Pink tax?

Von preislichen Unterschieden und Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern

Selbst in modernen Gesellschaften bestehen noch viele Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Es ist von enormer Bedeutung, die dahinterliegenden Mechanismen zu beleuchten. Die sogenannte pink tax, taxe rose oder auch „Frauensteuer“ ist ein seit mehr als zwei Jahrzehnten wiederkehrendes und in einigen Ländern wie in Frankreich und den USA momentan breit diskutiertes Thema. Vor allem in Onlineforen und sozialen Medien hat sie in den vergangenen Monaten und Jahren vielerorts einen Sturm der Entrüstung, ein starkes Medienecho und sogar politische Reaktionen ausgelöst.

Worum handelt es sich dabei genau? pink tax bedeutet wörtlich übersetzt „rosa Steuer“ und bezeichnet einen Preiszuschlag auf Produkte oder Dienstleistungen, die auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet sind. VertreterInnen der pink-tax-These gehen davon aus, dass Frauen für scheinbar gleiche Produkte einen höheren Preis bezahlen als Männer. Sie möchten beweisen, dass es zum sogenannten gender pricing, d.h. ungerechtfertigten Preisdifferenzen zwischen „feminineren“1 Produktversionen und unisex- oder „maskulineren“ Varianten, kommt. Daher auch der plakative Begriff „Frauensteuer“. Zahlreiche Beispiele wie die Preise von Deodorants und Einweg-Nassrasierern, Schmerzmitteln, Kinderfahrrädern, aber auch von Dienstleistungen wie Haarschnitten oder chemischen Reinigungen sollen den Aufschlag einer pink tax belegen.

Woher kommt die pink tax und warum erregt sie soviel Aufmerksamkeit?

Die Idee einer pink tax reicht bis in die 1990er Jahre zurück und wurde erstmals als gender tax im Zusammenhang mit einer 1994 in Kalifornien vorgestellten Studie2 erwähnt. Diese Studie ergab, dass die pink tax Frauen in Kalifornien jährlich mehr als 1300 Dollar kostet.

Das New York City Department for Consumer Affairs verglich 2015 fast 800 Produkte für eine ähnliche Studie3, die zu dem Schluss kam, dass an ein weibliches Publikum gerichtete Produkte im Schnitt sieben Prozent mehr kosten als ähnliche Produkte, die auf Männer oder Jungen zugeschnitten sind. Diese Mehrkosten reichen von vier Prozent bei Kindersachen bis zu 13 Prozent bei Pflegeprodukten. Man befand, dass in 42 Prozent der Fälle die in der Studie als „weiblich“ definierten Produkte teurer waren als andere. In Deutschland hat die Verbraucherzentrale Hamburg seit 2015 mit zwei kleineren Erhebungen nachdrücklich und medienwirksam auf Preisaufschläge auf Produkte für Frauen aufmerksam gemacht.

Die Diskussion um die pink tax erlebte, wie auch andere kontroverse Themen, gerade dadurch einen Aufschwung, dass die Debatte beispielsweise von ideologisch motivierten Gruppierungen oder prominenten Multiplikatoren, wie der französischen Staatssekretärin für Frauenrechte Pascale Boistard, geführt wurde. Diese griff die Problematik unter anderem in den sozialen Medien auf und das Thema verbreitete sich sehr schnell. Politische Reaktionen folgten. In den USA, aber auch in einigen europäischen Staaten wie Dänemark, wurden Gesetze gegen gender pricing erlassen.

Die jüngste Aufmerksamkeitswelle in Europa ist wohl dem Engagement einer französischen, nach der gesellschaftskritischen und feministischen Schriftstellerin George Sand benannten Organisation zu verdanken, die mehr als 40000 Unterschriften gegen die pink tax sammelte und sich dadurch Gehör bei der französischen Regierung verschaffte. Auf ihren Druck hin initiierte das Finanzministerium eine Studie4 zu einer möglichen Preisdiskriminierung im französischen Einzelhandel. Diese kam allerdings zu einem unerwarteten Ergebnis: Eine generelle Benachteiligung von Frauen in Form einer pink tax gäbe es nicht – vielmehr könnten die Disparitäten zwischen den Geschlechtern je nach Produkt oder Dienstleistung sowohl für Frauen als auch für Männer nachteilig ausfallen. Der Studie zufolge entstammt die preisliche Ungleichheit den im gender marketing verbreiteten Geschlechterstereotypen.

Unter methodischen Gesichtspunkten sind manche „Feststellungen“ wenig überzeugend, da sich im Rahmen von bestimmten Erhebungen den Preisdifferenzen unsystematisch genähert wird und die darausfolgenden Ergebnisse auf anekdotischem Untersuchungsmaterial, d.h. einer kleinen Stichprobe einseitig selektierter Produkte basieren. Der Preisvergleich der Verbraucherzentrale Hamburg aus diesem Jahr vergleicht beispielsweise lediglich 17 Produkte miteinander, wobei unklar ist, nach welchen Kriterien die Selektion erfolgt ist. Die Repräsentativität der Stichprobe wird in benanntem Fall nicht ersichtlich.4 Unter anderem auf Basis dieser Stichproben werden dann Durchschnitte der sogenannten „Frauenaufschläge“ errechnet, die nur erheblich verzerrt sein können, wenn preisneutrale Produkte oder solche, bei denen Frauen bevorteilt sind, ausgeschlossen werden. Schlussfolgerungen wie „Frauen bezahlen mehr“ sind daher weit hergeholt und basieren zudem auf stereotypen Annahmen zum Kaufverhalten von Männern und Frauen. Überspitzt formuliert, machen also (sieb)zehn „rosa“ Produkte, die teurer sind als ihre „blaue“ Version, noch lange keine Frauensteuer. Daher stellt sich folgende Frage: Ist es überhaupt möglich, die pink tax zu beziffern?

Die pink tax ist weder rosa…

Werden im Rahmen der pink tax-These in der Tat Männer und Frauen miteinander verglichen, wie oftmals in den sozialen Medien angenommen? Die Antwort ist nein, da sich „maskulinere“ oder „femininere“ Produkte nicht mit männlichen oder weiblichen Konsumenten gleichsetzen lassen. Paradoxerweise versetzen jene Akteure, die für den Beweis einer Frauensteuer eintreten, die öffentliche Diskussion zurück in prä-emanzipatorische Epochen, da sie an dem Geschlechtervorurteil festhalten, dass Männer die „maskulineren“ Produktversionen und Frauen die „feminineren“ kaufen, was nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Die Realität ist komplexer.

Diese Grundannahme impliziert, dass die pink tax nicht umgekehrt werden kann und dass sie analoge Preisnachteile für Männer nicht reflektieren kann. Wenn „extrem feminine“ Produkte (z.B. rosafarbene, weichere Kugelschreiber, die [vermeintlich] an die weibliche Morphologie angepasst sind) selektiert und mit „maskulinen“ beziehungsweise „unisex“ Produkten verglichen werden, wird nicht automatisch die gesamte Produktpalette widergespiegelt, die Männer beziehungsweise Frauen konsumieren. Die Selektion ist gerade deswegen einseitig, da potenziell günstigere unisex oder andere Produkte aus der Rechnung auf Seiten der Frauen systematisch ausgeschlossen werden. Es gibt beispielsweise mehr Luxusgüter unter den Pflegeprodukten für Frauen, auf der anderen Seite aber auch mehr Auswahl am unteren Ende des Preisspektrums, wo Männer höhere Preise bezahlen.

Streng methodologisch gesehen reflektiert die pink tax zusammenfassend also nur einen punktuellen Unterschied zwischen zwei Produktversionen, nicht aber eine ungleiche Behandlung der Geschlechter. Oder anders ausgedrückt: Was diese Studien im strengen Sinne feststellen, ist, dass Frauen, die diese Produkte kaufen, mehr bezahlen als Männer und andere Frauen, die eine andere Produktversion kaufen.

… noch eine Steuer

Nicht jeder Preisunterschied spiegelt automatisch eine Ungleichheit oder Diskriminierung wider.5 Oft werden produktionstechnische Argumente angebracht, wenn es um die Vergleichbarkeit von Produkten oder um Preisunterschiede zwischen Produktvarianten geht. Anscheinend identische Produkte können aus Unternehmensperspektive aufgrund von unterschiedlichen Produktions- sowie Distributionsverfahren (zum Beispiel längere Lagerzeiten) und den damit verbundenen Kosten tatsächlich nur wenige Übereinstimmungen aufweisen. Wenn ein Produkt weniger gefragt ist, können Kosten durch kleinere Produktionsmengen steigen (geteilte fixe Kosten). Es ist teilweise allerdings schwierig nachzuvollziehen, ob die gesamten Preisunterschiede mit Kostenargumenten zu rechtfertigen sind.

Wie kommen die Preisunterschiede tatsächlich zustande? Aus ökonomischer Sicht pendelt sich der Preis abhängig von der Nachfrage auf einem Niveau ein, das KonsumentInnen für angemessen halten. Ein niedrigerer Preis führt zu einer stärkeren Nachfrage, ein höherer Preis zu weniger Nachfrage. Wenn ein Produkt zu teuer wird, werden KonsumentInnen auf ein Ersatzgut (ähnliches Produkt einer konkurrierenden Marke) ausweichen und das Produkt wird letztendlich vom Markt verschwinden, wenn es nicht günstiger angeboten wird. Dies geschieht unter der Annahme eines perfekten Wettbewerbs und vollständiger Information der KonsumentInnen. Eine intransparente Produkt-, Preis- oder Platzierungspolitik kann also auch Grund für persistente Preisdifferenzen sein. Dies trifft zu, wenn zum Beispiel Produkte in verschiedenen Regalen platziert werden und Preisvergleiche erschwert werden.

Weitaus wichtiger scheinen allerdings die Zahlungsbereitschaft spezieller Zielgruppen und die darauf ausgerichtete Marketingstrategie zu sein. Es gibt solvente VerbraucherInnen, die gewillt sind, für spezielle Produkte mehr zu bezahlen. Dieses Gewinnpotenzial versuchen Unternehmen durch Produktdifferenzierungen auszuschöpfen. Aus Verbrauchersicht sind Produkteigenschaften, die unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen und damit nutzenstiftend und kaufentscheidend sind: Kerneigenschaften wie die Funktionalität, aber auch Zusatzeigenschaften, wie beispielsweise die Verpackung, das Design oder Handhabbarkeit… Wenn der Mehrwert aus KonsumentInnensicht den Preis rechtfertigt, werden Menschen dieses Produkt kaufen.

Warum kauft jemand einen rosa Rasierer, wenn es auch einen blauen, billigeren gibt? Oder allgemeiner formuliert: Warum entscheiden sich KonsumentInnen nicht einfach für die günstigeren Produkte? Genderspezifisches Marketing suggeriert oft, dass die Produkte – ob nun wirklich zutreffend oder nicht – für Frauen oder Männer maßgeschneidert sind. Das können eine mehr oder weniger stereotyp als weiblich definierte Farbe oder Anpassungen an die weibliche Morphologie sein. Ein Teil der Konsumentinnen werden bereit sein, mehr für diese „weiblichen“ Produktvarianten zu bezahlen als andere Gruppen, weil sie einen höheren Wert oder eine bessere Qualität darin sehen6 – ganz nach dem Motto „Weil Sie es sich wert sind“.

Kurz, die angebrachten Preisunterschiede sind kein spezifisches Phänomen des Gender-Marketings. Die gleiche Frage stellt sich nicht nur bei Produkten für Frauen, sondern auch für Männer und andere Zielgruppen: Warum sind manche Reisende gewillt für ihren Platz im Flugzeug mehr als andere zu zahlen? Warum werden Markenprodukte generell zu vielfach höheren Preisen gekauft, obwohl sie sich nur marginal von anderen noname Produkten unterscheiden? Welcher Preis gerechtfertigt ist, kann objektiv nicht entschieden werden.

Eine Hypothese, die schwerlich überprüft werden kann

Zusammenfassend gibt es sicherlich oft schwer zu rechtfertigende Preisdifferentiale zwischen Produktvarianten. Wo Transparenz in der Preispolitik fehlt, kann die pink tax eine positive, verbraucherschützende Rolle spielen durch die Aufmerksamkeit, die sie erregt.

Eine pink tax, die impliziert, dass Frauen insgesamt mehr bezahlen als Männer, gibt es meiner Auffassung nach allerdings nicht. Möge die pink tax eine rosa Mogelpackung, eine Abzocke, Nepp oder dergleichen sein, genau genommen beschreibt sie jedoch lediglich das gendered marketing am luxuriösen Ende der Produktspanne. Bei Unterschieden in der Kaufbereitschaft verschiedener VerbraucherInnengruppen handelt es sich aber nicht um ein geschlechtsspezifisches Phänomen, sondern es entspricht dem generellen Marktmechanismus: Der Gleichgewichtspreis entsteht dort, wo KonsumentInnen einen bestimmten Preis für ein bestimmtes Produkt zu zahlen bereit sind.

Um die pink tax rationaler zu diskutieren, sollten zukünftige Studien folgende Gesichtspunkte klar darlegen: Was genau wurde getestet? Was wurde als vergleichbar angenommen? Wie wurde Repräsentativität gewährleistet? Preisdifferenzen zwischen zwei Produkten spiegeln keinen Nachteil des „Frauseins“ wider, solange man die Wahl innerhalb einer ganzen Produktpalette hat. Implizite Annahmen wie stereotypes Konsumverhalten stellen keinen Kaufzwang und keine Diskriminierung dar. Frau hat die Wahl. Und Frauen entscheiden sich (meistens) für das Produkt, das ihrer Meinung nach den größten Wert hat. Das kann das günstigere, „männlichere“ sein oder die teurere, „femininere“ Variante. Wenn letzteres der Fall ist, sind es für diese Frauen allerdings auch nicht die gleichen Produkte.

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