Eis. Die Ereignisse um den schmutzigen, entwürdigenden und öffentlich ausgetragenen Scheidungskrieg zwischen Charles und Diana, mitsamt abgehörten Telefonaten, manipulativer Pressearbeit, medialer Verfolgung und Paranoia sind heikel – und die zeitliche Distanz kurz, so dass die Geschehnisse vielen Zuschauer.innen (noch) bestens bekannt sein dürften.

(c) Left Bank Pictures / Sony Pictures Television

Empörte Reaktionen, vor allem aus dem mehr oder weniger direkten Umfeld der königlichen Familie, ließen demnach nicht lange auf sich warten: Schauspielerin Judi Dench etwa warf der fünften Staffel „geschmacklose Sensationslust“ vor, Adelsexperten kritisierten die fiktionalisierte Rede, die Elizabeth in der Folge Annus Horribilis (E04) hält. Die Vorwürfe sind gewiss nicht neu – The Crown wandert seit jeher erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen offen zur Schau gestellten Authentizitätsbemühungen und spekulativen Fiktionalisierungen zugunsten einer spannungsfördernden Dramaturgie, und inszeniert sich, wie andere Historienfilme und -serien auch, gewissermaßen selbst als Quelle. Ob die Serie dadurch aktiv dazu beiträgt, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu verwischen, oder lediglich die Tatsache widerspiegelt, dass königliche Häuser und Regent.innen immer zugleich als öffentliche, quasi-fiktive Persona (mit allen möglichen erwünschten und erdachten Zuschreibungen) und als Privatpersonen koexistieren, ist Interpretationssache.

❝Tatsächlich kritisieren kann man die Entscheidung, sich in der fünften Staffel vor allem auf die privaten, mitunter seifenoperhaften Angelegenheiten der königlichen Familie zu fokussieren.❞

Ähnlich verhält es sich mit der Rekonstruktion des eskalierenden Scheidungskrieges zwischen Diana und Charles, vom zufällig abgefangenen intimen Telefonat zwischen Charles und seiner Dauergeliebten Camilla in The Way Ahead (E05) bis zum umstrittenen, deontologisch verwerflichen Skandalinterview zwischen Diana und dem BBC-Reporter Martin Bashir, das dieser mit gefälschten Kontoauszügen, die angebliche Indiskretionen aus Dianas direktem Umfeld belegen sollten, anleierte (No Woman’s Land, E07). Man mag diese filmischen Darstellungen unsensibel und sensationslüstern finden – die Ereignisse selbst waren dies in der Realität aber eben auch.

(c) Left Bank Pictures / Sony Pictures Television

Tatsächlich kritisieren kann man aber die Entscheidung der Verantwortlichen, sich in der fünften Staffel vor allem auf die privaten, mitunter seifenoperhaften Angelegenheiten der königlichen Familie zu fokussieren – und weniger auf die politischen Zustände Großbritanniens und des Commonwealth, die frühere Staffeln von The Crown noch ausmachten. Am Stärksten war die Serie immer dann, wenn sich die Last des Zeremoniellen und des (Welt-)Politischen auf die Beziehungen der monarchischen Familie untereinander niederschlug und ihren Tribut forderte, die Königin zu unliebsamen Entscheidungen zwang und zwischenmenschliche Beziehungen erodieren ließ. Obwohl The Crown weiterhin opulent ausgestattet, auf hohem Niveau geschrieben und gespielt ist (auch wenn sich über manche Rollenbesetzungen, wie die von Charles und Elizabeth selbst, streiten lässt) und einige durchaus überraschende historische Ausflüge bereithält, wie zB. in die Jugend der ägyptischstämmigen Unternehmer Mohammed und Dodi Al Fayed in Mou Mou (E03), oder in die Oktoberrevolution von 1917 einschließlich der (erstaunlich brutalen) Ermordung des russischen Zaren Nikolaus II. und seiner Familie in Ipatiev House (E06), nimmt die sehr publikumswirksame Fokussierung auf den Scheidungskrieg und die privaten Schlachtfelder der Königsfamilie der Serie aber auch die erzählerische Größe, die sie in den früheren Staffeln noch ausmachte. Die Royals wirken hier nicht mehr mondän, sondern klein und selbstgerecht, gewissermaßen wie ein überkommenes Beiwerk in den imposanten, sie förmlich erdrückenden Palastkulissen.

Letztlich mag aber auch diese Entscheidung der The Crown-Macher lediglich die Tatsache widerspiegeln, dass sich die britische Monarchie – auch aufgrund ihrer zahlreichen Skandale – in den letzten Dekaden in genau diese Richtung entwickelte: zu royaler Staffage.

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