- Geschichte, Kultur
Ein Glas vom süßen Kompliment, bitte.
Eine namenstheoretische Auseinandersetzung mit den Benennungsstrategien moderner Moselweine.
Wer sich heute in einem der vielen Online-Shops auf die Suche nach Wein aus der Moselregion macht, wird mit über 1000 Produkten von 60 verschiedenen Weingütern konfrontiert. Diese sind in ihrer Aufmachung auf Grund der einheitlichen Schlegelflaschen eher homogen. Die letztendliche Kaufentscheidung muss demnach nicht zuletzt auf Grund des Preises, sondern auch auf Grund der auf dem Etikett enthaltenen Produktinformationen vorgenommen werden.
Eine erfahrene Weinliebhaberin, die sich mit den komplexen Bezeichnungen von Wein gut auskennt, kauft dann zum Beispiel gezielt die 2012er Erdener Prälat Riesling Auslese, da sie darüber im Bilde ist, dass der Begriff Auslese bei Wein für eine besondere Qualität steht, das Erdener Prälat zu den renommiertesten Weinlagen der Mosel zählt und jeder Weinjahrgang unikale Produkte hervorbringt. Allerdings zählen nur noch 3% des Wein-Absatzmarktes zu den sogenannten „Weinkennern“1, die ein Weinetikett in all seiner Komplexität erfassen können.
Dahingegen existieren mittlerweile marktrelevante Verbrauchergruppen, die einen eher einfachen Umgang mit Wein pflegen. Diese nehmen zwar Information wohldosiert auf, sie lassen sich aber beim Kauf eines Weines nicht unwesentlich auch von einer kreativen Gestaltung des Etikettes beeinflussen. Dass die Gestaltung eines Produktes, nicht zuletzt aber die Wahl eines geeigneten Namens zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, zeigt sich auch an der zunehmenden Anzahl von sogenannten Naming-agenturen. Deren Aufgabenfeld stellt das gezielte Schöpfen informativer, kreativer und letztlich absatzfördernder Namen im Rahmen unterschiedlicher Produktklassen dar. Mit Blick auf den Weinmarkt stellt das Naming hingegen ein eher junges Unterfangen dar. Besonders im gehobenen Preissegment präsentiert sich die Weinbranche eher konservativ und elitär, jedoch geht der Nachwuchs auch neue Wege. So behaupten sich besonders Jungwinzer – aber nicht ausschließlich – durch die Wahl eines ungewöhnlichen Namens für das neue Produkt.
Junge Winzer gehen neue Wege
Wenn Produkten ein eigener Name oder ein kreativer Namenszusatz gegeben werden soll, werden diese aus unterschiedlichen Bereichen der Sprache geschöpft. Teilweise bedient man sich Lexemen (d.i. Gattungsbezeichnungen wie Baum oder Tisch) sowie Eigennamen. Es entstehen durch die bewusste Zusammensetzung von Silben auch neue sogenannte Phantasienamen, die bisher nicht in der Sprache existierten. Besonders, wenn Lexeme zur Benennung eines Produktes gewählt werden, ist deren assoziative Wirkung von Bedeutung.
Der letztliche Name sollte das Produkt natürlich in Hinblick auf dessen Beschaffenheit beschreiben, also einen Informationsgehalt besitzen. Er sollte zudem eine positive Wirkung auf den potentiellen Kunden haben, in ihm positive Assoziationen passend zum Produkt auslösen. So bietet beispielsweise das Moselweingut König eine Reihe von Weinen an, welche die Namenszusätze Lebenslust, Fernblick, Zeitreise, Zeitvertreib sowie Mehrwert zieren. Ausgehend von der Semantik dieser Begriffe sollen Assoziationen mit Dingen wie Freiheit, Ungebundenheit, Lebensfreude oder Glück ausgelöst werden. Die Begriffe sollen einerseits per se mit Weingenuss assoziiert werden, andererseits aber auch zu den abstrakten und übergeordneten post-materialistischen Werten zählen. So findet sich auch in der Fachliteratur der Hinweis darauf, dass sich bei der Benennung von Genuss- und Luxusgütern die Bezugnahme auf ebenjene post-materialistischen Werte absatzfördernder auswirkt als Werte wie Effizienz und Qualität.
Ein in diesem Zusammenhang häufig gewähltes Thema ist das der Romantik und Erotik. Dies erscheint naheliegend, da Wein ja doch bei keinem romantischen Dinner fehlen darf. Dieses romantische Motiv findet man sowohl beim „Liebling“ Riesling als auch auf dem Etikett des „Versuchungen“ Riesling vom Weingut Fürst, zumal bei Letzterem das Moment der Erotik klar hervortritt. Ob die Namens-wahl „Liebling“ Riesling nun verstanden werden soll als Aufforderung, diesen Wein im Kreise der Liebs-ten zu genießen oder es sich eben einfach um den besten, demnach auch den Lieblingsriesling handelt, liegt letztlich in der Interpretation des Verbrauchers. Ebenso in dem französischen Lexem Rendezvous auf dem Etikett des 2012er Winzer Sekt Riesling „Rendezvous“ trocken vom Weingut Reis kann der Name des Produktes gelesen werden als Hinweis darauf, in welchem Rahmen der Sekt getrunken werden sollte.
Es ist interessant, dass es sich beim Riesling „Rendezvous“ um eine der sehr wenigen Exemplare handelt, auf deren Etiketten sich im Rahmen der kreativen Bezeichnung des Produktes französische Elemente finden. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass es im deutschen Raum Tendenzen der Vermeidung der französischen Sprache bei der kreativen Benennung von Moselweinen gibt. Der luxemburgische Weinmarkt hingegen zeugt vom Gegenteiligen und präsentiert sich mit nahezu ausschließlich in Französisch gehaltenen Etiketten. Wohingegen das Aussparen des Französischen im Falle der deutschen Weine erahnen lässt, dass sich im Besonderen der Moselweinmarkt von der nahegelegenen französischen Weinkultur abgrenzen will, findet in Luxemburg eine klare Zuwendung zu ebenjener alten und prestigeträchtigen Kultur statt.
Das Englische verleiht ein junges und modernes Image
In Sachen Fremdsprachen stellt, wie auch aus anderen Produktklassen bekannt, das Englische einen beliebten Spenderbereich dar, wenn es darum geht, einem Produkt ein modernes Image zu verleihen und unter anderem jüngere Zielgruppen zu erreichen. So finden sich in der Getränkeliste des Weinguts Karp-Schreiber die Weine 2014er „red karp –Regent Rotwein trocken Qualitätswein“, 2014er „white karp – Weißer Burgunder Edition Trocken“ sowie der 2014er „crazy karp – Rotling feinherb“. Durch die Abbildung eines Karpfens jeweils oberhalb des Namens wird das Wortspiel basierend auf dem Gleichklang des Familiennamens Karp und dem Lexem Carp (zu dt. Karpfen) produktiv. Das Benennungsmotiv des „red karp“ sowie des „white karp“ ist transparent, da es sich an der sichtbaren Beschaffenheit des Produktes orientiert, also der Farben. Im Falle des „crazy karp“ ist der Interpretationsspielraum zwar größer, jedoch liegt die Vermutung nahe, dass gerade der Rotling mit „crazy“ bezeichnet wird. Dieser stellt durch den Verschnitt von roten und weißen Trauben nämlich eine besondere Form des Cuvées dar und ist zudem bekannt für seine besonders schillernde Farbe.
Namen, die man behält
Wie auch im Falle der Weine des Weinguts Karp-Schreiber dienen neben fremdsprachlichen Elementen oft auch kreative sprachliche Strategien wie beispielsweise das eben gezeigte Wortspiel als beliebtes Mittel, dem Produkt einen interessanten und nicht zuletzt einprägsamen Namen zu verleihen. Ebenso im Sortiment des Moselweinguts Brixius-Bölinger finden sich in Hinblick auf die Komplexität der Benennungsstrategie aus unterschiedlichen Perspektiven interessante Etiketten: Der 2013er „18 BRIX Riesling Kabinett feinherb“ sowie der 2014er „20 BRIX Riesling Spätlese trocken“. Brix kann hier zunächst gedeutet werden als Kurzform des Familien-
namen Brixius. Dieser wird daraufhin umgedeutet zum homonymen Lexem „Brix“, welches für die englische Maßeinheit zur Bestimmung des Zuckergehaltes von Trauben verwendet wird – die deutsche Entsprechung ist Öchsle.
Inwieweit ein Kunde das Brix als Kurzform des Familiennamen versteht, ist in diesem Fall sicherlich stark vom Vorwissen abhängig. Man kann jedoch annehmen, dass durch die Komplexität und Originalität der Namensgebungsstrategien der Kunde dazu geneigt sein wird, sich über die Motivation dergleichen auf dem entsprechenden Online-Profil des Weinguts zu informieren. Dies kann wiederum für das Unternehmen eine absatzfördernde Wirkung haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kunden langfristig an die Namen der Produkte erinnern, ist sicherlich höher als bei klassischen Etiketten.
Traditionelle Etiketten überwiegen
Die hier benannten Produkte, die durch Wahl der Produktnamen kreativ und originell daherkommen, stellen jedoch auch heute noch eher die Ausnahme an der Mosel dar. Bei der überwiegenden Anzahl an Moselweinen folgt die Namensgebung eher einem traditionellen Muster. Dies bedeutet, dass den Weinen oft gar kein Eigenname oder Namenszusatz verliehen wird, sondern die Etiketten in erster Linie als Träger für jene Informationen dienen, welche Aufschluss über die Beschaffenheit des Produktes bieten – Jahrgang, Rebsorte, Winzerbetrieb etc.
Die Tatsache, dass viele Winzer letztlich an einer eher traditionellen Vermarktung ihrer Produkte festhalten, findet jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven Rechtfertigung. Zunächst handelt es sich beim Weinetikett um ein Stück Papier, das in der Art seiner Bezeichnung klaren Reglementierungen unterliegt – das sogenannte Weinbezeichnungsgesetz regelt genau, was auf ein Etikett muss und was darf. Zudem ist Wein als Produkt nicht nur an eine eigene Kultur geknüpft, sondern auch aus einer sehr alten Tradition erwachsen. Diese hat seitens der Vermarktung in den letzten hundert Jahren keine oder aber kaum Veränderung erlebt, da der Absatz-
markt von Wein stets stabilisiert war durch eine natürliche Wertschöpfung gegenüber dem Getränk. Aus diesem traditionsträchtigen Gebilde lassen sich seitens der Verbrauchergruppe nun auch gewisse Erwartungshaltungen an die Vermarktung und damit auch an die Aufmachung respektive die Gestaltung, also Etikettierung des Produktes, ableiten.
Ein Bruch mit der Tradition stellt für ein Unternehmen zunächst also auch ein Risiko dar. Es zeigt sich allerdings, dass sowohl Jungwinzer als auch Newcomer auf dem Weinmarkt dazu bereit sind, in der Benennung ihrer Weine neue Wege zu gehen. In Sachen kreativer und origineller Namen stellt heute schon das Weinanbaugebiet der Pfalz eine wahre Fundgrube dar. Dort trinkt man zum Beispiel ein Glas vom „Black Print“ Rotwein oder „Bubbly“ Sekt von Markus Schneider. Beim Weingut Hensel entscheidet man sich zwischen dem „Höhenflug“, „Aufwind“ und dem „Ikarus“. Sollte ein bisher noch traditionelles Moselweingut also mal neue Wege gehen wollen, lohnt sich sicherlich ein Blick in die nahgelegene Pfalz!
1 Sociodimensions, Institute for socio-cultural Research, Die Wahrnehmung deutscher Weine aus Sicht der Konsumenten. Ergebnisse einer repräsenta- tiven Image- und Zielgruppenanalyse (im Auftrag des Deutschen Weininstituts), 2014.
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