„Die Minister sind ihre eigenen Spindoktoren.“

Ein Gespräch mit dem Kabinettschefs des Staats-und Medienministers und ehemaligen Journalisten Paul Konsbruck über alternative Medien, die luxemburgische Pressehilfe und die Ausrichtung der Medienpolitik

Was sind Ihrer Auffassung nach die Hauptcharakteristika von alternativen Medien?

Paul Konsbruck: Ich tue mich schwer damit, den Begriff in diesem Fall rein politisch zu analysieren, so dass man beispielsweise sagen würde, alles sei alternativ, was grün und links ist. „Alternativ“ bedeutet für mich, dass man losgelöst vom reinen Informationszwang, Zeit für mehr Interpretation und Analyse hat.

Welche Medien zählen Ihrer Meinung nach in Luxemburg zur Kategorie der alternativen Medien?

P.K.: Umgekehrt betrachtet, also in Bezug auf Mainstream-Medien – wobei dieser Begriff auch mit Vorsicht zu genießen ist –  diskutieren wir über Medien, die von der Pressehilfe profitieren. Solche, die nicht von dieser Unterstützung profitieren, haben einen anderen Ansatz und sind vielleicht freier, ohne dass dies sofort bedeuten sollte, dass die anderen nicht frei sind. Sie unterliegen beispielsweise nicht den Regeln wie der Mindestzahl an Journalisten, die man haben muss. Dann kommen wir beispielsweise bei Publikationen wie forum an, aber auch bei Online-Medien, die nicht im Print existieren, wie zum Beispiel Paperjam.

Und wo ist Radio Ara zu verorten?

P.K.: Ich finde, dass man unterscheiden muss zwischen Radio Ara sowie auch lokalen Sendern, die durchaus ein gewisses „Reaching“ haben können und beispielsweise Printmedien, welche die Pressehilfe erhalten. Diese Akteure haben verschiedene Aufgaben: Letztere konzentrieren sich auf Information und Aktualität auf nationaler und internationaler Ebene während Radio Ara kein Radio ist, das da ist, um Menschen über Aktualitätsthemen zu informieren, wohl aber für Hintergrundberichte. Es handelt sich nicht um einen Sender, der z.B. Unfälle meldet.

Brauchen wir Gemeinschaftsmedien (community media) in Luxemburg?

P.K.: Das ist eine sensible Frage, denn in einem Land mit 500 000 Einwohnern ist im Grunde genommen jedes Medium eine Art community media. Auf medialer Ebene kann Luxemburg im Vergleich zum Ausland nicht mit anderen nationalen, sondern eher mit regionalen Medien gleichgesetzt werden.

Wie fällt die Bewertung aus, wenn Sie neben dem inhaltlichen auch den sozialen oder pädagogischen Aspekt betrachten?

P.K.: Luxemburgische Gemeinschaftsmedien, sei es mywort, Uelzechtkanal oder auch Nordliicht TV, sind sicherlich Medien, bei denen das Zusammenspiel zwischen jenen, die produzieren und denen, die konsumieren noch enger ist. Aber das gibt es in Luxemburg auch auf nationaler Ebene. Wenn ein Student beispielsweise beim Tageblatt arbeitet, kann es sein, dass, wenn er oder sie die nötigen Kompetenzen besitzt, es schon nach drei Tagen zur Veröffentlichung des ersten Artikel in dieser nationalen Zeitung kommt. Es kann somit nicht von einer großen Diskrepanz die Rede sein: Kurze Wege reichen, um sich in den national repräsentativen Medien wiederzufinden. Dementsprechend ist der Bedarf an community media hierzulande nicht der gleiche, wie dies vielleicht in anderen Ländern der Fall ist.

Manche Publikationen bezeichnen sich als alternativ, schaffen aber keine alternative Berichterstattung, sondern eher alternative Realitäten.

Mitglieder des Presserats berichten von häufigen Beschwerden bezüglich Artikeln der Lëtzebuerg Privat. Ihnen sind aber die Hände gebunden, da die Publikation gar nicht als anerkanntes Medium gilt. Handelt es sich hierbei um eine Gesetzeslücke? Wo liegt hier die politische Verantwortung?

P.K.: Wir leben in einem Land, in dem es nicht verboten ist, etwas auf Papier zu schreiben und es irgendwo hinzulegen. Wir leben aber auch in einem Land, in dem es verboten ist, etwas zu schreiben, das nicht der Wahrheit entspricht. Dagegen vorzugehen impliziert, dass Anzeige erstattet wird. Ich persönlich finde, dass es den Medien und vor allem den Zeitungen, nicht schlecht zu Gesicht stünde, wenn sie sich mit dem Phänomen Lëtzebuerg Privat auseinander setzen würden, statt es zu ignorieren. Medienschaffende oder Menschen, die sich stärker damit auseinandersetzen, nehmen dieses Produkt nämlich anders wahr, als dies der Durchschnittsbürger tut.

Wenn der Staat hier eingreifen würde, wäre es in der allgemeinen Wahrnehmung so, dass der Staat gegen ein Medium vorgehen würde, denn als solches wird es nun mal wahrgenommen. Wir befinden uns somit sehr schnell in einer Situation, in der wir Meinungsfreiheit bekämpfen. Ich würde in dieser sehr politischen Frage stark davon abraten, anzufangen, Regulierungen auszuarbeiten über das, was Menschen sagen und publizieren dürfen. Im Grunde ist Lëtzebuerg Privat ja auch eine Art Facebook in gedruckter Form.

Der Konzessionsvertrag zwischen RTL Lëtzebuerg und dem luxemburgischen Staat verlangt, dass das „Journal“ und andere informative Sendungen in luxemburgischer Sprache ausgestrahlt werden. Wird dies der sprachlichen Vielfalt in der Luxemburger Gesellschaft gerecht und reicht dies aus für eine sogenannte „mission de service public“?

P.K.: Bevor man bei RTL vom Konzessionsvertrag spricht, muss man erst von einem kommerziellen Sender sprechen, der nach kommerziellen Gesetzen funktioniert. Spricht man dann von RTL Telé Lëtzebuerg, dann muss man beachten, dass dieses sich nur zu einem kleinen Teil durch eben dieses Geld finanziert und sich für den Rest selbst finanzieren muss. Das heißt, dass sie das Publikum ansprechen müssen, damit sie ihre Werbung verkaufen können. In dem Moment, wo dies ein Business Case ist, also mehr als die 50% Luxemburger angesprochen werden sollen, dann ist der Sender selbst im Zugzwang dies zu tun. Dies wurde beispielsweise durch die französischen Inhalte gemacht. Man hat es dann zum Teil mit einer Art Selbstregulation durch den Markt zu tun. Es ist durchaus so, dass die Regierung sich derzeit für anderssprachige Gemeinschaften öffnet und der Konzessionsvertrag läuft ja auch 2020 aus. Bei den neuen Verträgen muss man dann sehen, ob sich dieser Aspekt darin wiederfinden soll. Der Medien- und Kommunikationsminister hat sich bezüglich der Notwendigkeit eines französischsprachigen Radios vor einigen Wochen ganz klar positiv in diese Richtung ausgesprochen. In Zukunft wird es aber wahrscheinlich ebenso den Bedarf geben, über ein englischsprachiges Radio zu sprechen.

Bezüglich der Pressehilfe: Was braucht ihrer Meinung nach mehr Unterstützung: Online oder Print? Online und Print?

P.K.: Mittelfristig gesehen, bin ich der Meinung, dass es keinen Unterschied gibt. Es ist der Inhalt und nicht der „Support“, der zählt. Vor allem im Zeitungswesen gibt es ja schon Entwicklungen in die Richtung ,beides anzubieten. Die Bemühungen werden in den nächsten Jahren auch weiter in diese Richtung gehen. Der Staat hat hierbei die Aufgabe, das Ganze zu begleiten und nicht eine totale Ungleichheit zwischen den diversen Formen zu schaffen. Es sollte auch nicht zu einem Ausbremsen eines Mediums dadurch kommen, dass ein „Support“ zu viel unterstützt wird. Dies würde irgendwann keinen Sinn mehr machen.

Es wird jetzt eine Anpassung der Pressehilfe geben, also relativ kurzfristig. In den nächsten Wochen wird diese präsentiert werden. Die Regierung sieht eine weitreichendere Reform vor, in der neue Kriterien festgelegt werden, auch mit dem Bewusstsein dafür, dass manche bestehenden Kriterien schon in die Kritik der europäischen Kommission geraten sind und andere einfach systematisch in Frage gestellt werden müssen. Ist es beispielsweise nachhaltig, die „Avis officiels“, die einen großen Teil der Einnahmen der großen Zeitungen darstellen? Soll dies so beibehalten werden oder sind vielleicht doch andere Formen zum Erhalt des Medienpluralismus notwendig?

Wird die aktuelle direkte Pressehilfe einer europäischen juristischen Kontrolle standhalten können?

P.K.: Das ist jetzt meine subjektive Meinung, aber meiner Auffassung nach stellt die direkte Pressehilfe nicht einmal den sensibelsten Teil der Debatte dar. Die indirekte Hilfe, die beim Austragen der Zeitungen ausgeschüttet wird, könnte beispielsweise ein sensiblerer Aspekt sein. Es ist ja so, dass die Post einen vorteilhafteren Preis für die Verteilung der Zeitungen macht und der Staat der Post diesen Ausfall anschließend begleicht. Da bewegen wir uns jedoch im Bereich der „concurrence déloyale“. Das sind denke ich Probleme, die sich im Laufe der Zeit selbst lösen, weil beispielsweise klar ist, dass wir in 50 Jahren nicht im gleichen Maße Zeitungen in Papierform haben werden.

Vor zwei Jahren stand das Einrichten einer Art „Online-Kiosk“ im Raum. Gibt es hierzu Neuigkeiten?

P.K.: Das ist momentan nicht im Gespräch. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ich mich nach diesem Interview mit dem Thema beschäftigen werde.
Kann von einer Art RTL-isierung der Politik in Luxemburg (Zitat Mario Hirsch, public forum), die Rede sein?

P.K.: Für mich gibt es objektive Erklärungen, warum es so ist, dass sich viele Journalisten in der politischen Welt wiederfinden. Dies sind nun mal häufig Menschen, die sich für Politik interessieren.  Bei mir hat es ja auch anders angefangen, ich habe mich zuerst in einer politischen Jugendpartei engagiert und habe danach den Weg in den Journalismus gefunden, obwohl ich auf Lehramt studiert habe. Außerdem muss man auch berücksichtigen, dass RTL ein großer Arbeitgeber im Bereich der Medien in Luxemburg ist. Dass sich dementsprechend proportional mehr Mitarbeiter von RTL in der Politik wiederfinden, als dies jetzt für das Journal, forum oder das Land der Fall ist, ist leicht dadurch erklärbar. Was ich jedoch aus Herrn Hirschs Aussagen herausgehört habe, ist, dass dies so eine Gemeinschaft oder eine Lobby des Senders intramuros sei. Das kann ich wirklich nicht bestätigen. Es ist ja nicht so, dass, wenn man einige Jahre für einen Arbeitgeber gearbeitet hat, dass man dann bis ans Lebensende für ihn Lobbyismus betreibt.

An der sogenannten „Circulaire Bettel“ sowie auch am „accès à l’information“ wurde in der letzten Zeit harsche Kritik laut. Wie erklären Sie sich dies?

P.K.: Es scheint ein fundamentales Missverständnis vorzuherrschen: Es gibt einen großen Unterschied zwischen einem Kommunikationsbeauftragten, man könnte schon fast sagen Spindoktor, und einem „Attaché de presse“. Bei Letzterem handelt es sich um eine Art „guichet unique“, um die Anfragen der Presse zu kanalisieren, sie weiter zu geben und dann wieder zurück zu schicken. Es ist also ein Mechanismus, der eingesetzt wird, um zu garantieren, dass dieser Fluss funktioniert und zwar so unkompliziert und so schnell wie möglich. Der Attaché und das zuständige Ministerium können sofort den richtigen Ansprechpartner finden, damit der Journalist sich nicht durchwühlen muss, um die richtige Information zu finden. 90% dieser Informationen sind ohnehin nicht sensibel. Ein Beispiel aus dem letzten Winter: Wie viele Schlaglöcher sind auf luxemburgischen Straßen vorzufinden? Wir haben aber auch festgestellt – und das kann man eventuell als eine Kritik an der Presse bezeichnen – dass die Attachés häufig einen Teil der Arbeit der Journalisten machen, nämlich die Recherche.

Die „Circulaire Bettel“ hat präzisiert, was vorher schon der Fall war, nämlich, dass es diesen Attaché gibt und alle Informationen hat, die der Journalist haben möchte. Auf der anderen Seite – und das ist eher eine Minorität – gibt es die Hintergrundinformationen über die Journalisten sofort mit einem Beamten, der gerade an dem Dossier arbeitet, sprechen möchten. Das wird von staatlicher Seite überhaupt nicht ausgeschlossen, das einzige was betont wird, ist, dass für diesen speziellen Fall der zuständige Minister, respektive der Verantwortliche der betroffenen Abteilung, informiert werden muss. Das ist nicht wirklich ungewöhnlich und vor allem ist es so, dass der Attaché keine politische Kommunikation beim Staat macht.

Sie haben gerade die Spindoktoren erwähnt, gibt es solche im luxemburgischen politischen Apparat?

P.K.: Nein, wenn es Menschen gibt, die sich mit strategischer Kommunikation auf politischer Ebene beschäftigen, dann sind diese innerhalb der Parteien zu finden, aber nicht beim Staat. Die Minister sind ihre eigenen Spindoktoren.

Was sind die Standbeine der aktuellen politischen Kommunikation?

P.K.: Die aktuelle Regierung ist mit dem Ziel angetreten, so viel wie möglich über die aktuellen Abläufe zu kommunizieren.

Steht dies nicht im Gegenspruch zur Informationsfrist von einem Monat?

P.K.:  Nein, aber  bei dem Punkt hat der Minister in der letzten Kommissionssitzung vorgeschlagen, den Zusatz „so schnell wie möglich“ und spätestens nach einem Monat hinzuzufügen. Das ist sehr nah am Begriff „unverzüglich“, der aber auch sehr arbiträr ist.

Danke für das Gespräch!

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