„Des Teufels Bad“ von Veronika Franz und Severin Fiala

Oberösterreich im Jahr 1750, auf dem Land: Eine Frau trägt ihr schreiendes Kleinkind durch den Wald, hinauf zu einem Wasserfall. Oben angekommen verharrt sie einen Moment regungslos, bevor sie ihr Kind schließlich in die felsigen Fluten fallen lässt. Ohne Umschweife stellt sie sich den kirchlichen Autoritäten, die ihr die Beichte für ihre Tat abnehmen, sie als Kindsmörderin verurteilen und hinrichten lassen, ihren toten Körper öffentlich zur Schau stellen und ihre Gliedmaßen als Reliquien abtrennen.

(c) Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

Religiosität und Spiritualität sind omnipräsent in Des Teufels Bad, Morbidität auch. Veronika Franz und Severin Fiala behandeln in ihrem düsteren Historiendrama, angereichert mit Motiven des (Folk-)Horrorfilms, ein filmisch bislang wenig beachtetes Phänomen der europäischen Kultur- und Alltagsgeschichte der Neuzeit: den sogenannten suicide by proxy (Suizid durch Stellvertreter) – ein Begriff, der auf die amerikanische Historikerin Kathy Stuart zurückgeht, deren Forschungen zur europäischen Mentalitätsgeschichte zwischen 1612 und 1839 die geschichtliche Grundlage für den Film bilden. Seine Premiere feierte Des Teufels Bad auf der letztjährigen Berlinale, wo der Film im Wettbewerb um den Goldenen Bären gezeigt wurde; prämiert wurde er schließlich in der Kategorie Herausragende künstlerische Leistung für die Kamera von Martin Gschlacht, der den Film auf 35mm und ohne zusätzliches Licht gedreht hat. Anlässlich des Österreichischen Filmpreises 2024 erhielt Des Teufels Bad ganze acht Auszeichnungen, für die diesjährige Oscar-Shortlist in der Kategorie International Feature Film konnte sich die österreichisch-deutsche Produktion jedoch nicht qualifizieren.

(c) Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

 Am Tag nach der Hinrichtung heiratet die sensible, tiefreligiöse Agnes (Anja Plaschg, die unter ihrem Künstlernamen Soap&Skin auch für die Musik verantwortlich zeichnet) den jungen Mann Wolf (David Scheid) aus einem fremden Dorf.  Nach einer ausschweifenden Hochzeitsfeier, während der sich der Film viel Zeit nimmt, um in die ländlichen Gebräuche und Traditionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts einzutauchen, versucht Agnes, die sich sehnlichst ein Kind wünscht, vergeblich, mit Wolf zu schlafen – daran ändert auch der abgeschnittene Finger nichts, den sie als Reliquie unter der Bettdecke versteckt hat. Als weitere Versuche, schwanger zu werden, an Wolfs Desinteresse scheitern (der Film deutet an, dass er homosexuell ist und sich vielmehr für den Dorfburschen Lenz interessiert), und sich die übergriffige Schwiegermutter Gänglin (Maria Hofstätter) zunehmend in das Eheleben einmischt, verfällt Agnes nach und nach in Depressionen – sie gerät „in Teufels Bad“. Sie isoliert sich zunehmend und nimmt weder am Fischfang noch am Gemeinschaftsleben teil – stattdessen taucht sie immer tiefer in ihre Religiosität ein und errichtet im Keller des Ehehauses einen Altar. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen fasst sie schließlich den Entschluss, ihrer ausweglosen Situation durch einen Akt der Gewalt zu entkommen, der ihr gleichzeitig Vergebung und Erlösung verspricht.

(c) Ulrich Seidl Filmproduktion / Heimatfilm

Recht wenige Filme haben bis dato den Versuch unternommen, in die Mentalitätsgeschichte der (Frühen) Neuzeit einzutauchen und das Brauchtum bzw. Mindset der Alltagsbevölkerung zu thematisieren – man denke etwa an Le Retour de Martin Guerre (1982, Regie: Daniel Vigne) und The VVitch (2015, Regie: Robert Eggers) oder, in abstrakterer Form, The Company of Wolves (1984, Regie: Neil Jordan). In dieser Hinsicht stellt Des Teufels Bad mit seinem vor allem religionshistorischen Schwerpunkt eine Bereicherung dar, auch wenn der Film sowohl inhaltlich als auch formal eine Herausforderung an die Sehgewohnheiten darstellt. Mit seinen Aufnahmen abgeschnittener Gliedmaßen, ausgetrockneter Insekten und verkohlter Fischköpfe findet der Film zwar verstörend eindrückliche Symbole für seine Kernthemen Fruchtbarkeit, Verwesung und Erlösung, doch das mitunter exploitativ zur Schau gestellte (wenn auch hervorragend von Hauptdarstellerin Anja Plaschg verkörperte) Abdriften von Agnes in die religiöse Verblendung, in die Verzweiflung und „Melancholie“ kann man aber auch kritisieren – wahrscheinlich kommt diese Darstellung der tatsächlichen Lebensrealität von Frauen in den kargen, bäuerlichen Gemeinden der Frühen Neuzeit jedoch recht nahe. Man kann über das Ergebnis diskutieren, doch der Film verleiht jenen Frauen, die sonst lediglich in gerichtlichen Verhörprotokollen auftauchen, immerhin ein Gesicht und eine Stimme.

Des Teufels Bad ist ein hervorragend fotografiertes (und zurecht prämiertes) Historiendrama, das durch einen ungewöhnlichen Soundtrack, der von folkloristischen bis maschinell-industriellen Klängen reicht, wirkungsvoll untermalt wird. Trotz einiger Längen richtet sich der Film damit vornehmlich an ein (Nischen-)Publikum, das Interesse an (mentalitäts-)geschichtlichen Themen hat und gleichzeitig keine Abneigung gegen gelegentliche Ausflüge ins Horrorgenre verspürt.

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