- Kino
14. Luxembourg City Film Festival 4 – „Firebrand“ von Karim Aïnouz
Während das Leben und die Regentschaft von Henry VIII, König von England zwischen 1509 und 1547, bereits mehrfach Gegenstand von Film- und Fernsehproduktionen war (u.a. The Private Life of Henry VIII, 1933, Henry VIII, 2003 und The Tudors, 2007-10), und auch einige von Heinrichs – insgesamt sechs – Ehefrauen filmisch behandelt wurden, stand ausgerechnet seine letzte, ihn überlebende Gattin Catherine Parr (1512-1548) vergleichsweise selten im Mittelpunkt von Kinofilmen. Der brasilianisch-algerische Regisseur Karim Aïnouz schickt sich an, diesen Umstand in seinem Film Firebrand zu ändern.

Lose basierend auf dem 2013 erschienenen Roman Queen’s Gambit von Elizabeth Freemantle (der nichts mit der gleichnamigen Netflix-Serie zu tun hat), thematisiert Karim Aïnouz in seinem biografischen Historiendrama Firebrand die letzten gemeinsamen Jahre von Catherine Parr und Henry VIII; seine Premiere feierte der Film 2023 in Cannes, auf dem Luxembourg City Film Festival lief er am vergangenen Freitag in einer einmaligen Vorstellung.
Aïnouz rückt die „Brandstifterin“ Catherine Parr, die als moderate Vertreterin des Protestantismus am patriarchalisch ausgerichteten englischen Hof und als Verfasserin religiöser Schriften bereits zu Lebzeiten den Ruf einer progressiven, mit Bezug zum Volk ausgestatteten Herrscherin hatte, in den Mittelpunkt einer bewusst anachronistisch und kontrafaktisch angelegten Erzählung. Parr (gespielt von Alicia Vikander) tritt dabei auch als Kämpferin gegen die toxische Männlichkeit von Henry VIII (Jude Law) und seiner Entourage auf. Ähnlich wie in Corsage (Marie Kreutzer, 2022) stattet Regisseur Aïnouz (nach einem Drehbuch von Henrietta und Jessica Ashworth) eine Figur der Geschichte über ihren historischen Wirkungsgrad hinaus mit einer eher modernen, zeitgenössischen Botschaft aus, um sie als feministische Vorkämpferin zu reinterpretieren – das Resultat weiß hier aber weniger zu überzeugen, da sich das Vorhaben mit dem gleichzeitigen Anspruch beißt, das (Über-)Leben an Henrys muffigem Hof mit einem gewissen Maß an gritty realism und historisch verbürgter Akkuratesse zu erzählen.

Seine stärksten Momente hat Firebrand dann auch, wenn Aïnouz seine opulent kostümierten Charaktere dabei beobachtet, wie sie sich gegenseitig belauern und gegeneinander auszuspielen versuchen. Ein tieferes Verständnis für die strategischen Abwägungen der verschiedenen Parteien entwickelt der Film dabei zwar nicht, aber die hervorragende Ausstattung und die erdigen, an die Renaissance-Malerei angelehnten Farben, in die Kamerafrau Hélène Couvert die Szenerien taucht, lassen doch eine recht eigene, mitunter kontrastierende Atmosphäre entstehen. Maßgeblichen Anteil daran hat auch der kaum wiederzuerkennende Jude Law als irrlichternder und unberechenbarer, stark übergewichtiger und mit einer faulenden Beinwunde geplagten König, dessen von Paranoia und Geltungssucht geprägten Stimmungsschwankungen selbst bei Festlichkeiten eine allgegenwärtige Gefahr ausstrahlen.
Leider gelingt es Firebrand aber weder, seine Spannung über die Dauer von zwei Stunden aufrecht zu halten, noch ein erzählerisches Gleichgewicht zu finden zwischen dem Anspruch, eine historische Periode zu zeigen, als das, was sie war, und eine Hauptprotagonistin in den Fokus zu stellen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen ihren moralisch-religiösen Grundsätzen und ihrem nackten Überleben befindet – und deren Geisteshaltung im gleichen Atemzug aktuelle gesellschaftliche (Gender-)Diskurse reflektieren und kommentieren soll. Der kontrafaktische Schluss, bei dem Firebrand die Geschichte umschreibt, hätte so auch Tarantino einfallen können.
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