Das Innenleben eines Projekts

Ein Rückblick und Ausblick

40 Jahre ist’s her, dass die Jugendpor Lëtzebuerg ihr erstes Informationsblatt herausgebracht hat. Viele haben sich seither für das Projekt engagiert – durch Artikel, Cover, hauptamtliche Koordinationsarbeit, eine Spende oder interessante Denkanstöße. Aus dem Informationsblatt ist eine Autorenzeitschrift geworden. Jedoch haben sich nicht nur die Form, das Coverdesign und die Gesichter verändert, sondern auch die Inhalte. Nicht alle, die noch vor 40 Jahren intensiv bei forum mitgewirkt haben, mögen sich daher noch mit der heutigen Publikation identifizieren können. Im folgenden Dossier werden verschiedene Beobachter sowohl aus einer Innen- wie Außenperspektive schildern, wie sie die Entwicklung von forum erlebt haben.

Drei Etappen im Leben von forum

Das Heft evolviert mit den Menschen, die sich, sei es ehrenamtlich oder hauptamtlich, bei der Zeitschrift engagieren. So prägten die Interessen und die Anliegen der Mitglieder der Jugendpor Lëtzebuerg die Anfangsjahre. In einem historischen Rückblick beschreibt Michel Pauly, Gründungsmitglied, forum als „Kind des Kalten Krieges“ und schildert die geistige Atmosphäre in der forum gegründet wurde. Auch Léon Zeches, ehemaliger Chefredakteur beim Luxemburger Wort, verweist auf die politischen und gesellschaftlichen Umstände sowie die mediale Landschaft dieser Jahre. Diese Gegenüberstellung ist insofern interessant, als dass die damalige Situation und verfeindete Beziehung sowohl aus der Sicht eines forum-Mitglieds als auch eines Vertreters vom Wort beschrieben wird. Vor allem Themen, die mit dem christlichen Glauben verbunden waren sowie Fragen in Bezug auf internationale Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Kohäsion haben damals die Hefte dominiert. Serge Kollwelter hat z.B. schon 1979 in seinem Artikel „Oublier un quart de la population?“ das Wahlrecht für ausländische Mitbürger gefordert, gleichzeitig wurden regelmäßig Gebete in der Rubrik „Prier, c’est espérer“ veröffentlicht.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjet-union verschwammen auch in Luxemburg nach und nach die Grenzen zwischen den politischen und gesellschaftlichen Blöcken, einem Relikt des Kalten Krieges. Bis zu diesem Zeitpunkt versuchte forum jenen Gedankenströmen eine Stimme zu geben, die in der schwarz-weißen Welt der 1970er und 1980er kaum Platz fanden. Ende der neunziger Jahre war das Weltbild jedoch ein anderes und auch forum musste sich den veränderten Gegebenheiten anpassen und suchte eine neue Raison d’être.  Die Redaktion fing an, sich zunehmend mit den politischen Strukturen und Fragen der Macht in Luxemburg auseinanderzusetzen. Somit gab es Dossiers über partizipative Demokratie, Monarchie, politische Parteien, politische Kultur, Oppositionspolitik, Eliten und schließlich auch den Regierungswechsel. Außerdem setzte sich die Redaktion auch weiterhin mit dem Finanzplatz sowie nachhaltigem Wachstum auseinander. Natürlich gab es weiterhin „traditionelle“ forum-Themen, wie soziale Ungleichheiten, Glauben, Bildung, Umwelt und trotzdem wird einem beim Durchstöbern (oder eher Durchklicken) des Archivs klar, dass erst genannte Themen eine zunehmend wichtige Rolle einnahmen.

Mit dem Regierungswechsel von 2013 und der Ausgabe „Chronik eines politischen Wechsels“ hat – im Rückblick – vielleicht wieder eine neue Ära begonnen, was bedeutet, dass forum sich abermals neu orientieren muss. Viele Fragen stehen offen, manche mögen sogar wagemutig anzweifeln, ob es forum überhaupt noch braucht. Ein Jubiläum regt hierbei besonders dazu an, sich Gedanken darüber zu machen, wo man steht und wo man hin will. Das Anliegen der Zeitschrift war es bisher, gesellschaftliche, politische, kulturelle, manchmal auch wirtschaftliche Entwicklungen zu begleiten. Insbesondere in Zeiten der schnellen Klicks können Überlieferungen einzelner Bruchstücke dazu führen, dass der Leser, Zuhörer oder Zuschauer die Übersicht verliert und sein Kontextualisierungsvermögen abnimmt. In dieser Hinsicht braucht es forum bestimmt noch, aber reicht dies aus?

Sicher geht es in einer solchen Diskussion nicht nur um die thematische Ausrichtung, sondern auch um das Selbstverständnis der Publikation und den Platz der Zeitschrift in der luxemburgischen Medienlandschaft. Das Juni-Dossier über alternative Medien war schon Teil dieser Reflexionen. In der Vergangenheit wurde forum in der Tat, oft ohne mit der Wimper zu zucken, als alternatives Medium aufgezählt. Die Diskussionen im letzten Heft haben jedoch gezeigt, dass diese Bezeichnung äußerst komplex ist, sich stetig weiterentwickelt. Außerdem hängt die Einschätzung vom Gesprächspartner ab. Es ist also nicht klar, ob forum (noch) alternativ ist – und dadurch einen Mehrwert darstellt –, ob es überhaupt alternativ sein muss und wenn ja, wie?

Projektmanagement

Die Organisationsstruktur der Publikation ist ein Element, das zum einen forum bis zum heutigen Zeitpunkt als alternatives Medium auszeichnen könnte, zum anderen jedoch die zukünftige Richtung der Zeitung maßgeblich beeinflussen wird. Pierre Lorang wird in seinem Beitrag näher auf die Vorgehensweise der Redaktion eingehen. Diese sorgt sowohl für den inhaltlichen Reichtum und die inhärente Vielfalt der Publikation, baut aber auch Hürden und Hindernisse. Redaktionsmitglieder kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen, sie bringen eigene Erfahrungen, Ideen, Expertise und Kontakte mit. In Form von Dossiers wird der Ideenaustausch umgesetzt und von den Hauptamtlichen koordiniert. Klar ist jedoch, dass hierbei Effizienz- und Effektivitätsbestrebungen schnell zu Enttäuschungen führen: Eine viel wichtigere Tugend, die ein(e) Mitarbeiter(in) – sei es ehrenamtlich oder hauptamtlich – mitbringen muss, ist Geduld. forum besteht aus einem „Netzwerk“ sehr verschiedener Menschen: Dieses Selbstverständnis sorgt zum einen für intellektuelle Stimulierung, neue Blick- und Schnittpunkte, zum anderen schafft es Abhängigkeit vom Engagement der Autoren und Mitglieder. Es verlangt Flexibilität, diplomatisches Feingefühl, Anpassungsvermögen und vor allem zeitlichen Aufwand. Weshalb die Begeisterung für das Projekt nichtsdestotrotz nach möglichen Tiefen weiterhin bestehen kann, zeigt ein Artikel von Raymond Klein.

Die Organisationsstruktur des Vereins und der Mix aus Ehren- und Hauptamt (sowie der Suche nach einem Gleich-gewicht zwischen diesen Elementen) im Kontext der sogenannten „Pressekrise“ und Medienkonvergenz stellen also ganz bestimmte Herausforderungen für das Überleben der Publikation dar. Weitere Schritte der Professionalisierung scheinen somit unausweichlich. Wie ist es also möglich, die Publikation weiter zu professionalisieren ohne die Idee des Netzwerkes und organischen Handelns als Grundlagen des Projekts aus den Augen zu verlieren? Sind diese Bestrebungen überhaupt miteinander vereinbar? In diesem Spagat liegt die eigentliche Herausforderung. Die Digitalisierung wie die Sprachenausrichtung – oder vielleicht eher Sprachpolitik – sind hier weitere Aspekte, die sowohl als Chance wie auch als rotes Tuch gesehen werden können. Tessy Steffen Koenig hat vor einigen Monaten eine Umfrage mit forum-Mitgliedern über die Nutzung der Sprachen in forum-Heften organisiert und wird in ihrem Artikel näher auf diese eingehen. Wir hoffen auf jeden Fall, dass  unsere Bemühungen dazu führen werden, dass Herausforderungen zu Chancen werden. Wir hoffen auch, dass die Strukturen des Projekts flexibel genug sind, um neue Mittel zu finden, die es erlauben auch in Zukunft Zugang zu interessanten Analysen und Denkanstößen zu liefern. Mal sehen was man an dieser Stelle im Heft zum 50. Jubiläum sagen wird!

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