Seite 3 – Dez. 2015

Das Jahr hört so auf, wie es angefangen hat. Tote in Nigeria, im Jemen, in Syrien, im Irak, in Afghanistan, in Palästina und im Libanon. Alles wie gehabt. Ach ja, und Tote in Paris. Auf Letztere reagiert der französische Präsident mit einer Kriegserklärung und der Entsendung eines Flugzeugträgers vor die Küsten Syriens. Nicht weil das vernünftig ist, sondern weil es sich nach Vergeltung anfühlt und die Wahlchancen von Marine Le Pen bei den Regionalwahlen mindert. Unserem eigenen Premierminister verschlägt es die Sprache: Im Januar nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo „fehlten ihm die Worte“. Jetzt glaubt er, darauf hinweisen zu müssen, dass „nicht alle Flüchtlinge Terroristen sind“. Umgekehrt macht es vielleicht Sinn: Nicht alle Terroristen sind Flüchtlinge. Tatsächlich war keiner der Mörder von Paris ein Flüchtling. Es waren Franzosen. Europaweit werden die ohnehin bedeutungslos gewordenen Datenschutzgesetze und unsere eigenen Persönlichkeitsrechte weiter einschränkt. Wie im Reflex nutzen die Staatsapparate auch diese Gelegenheit, um den Perimeter ihres Einflusses, den sie im Wirtschaftsbereich längst verloren haben, bei der Überwachung ihrer Bevölkerungen auszuweiten. Auch unser Justizminister, der grüne Felix Braz, will mit dieser Politik in die Geschichtsbücher eingehen – wenn sich denn einer die Mühe machen sollte, es aufzuschreiben.

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A propos Geschichtsbücher. Die Redaktion des Luxemburger Wort hat einem ihrer vielversprechenden Journalisten den „Freiraum“ gegeben, die Geschichte des Regierungswechsels von 2013 noch einmal aufzuschreiben. Dabei ist in den Augen des Lëtzebuerger Land in erster Linie eine Abrechnung mit dem christlich-sozialen Übervater Jean-Claude Juncker herausgekommen. Als Quellen der anekdotenreichen Publikation werden vom Autor genannt: die eigene Zeitung und Gespräche mit einer Reihe exklusiv männlicher Zeitzeugen (wie Anina Valle Thiele in woxx treffend feststellt). Erwähnt wird nicht, dass forum in seiner März-Ausgabe von 2014 eine Vorlage geliefert hatte, an der sich das Buch heute messen muss. Und vergessen bleibt noch eine andere Quelle: Der heutige Chefredakteur des Luxemburger Wort hatte als politischer Berater des damaligen Premierministers bis wenige Monate vor den Oktoberwahlen von 2013 sein Büro unter dem Dach des Staatsministeriums und konnte während Jahren den politischen und menschlichen Niedergang seines Chefs aus nächster Nähe mitverfolgen. Selten hat man als Journalist das Glück, so nah dran zu sein.

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„Der Tod ist ein Problem der Lebenden“, – so brachte es 1982 der deutsche Philosoph Norbert Elias in einem kleinen Essay treffend auf den Punkt. Wir haben diesem schwierigen „Problem“ unser aktuelles Dossier gewidmet und werden am 18. Januar dazu noch ein public forum folgen lassen. Ankündigen möchten wir hier auch schon, dass die neue Internetseite von forum ab dem 16. Dezember versuchsweise auf dem Netz sein wird. Bitte schauen Sie doch einmal vorbei!

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