Juristische Lehrbücher in Leichter Sprache schreiben

ein Erfahrungsbericht

In Deutschland besteht ein wachsender Bedarf an Publikationen in Leichter Sprache. Ein Grund dafür sind, neben den Menschen mit Lernschwierigkeiten, auch Migrantinnen, Migranten, Menschen, die dabei sind, Deutsch zu lernen, und Flüchtlinge. Diese sollen sich so schnell wie möglich in die Gesellschaft integrieren können. Ein Mosaikstein dafür sind Lehrbücher in Leichter Sprache.

Im Frühjahr dieses Jahres hat mich ein juristischer Fachverlag aus Deutschland gebeten, Lehrbücher zum Bürgerlichen Recht und zum Strafrecht in Leichter Sprache zu verfassen. Bei der Erarbeitung der Texte ist es wichtig, die allgemeinen Regeln einzuhalten. Leichte Sprache bedeutet für den Verlag zum Beispiel: Kurze Sätze, Fremdwörter werden erklärt, im Text genannte Paragraphen §§ sind mit abgedruckt und werden zudem in Leichter Sprache erklärt.

Das erste Kapitel eines Buches zum Bürgerlichen Recht beginnt – anders als sonst –nicht mit der Rechtsgeschichte des deutschen Zivilrechts. In den Büchern wird im ersten Kapitel erst einmal erläutert, worum es in dem Buch eigentlich geht. Das klingt dann etwa so: „Dieses Buch ist ein Buch über Jura. Als Jura bezeichnen wir das Studium des Rechts. Mit dem Studium des Rechts können wir das Recht besser verstehen. Wir lernen auch, das Recht anzuwenden. In diesem Buch geht es um einen Teil des Rechts, das man „BGB AT“ nennt. „BGB AT“, das sind zwei Abkürzungen. Ich erkläre gleich diese beiden Abkürzungen. BGB heißt: Bürgerliches Gesetzbuch. AT heißt: Allgemeiner Teil.

Eine weitere Herausforderung ist, Fremdwörter immer zu erklären. Am besten ist es natürlich, Fremdwörter zu vermeiden. Doch ein Lehrbuch soll Wissen vermitteln, wie es auch in späteren Prüfungen gebraucht wird. Deshalb können Fachbegriffe nicht verschwiegen werden. Es würde keinen Sinn machen, etwa den Begriff „Vertrag“ als „Das, was alle wollen“ zu bezeichnen, wenn es im Gesetz und später in der Prüfung „Vertrag“ heißt. Deshalb versuche ich alle schwierigen Begriffe zu erklären.

Manche Wörter sind so lang, dass sie schwer zu lesen sind. Dazu gehört etwa „Willenserklärung“, ein im deutschen Zivilrecht häufiger und wichtiger Begriff. In meinem Buch schreibe ich immer „Willens-Erklärung“, das liest sich besser. Bei anderen Wörtern habe ich mich gegen die Binnen-Trennung entschieden, etwa bei „Vertragsschluss“. Denn „Vertrags-Schluss“ würde beim Leser das Ende eines Vertrages assoziieren, während genau das Gegenteil gemeint ist: das Abschließen eines Vertrages, also der Beginn des Vertrags.

In meinem Buch habe ich zudem immer wichtige Paragraphen, auf die ich mich beziehe, im Wortlaut mit abgedruckt. Unter dem offiziellen Wortlaut habe ich dann eine Übersetzung in Leichter Sprache versucht. Es ist erstaunlich zu erkennen, dass man Normen auch so umschreiben könnte, dass sie jeder versteht, ohne dass der Sinn verloren geht! Leider waren und sind Juristen meist keine großen Sprachgenies. Man sieht das auch an dem komplizierten Französisch, das luxemburgische Juristen, die in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt sind, gerne schreiben. Hier wird sich oft wenig Mühe gegeben, was Verständlichkeit angeht.

Obwohl es mir viel Freude macht, Lehrbücher in Leichter Sprache zu schreiben, ist es auch anstrengend. Aber ich lerne viel dabei.

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