Alternative Medienrealitäten

Eine kritische Analyse alternativer Medien der Rechten in Luxemburg und deren Gefahren

Im Verlauf der letzten Jahre haben in Luxemburg, ähnlich wie in Deutschland, die selbsternannten „alternativen“ Medien am rechten Rand des politischen Spektrums sowohl hinsichtlich der Anzahl an Medien als auch deren Verbreitung einen enormen Zuwachs verzeichnen können. Eine der wichtigsten Triebfedern hinter dieser Entwicklung ist der Verlust der Deutungshoheit, den die etablierten Medien durch das Aufkommen sozialer Netzwerke und neuer Formen von digitalem Journalismus erleiden mussten. Diese an sich positive Entwicklung hat nämlich nicht nur die Ermächtigung der Leser durch deren aktive Beteiligung am Nachrichtenfluss mit sich gebracht, sondern leider auch dafür gesorgt, dass Verschwörungsideologie, verzerrte Nachrichten und unverhohlene Hetztiraden aus den rechtsgerichteten „alternativen“ Medien mittlerweile gleichermaßen das Wahrheitsparadigma für sich beanspruchen können wie Beiträge, die gewisse journalistische Qualitätsstandards erfüllen müssen.

Nicht nur im Angesicht wieder erstarkender rechtsextremer Tendenzen in Europa ist es dementsprechend wichtig, deren mediale Informations- und Verknüpfungsplattformen kritisch zu analysieren und auf weiteres Gefahrenpotenzial hin zu überprüfen.

„Alternative“ Medien der Rechten in Luxemburg

Nicht zuletzt aufgrund der nun erwähnten Gründe nehmen dann auch in Luxemburg vor allem soziale Netzwerke und Internetportale die wichtigste Rolle innerhalb der Medienkomplexe der Rechten ein. Über die größte Reichweite verfügen hierbei immer wieder auf Facebook auftauchende Profile, Seiten oder Gruppen, auf denen sich die rechte Szene und deren Mitläufer tummeln und ihren Ressentiments freien Lauf lassen. Beispiele hierfür sind Seiten wie (die mittlerweile inaktive) „I Love Mäin Lëtzebuerg“-Page oder auch das Facebookprofil von Nico Castiglia, Parteipräsident der Sozial-Demokratesch Vollëkspartei, kurz SDV, welche sich am rechtsextremen Front National orientiert. Dort werden zumeist zwischen vermeintlich harmlosen patriotischen Bekundungen an das Großherzogtum immer wieder Hetzartikel und Verschwörungsideologien eingestreut. Auch wenn drüber diskutiert werden kann, ob es sich dabei wirklich um „alternative“ Medien im strengen Sinne handelt, so stellen sie definitiv wichtige Informations- und Kommunikationskanäle der rechten Szene dar. Besagte Beiträge entstammen hierbei vor allem „alternativen“ Medien des rechten Rands in Deutschland. Beispielsweise teilte Nico Castiglia Anfang Mai einen Post der Anonymous.Kollektiv-Seite, welche wiederum einen Artikel der Onlineausgabe des Kopp-Verlages weiter verlinkt hatte. In Letzterem wird mittels martialischer Rhetorik und einer aus dem Kontext gerissenen Nachricht gezielt Angst vor einem Bürgerkrieg geschürt, der Europa angeblich aufgrund der hohen Anzahl der Geflüchteten bevorsteht – selbstverständlich ohne irgendwelche Belege dafür zu liefern.

Die (mittlerweile von Facebook verschwundene) Anonymous.Kollektiv-Seite fiel zuvor häufig durch das Teilen solcher Artikel auf und war mit über zwei Millionen Likes zeitweilig eine der bedeutendsten Online-Anlaufstellen der rechten Szene in Deutschland; der Kopp-Verlag wiederum publiziert neben Büchern zum Thema Esoterik und Ufologie auch welche mit bezeichnenden Titeln wie „Mekka Deutschland“ oder „So lügen Journalisten“, und bereitet deren Inhalte als Artikel für seine Onlinepräsenz auf.

Auch Mitglieder des rechtskonservativen ADR greifen auf ihren Facebookprofilen – selbst wenn sich dort nicht notwendigerweise die rechte Szene tummelt – immer wieder Artikel deutschsprachiger Medien des rechten Rands auf oder zitieren sie in ihren Blogs. So postet beispielsweise der Petinger Gemeinderat Joe Thein immer wieder Beiträge der Jungen Freiheit, welche sich als rechtsintellektuelles Magazin versteht und von der politischen Ideologie her dem protofaschistischen Philosophen Carl Schmitt nahesteht. Ex-Parteipräsident und Parlamentsmitglied Fernand Kartheiser wiederum teilt gerne mal Beiträge von Russia Today (RT), einem der russischen Regierung nahestehenden Propagandamagazin, dessen deutsche Ausgabe große Beliebtheit unter Verschwörungstheoretikern am rechten Rand genießt.

Auffällig ist auch, dass bis auf einige kurzlebige Ausflüge in Vlogging-Gefilde – beispielsweise etwa durch den soeben erwähnten Kartheiser oder auch Pierre Peters, Gründer der in den 1990ern aktiven, rechtsextremen „National-Bewegong“ –bislang keine einschlägigen YouTube-Kanäle mit politisch rechter Schlagseite und Selbstverständnis als „alternative“ Medien, wie etwa im Stile von „The Alex Jones’ Channel“, aus Luxemburg kommen.

Außerdem tummeln sich unter den geteilten Beiträgen der rechten „alternativen“ Medien in Luxemburg immer wieder Artikel der Onlinepräsenz der Boulevardzeitung Lëtzebuerg Privat. Diese stellt eigentlich das einzige luxemburgische „alternative“ Medium mit einer politisch deutlich nach rechts lehnenden Einstellung im klassischen Sinne dar, da es nicht nur Nachrichten von anderer Stelle weiterverbreitet, sondern auch selbst Beiträge produziert. Mit reißerischen Schlagzeilen und an diffuse Ängste appellierenden Inhalten wird hierbei eine ähnlich paranoide, alternative Medienrealität erschaffen wie durch die „alternativen“ Medien der rechten Szene in Deutschland.

Das zweifelhafte Verhältnis „alternativer“ Medien zur Wahrheit

All diese vom rechten Rand genutzten und etablierten oder zumindest an dessen politische Einstellungen appellierenden „alternativen“ Medien beanspruchen nun trotz etwaiger inhaltlicher und ideologischer Differenzen noch immer als kleinten gemeinsamen Nenner das Wahrheitsmonopol für sich. Damit grenzen sie sich in ihren Augen von der sogenannten „Lügenpresse“ ab, welcher sie vorwerfen, angeblich von einer politischen (meist als „rotgrünversifften“ bezeichneten) Agenda geleitet zu werden und den Menschen daher gewisse Nachrichten – zum Beispiel über gewalttätige Geflüchtete – vorzuenthalten oder zu verfremden. Ganz davon abgesehen, dass solch eine pauschalisierende und unreflektierte Verurteilung von gelegentlich durchaus notwendiger, berechtigter Kritik an bestimmten Berichterstattungen ablenkt: Ihr sowieso schon vermessener, absoluter Wahrheitsanspruch, den sie an die etablierten Medien stellen, wird von ihnen selbst offenbar auch nicht eingehalten. So werden Nachrichten immer wieder bewusst durch irreführende Schlagzeilen verfremdet, Aussagen ohne Kontext übernommen und Daten verzerrt. Ein exemplarisches Beispiel hierfür ist etwa der am 28. April 2016 auf LuxPrivat.lu veröffentlichte Artikel „Alarmierende Aussage vom belgischen Justizminister: Bald mehr Moslems als Christen in Europa“. Lëtzebuerg Privat verweist in diesem Artikel zwar auf irgendwelche ominösen „Statistiker“, welche die Prognose des Justizministers für das Jahr 2050 stützen sollen, nennt aber keine Quellen. Nimmt man sich nun kurz Zeit, um tatsächlich existierende Statistiken zum Thema nachzusuchen, stellt man schnell fest, dass es sich bei den angeblichen Statistikern, auf die Lëtzebuerg Privat sich bezieht, wohl eher um das subjektive Bauchgefühl der beteiligten Redakteure handelt. Dem Pew Research Center zufolge wird der muslimische Bevölkerungsanteil in Europa nämlich im Jahre 2050 nicht mehr als 10% betragen – und damit nicht einmal im Entferntesten an die 65% Christen in Europa heranreichen. Der Artikel kann also letztlich eher als ein Vorwand, um Ressentiments gegen Muslime zu schüren, verstanden werden. Auch die deutschen selbsternannten „alternativen“ Medien aus diesem Bereich gehen nach dem gleichen Muster vor: In manchen Fällen haben sie dafür schon mal gerne einzelne Informationen bis hin zu ganzen Artikel aus der ach-so-verhassten Lügenpresse übernommen und sie dann für ähnlich perfide Zwecke umgedichtet.  Oft verbreiten sie auch Nachrichten, die schlichtweg erfunden sind; beispielsweise hat die sehr empfehlenswerte Internetseite „HOAXmap“ mittlerweile schon über dreihundert Falschmeldungen, die spezifisch gegen Geflüchtete gerichtet sind, zusammengetragen und mittels Quellen widerlegt.

Nostalgie de l’unité: Die Entstehung alternativer Medienrealitäten

Aus welchem Grund entstehen aber nun solche alternativen Medienrealitäten? Wie Albert Camus in seinem philosophischen Essay Le mythe de Sisyphe besonders treffend beschreibt, kollidiert die menschliche „nostalgie de l’unité“ und die damit verbundene Sehnsucht nach Klarheit immer wieder mit einer komplexen, harschen und unverständlichen Realität. Daraus resultiert wiederum ein Gefühl der Absurdität, welches man auch als eine existenzielle Form von kognitiver Dissonanz bezeichnen könnte. Einer der möglichen Auswege ist nun, diese Absurdität und die damit verbundenen widersprüchlichen Eindrücke zu akzeptieren. Gleichermaßen die „alternativen“ Medien am rechten Rand und die in ihnen verbreiteten Verschwörungsideologien und auch die selektive Wahrnehmung von Artikeln der etablierten Informationskanäle errichten nun aber als weitere Option eine alternative Scheinrealität, die ihre enttäuschte Sehnsucht nach Klarheit vermeintlich erfüllt.

Alternative Medienrealitäten bieten all jenen, die sich nicht dem Gefühl des Absurden stellen wollen, Zuflucht in Form eines einheitlichen Weltbildes. Insbesondere den Anhängern „alternativer“ Medien am rechten Rand (aber auch beispielsweise jenen aus dem Umfeld der Montagsdemos in Deutschland, die das übliche Rechts/Links-Schema transzendieren) geht es also gar nicht so sehr um die „Wahrheit“, sondern vielmehr darum, welches Medium am Ehesten ihr subjektives Weltbild vertritt oder eines anbietet, das ohne Widersprüche auskommt.

Gefahren alternativer Medienrealitäten und deren Prävention

Der in den letzten Jahren aufgrund weltweiter politischer Krisen und zusammengestürzter alter Weltbilder noch einmal deutlich angewachsene Erfolg „alternativer“ rechter Medien birgt nun, wie bereits angedeutet wurde, so einige Gefahren.Zunächst einmal sorgen sie, je nach Verschwörungsideologie, für die Bekräftigung von bereits existierenden Ressentiments gegenüber Geflüchteten, Muslimen, Juden, Homosexuellen oder jedweder anderen Minderheit, indem sie diese als die für die simplifizierte Narrative von verschwörerischem Denken notwendigen „Bösen“ porträtieren. Durch letzteres suggerieren sie auch eine unmittelbare Gefahr, wodurch wiederum menschenfeindlicher Diskurs oder gar Gewalttaten gegenüber diesen Gruppen als „Notwehr“ legitimiert werden können. Insofern sind „alternative“ Medien der rechten Szene zwar beispielsweise nicht monokausal dafür verantwortlich, dass in Deutschland mittlerweile täglich Flüchtlingsheime in Brand gesteckt werden, aber sie tragen durch ihr permanentes Heraufbeschwören eines angeblich bevorstehenden Bürgerkrieges und ihre enthumanisierende Sprache einen entscheidenden Beitrag zu jener hasserfüllten Stimmung bei, in der die Hemmschwelle für das Ausführen solcher Taten drastisch sinkt.

Eng damit verbunden ist auch die Herausbildung von politischen Bewegungen aus der Sphäre „alternativer“ Medien des rechten Rands heraus und deren Transponierung von Verschwörungstheorien in die Realität. So sind beispielsweise die fremdenfeindliche PEGIDA und ihre lokalen Ableger aus Facebookgruppen hervorgegangen und haben plötzlich Themenfelder, die bislang nur in kleinen verschwörungsideologischen Kreisen verbreitet gewesen waren, in Gegenstände öffentlicher Debatten verwandelt. Auf parteipolitischer Ebene hat unter anderem die AfD, bei welcher sich die für Verschwörungsdenken typische kollektive Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe – in diesem Falle der muslimischen – es gar bis ins Parteiprogramm geschafft hat, von diesem veränderten Diskurs profitiert. Und auch die zuvor erwähnte SDV hat nicht nur den Großteil ihrer Anhängerschaft, sondern auch ihr Zustandekommen als Partei überhaupt vor allem der Tatsache zu verdanken, dass das Facebookprofil ihres Präsidenten Nico Castiglia zeitweilig ein Sammelbecken für die rechte Szene darstellte und er dort mittels gezielter Instrumentalisierung von Hetznachrichten Mitglieder rekrutierte. Allerdings hat die Partei bislang noch nicht die gleichen Dynamiken und gesellschaftlich-politischen Auswirkungen wie beispielsweise die AfD für sich verbuchen können.

Letztendlich konditionieren diese „alternativen“ Medien der rechten Szene auch ihre Leser darauf, keine dem eigenen Weltbild widersprechenden Aussagen mehr zuzulassen, da diese das zuvor erläuterte Streben nach Einheit gefährden. Somit tragen sie maßgeblich zum Aufgeben des  Glaubens an basisdemokratische Prozesse, die hinsichtlich differenzierender Meinungen auf Konsens abzielen,bei, und ebnen den Weg hin zu faschistischen und autoritären Gesellschaftsentwürfen.

Wie kann man diesen Gefahren nun möglichst effizient entgegentreten? Eine mögliche Strategie wäre es, journalistische Arbeit und Prozesse transparenter darzustellen, um sie so den Lesern zu vermitteln und den Vorwurf der Lügenpresse zu entkräften; dazu lohnt es sich, mittels sorgfältiger Recherche Verschwörungsideologien in den „alternativen“ Medien des rechten politischen Spektrums zu „debunken“ (also das Widerlegen mittels sorgfältig recherchierter Fakten) und an ihrer Stelle sogenannte Counternarratives zu liefern, welche den leeren Raum, den zu Fall gebrachte Verschwörungsideologien zurücklassen, füllen sollen.

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