Von Dr. No bis GoldenEye

Der Kalte Krieg im Spiegel der James-Bond-Filme

Der erste Film der Bond-Reihe, Dr. No, erscheint im Oktober 1962 auf dem Höhepunkt der Kubakrise. Bis zum endgültigen Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 werden nicht weniger als fünfzehn weitere offizielle 007-Filme produziert. Keine andere Figur der Filmgeschichte bleibt bis heute thematisch so eng mit der Epoche des Kalten Krieges verknüpft wie die des britischen Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät, James Bond. Die Missionen von 007 spielen sich während drei Jahrzehnten in einer zweigeteilten Welt ab, geprägt vom ideologischen Konflikt zwischen den USA und der UdSSR. Der folgende Beitrag 1 zeigt auf, wie dieser geopolitische Kontext und seine Spannungsfelder – Spionage, Sabotage, atomare Auf- und Abrüstung, die Eroberung des Weltalls usw. – im Laufe der Jahre in die Filmhandlungen integriert und wie „die Anderen“, also die Sowjetunion und weitere sozialistische Staaten, dargestellt werden.

Der mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert anhaltende kommerzielle Erfolg der Bond-Franchise 2 erklärt sich vor allem dadurch, dass die Filme seit ihrem Erscheinen nach einer „continuity and change“-Logik 3 konzipiert wurden: Einerseits ist spätestens nach dem dritten oder vierten Bond-Film eine Formel ausgearbeitet, die darauf beruht, dass vertraute und liebgewonnene Markenzeichen immer wieder aufgegriffen werden und somit für einen hohen Wiedererkennungswert sorgen. Man denke an Bonds Briefing durch seine(n) Vorgesetzte(n) M, den obligatorischen Flirt mit Eve Moneypenny, den Besuch bei Q und die Vorstellung handlungsrelevanter Gimmicks, die exzentrischen Gegenspieler und exotischen Drehorte, den Wodka-Martini usw. Zum anderen ist es aber auch die Kunst der Bond-Franchise, sich immer wieder zu verändern, sich an die Themen ihrer Zeit anzupassen und diese in die Filmhandlungen zu integrieren. Dies können einerseits populäre und zeitgenössische Trends im Kino sein (z.B. Moonraker von 1979, der nach dem immensen Erfolg von Star Wars dessen Weltraumthematik aufgriff) oder aber die jeweiligen (welt-)politischen, gesellschaftlichen und industriellen Entwicklungen des Moments. Die Bond-Filme reflektieren also – wie beim Medium Film üblich – in erster Linie die Periode, in der sie entstanden sind. Der Kalte Krieg ist dabei aber keineswegs omnipräsent, sondern wird mal mehr, mal weniger explizit in den Filmhandlungen thematisiert.

Die literarische Vorlage (1952-64)

Bond ist zunächst eine literarische Figur des britischen Schriftstellers Ian Fleming (1908-64), der in seiner bewegten beruflichen Laufbahn u.a. während des Zweiten Weltkriegs selbst als Offizier für den Geheimdienst der Royal Navy gearbeitet hat. Zwischen 1952 und 1964 verfasst Fleming insgesamt zwölf Romane und neun Kurzgeschichten mit dem Doppelnullagenten in der Hauptrolle. Diese Geschichten entstehen somit größtenteils in einer Zeit, die von der geradezu hysterischen Angst vor einer globalen Ausbreitung des Kommunismus geprägt ist. Dementsprechend haben sie deutlich antikommunistische Töne inne: Bonds literarische Gegner sind in der Regel sowjetische Spione oder Kriminelle, die in einer Verbindung zur Sowjetunion stehen. Sämtliche Bond-Erzählungen von Fleming werden für die Kinoleinwand adaptiert – allerdings auf unterschiedliche Weisen. Bei zahlreichen filmischen Adaptionen werden ohnehin größere Änderungen an Figuren und Handlungen vorgenommen. Später nutzten die Produzenten und Drehbuchautoren oftmals nur noch den Titel oder einzelne Handlungsaspekte.

Die dritte Macht im Hintergrund (1962-71)

Die internationalen Beziehungen der frühen sechziger Jahre sind vor allem geprägt durch die wachsenden Spannungen zwischen den USA und der UdSSR, die im Oktober 1962 in der Kubakrise gipfeln und die ganze Welt für kurze Zeit an den Rand eines atomaren Konfliktes bringen. Anschließend normalisieren sich die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten wieder und das Konkurrenzgebaren verlagert sich von der militärischen u.a. in die wissenschaftliche Sphäre (versinnbildlicht bspw. im Wettlauf um die „Eroberung“ des Weltalls). Das Thema Atomkraft oder die kollektive Angst vor Atomangriffen findet sich daher auch in nahezu allen Bond-Filmen der sechziger Jahre wieder (mit zwei Ausnahmen, From Russia With Love und On Her Majesty’s Secret Service). Welchen Einfluss der geopolitische Kontext der Zeit darüber hinaus auf die Filmhandlungen und die generelle Ausrichtung der Franchise ausübt, zeigt sich v.a. an der Darstellung von Bonds Gegenspielern, also den Drahtziehern der jeweiligen Intrige.

Im ersten Bond-Film, Dr. No (1962), verschlägt es den Geheimagenten (gespielt von Sean Connery) auf die Karibikinsel Jamaika, damals noch eine britische Kolonie, wo er den Mord an zwei MI6-Mitarbeitern aufklären soll. Zudem werden von dort aus die US-amerikanischen Raketenstarts auf Cape Canaveral mit Energiewellen sabotiert. Wie sich später herausstellt, werden diese von einem fanatischen Atomwissenschaftler mit deutsch-chinesischen Wurzeln, Dr. No, ausgelöst. In seinem Hauptquartier klärt er Bond über sein Vorhaben auf:

– Dr. No: Missiles are only the first step to prove our power.

– Bond: Our power? With your disregard for the human life you must be working for the East.

– Dr. No: East, West, just points of the compass, each as stupid as the other. I’m a member of SPECTRE.

Dr. No, der sowohl von den Amerikanern als auch den Sowjets als Wissenschaftler abgewiesen wurde, hat sich in den Dienst einer (fiktiven) kriminellen Schattenorganisation, SPECTRE, gestellt. Deren Anliegen ist es, die bestehenden Spannungen zwischen den beiden Großmächten eskalieren zu lassen und diese für ihre eigenen Ziele (die Weltherrschaft) auszunutzen – im Übrigen ein wiederkehrendes Motiv in den Bond-Filmen. Damit verweist Dr. No bereits zu Beginn der Franchise (und als solche waren die 007-Verfilmungen angelegt) auf deren Umgang mit dem realen geopolitischen Kontext: Der Ost-West-Konflikt ist präsent und wird auch implizit erwähnt, tritt aber gleichzeitig in den Hintergrund, bzw. wird dadurch relativiert, dass im Mittelpunkt der Handlung eine dritte Macht steht, welche die beiden Großmächte gegeneinander ausspielen möchte.

Auch der zweite Bond-Film, From Russia With Love (1963), bleibt dieser Linie treu, obwohl er aus mehreren Gründen eine Sonderstellung in der Franchise einnimmt: Zum einen ist er stärker am klassischen Spionagethriller orientiert als die späteren actionreicheren Verfilmungen. Zum anderen handelt es sich um einen der wenigen Bond-Filme, die den politischen Kontext explizit erwähnen: The cold war in Istanbul will not remain cold very much longer, heißt es aus dem Mund von Rosa Klebb, einer Ex-KGB-Agentin, die zu SPECTRE übergelaufen ist. Sie soll Bond in Istanbul in eine Falle locken, um so den britischen (!) und den sowjetischen Geheimdienst gegeneinander auszuspielen. Hier zeigt sich ein aufschlussreicher Unterschied zur Romanvorlage: War es in Flemings Erzählung noch die sowjetische Geheimorganistation SMERSCH (die an einen real existierenden russischen Nachrichtendienst angelehnt war), die hinter dem Komplott steckte, so wird im Film daraus die fiktive, unpolitische Organisation SPECTRE mit ihrem Chef Blofeld. Die Vorgabe der Macher ist klar: Trotz aller mehr oder weniger realistischen Bedrohungsszenarien sollen die Filme nicht zu politisch sein und das Publikum verschrecken. Die Bond-Franchise steht also seit ihren Anfängen in erster Linie für Unterhaltung, Exotik und Eskapismus.

Goldfinger (1964) und You Only Live Twice (1967), Connerys dritter bzw. fünfter Auftritt als Bond 4, erweitern das nunmehr bekannte Motiv der dritten Macht um einen weiteren Akteur, der aus dem Hintergrund das politische Machtgefüge zu destabilisieren versucht: Das kommunistische China, das seit 1964 ebenfalls eine Atommacht ist. In Goldfinger liefert die chinesische Regierung dem titelgebenden Kriminellen eine Atombombe, um die US-Goldreserven in Fort Knox radioaktiv zu verseuchen. In You Only Live Twice finanzieren chinesische Vertreter einen Plan Blofelds, der vorsieht, das Konfliktpotenzial im Wettlauf in das Weltall auszunutzen. Dies soll geschehen, indem er amerikanische wie sowjetische Raumkapseln entführt, um so eine an die Kubakrise angelehnte Eskalationsspirale in Gang zu setzen.

Die Filme der Détente (1973-79)

George Lazenbys einziger Auftritt als 007 in On Her Majesty’s Secret Service (1969) deutet einen vorrübergehenden Richtungswechsel an, der die Franchise bis Ende der siebziger Jahre prägt: Die Bond-Filme werden zunächst unpolitischer (Live And Let Die, 1973 und The Man With The Golden Gun, 1974) und thematisieren anschließend mehr (The Spy Who Loved Me, 1977) oder weniger (Moonraker, 1979) explizit die Entspannung in den Beziehungen zwischen den Großmächten. Sie reflektieren damit die realen Entwicklungen im Ost-West-Konflikt seit Anfang der siebziger Jahre: progressiver Rückzug der USA aus Vietnam, die SALT-Verhandlungen und die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Helsinki, die das außenpolitische Klima zwischen USA und UdSSR zunächst deutlich verbessern.

Roger Moore, der seinen Einstand 1973 feiert, legt die Rolle völlig anders an als Connery. Während Letzterer die Figur mit viriler Intensität und viel Zynismus spielt, gibt Moore ihr etwas Humorvolles und Dandyhaftes, was gut mit dem nun leichteren Ton der Reihe harmoniert. Seine ersten beiden Filme verbindet dann auch, dass sie deutlich kleiner ausfallen und es kein Weltuntergangsszenario gibt 5.  The Spy Who Loved Me hingegen liefert wieder einen interessanten Kommentar zur Phase der Détente im Kalten Krieg. Zentrales Thema ist die Kooperation zwischen MI6 und KGB, die nötig wird, weil der deutsche Industrielle Stromberg britische und sowjetische Atom-U-Boote entführt – ein ähnliches Szenario hat zehn Jahre zuvor noch eine Eskalationsspirale ausgelöst. Der Film spiegelt die Welt des MI6 mit der des KGB, so dass 007 und M hier auf ihre jeweiligen sowjetischen Pendants treffen, nämlich die Agentin Anya Amasova und ihren Vorgesetzten, General Gogol. Letzterer tritt in den folgenden Bond-Filmen immer wieder als gemäßigte, aber durchaus ambivalente russische Autoritätsfigur auf, in dessen Verhalten sich auch die internationalen Beziehungen reflektieren.

James Bond als Cold Warrior (1981-87) 6

Anfang der achtziger Jahre verschlechtern sich die Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR wieder zunehmend, sei es durch die russische Invasion in Afghanistan Ende 1979, die aggressive antisowjetische Reagan-Rhetorik, der wechselseitige Boykott der Olympischen Spiele 1980 und 1984 oder durch das neue Wettrüsten. Kurzum: In den frühen achtziger Jahren ist die Sowjetunion wieder als Feindbild im Westen etabliert und diese Entwicklung findet ihren Niederschlag auch in den Bond-Filmen.

Nach dem überkandidelten Moonraker holen die Macher Bond in For Your Eyes Only (1981) auf den Boden der Tatsachen zurück und lassen ihn im Mittelmeerraum im Duell mit griechischen Schmugglern um ein versunkenes britisches Raketenleitsystem kämpfen. Eine Ausnahmestellung in der Reihe hat der Film jedoch inne, weil hier zum ersten und einzigen Mal die UdSSR – bzw. der KGB in Gestalt von General Gogol – der direkte Anstifter einer gegen den Westen gerichteten Spionageaktion ist. Um dennoch eine gewisse Distanz zur geopolitischen Realität zu halten, bricht der Film die haarsträubende Jagd auf den Supercomputer im Finale auf eine Art sportlichen Wettkampf herunter: 007 wirft den Computer von einer Klippe, so dass weder der MI6 noch der KGB ihn bergen können; Gogol macht eine joviale Geste und verabschiedet sich.

In den folgenden drei Filmen, Octopussy (1983), A View To A Kill (1985) und The Living Daylights (1987) zeigt sich ein neues erzählerisches Muster, in dem beide Diskurse – jener des Kalten Krieges und jener der Détente – gleichzeitig präsent sind. Das bedeutet, dass in diesen Filmen von der UdSSR zwar wieder eine direkte Gefahr ausgeht, diese jedoch dadurch relativiert wird, dass den bösen Kommunisten a) entweder gute/gemäßigte Kommunisten gegenübergestellt werden, die pazifistische Motive haben und an einer Abrüstung interessiert sind oder b) Erstere als Renegades dargestellt werden, also als Figuren, die auf eigene Faust handeln und nicht im Auftrag des Sowjetregimes.

In Octopussy wird dem wieder gemäßigten General Gogol ein Hardliner, General Orlov, gegenübergestellt, der von der Übermacht der sowjetischen Streitkräfte überzeugt ist und mittels eines Präventivschlags das „dekadente“ Westeuropa überrollen möchte. Gogol hingegen plädiert für weitere Verhandlungen mit der NATO zwecks kontrollierter Abrüstung und für eine friedliche Ausdehnung des Sozialismus. Diese Ambivalenz in der Darstellung der Sowjetunion reflektiert ganz treffend das politische Klima der achtziger Jahre, das gleichermaßen geprägt war von sowohl einer aggressiven Rhetorik gegenüber Russ-land wie auch wiederholten Annäherungen (bzw. ersten Zerfallserscheinungen der Sowjetunion) 7.

GoldenEye (1995)

Der letzte Bond-Film, der sich mit dem Kalten Krieg (bzw. dessen Vermächtnis) beschäftigt, wird 1995 nach langer Pause und fundamentalen politischen Veränderungen veröffentlicht. GoldenEye hat die schwierige Mission, nicht nur die Franchise, sondern auch die Figur 007 im Postsowjetzeitalter neu auszurichten. Zwar haftet dem Film durch seine postmodernen Anspielungen (M: „You’re a sexist, misogynist dinosaur. A relic of the Cold War.“) ein progressistisches Image an, bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass der Film eher rückwärtsgewandt ist und in vielerlei Hinsicht die erzählerischen Motive der Achtziger wieder aufgreift. Das neue kapitalistische Russland bleibt ein politischer Akteur, dem man nicht trauen kann (Bond: „Governments change, the lies stay the same.“) und Bonds Gegner Ourumov ist ein systemabtrünniger General mit eigener Agenda im Stile von Octopussy. Die folgenden Bond-Filme mit Pierce Brosnan als 007 schaffen es aber, sich vom Erbe des Kalten Krieges zu lösen und die Konfliktfelder der neunziger Jahre zu verarbeiten: Die wachsende Macht der Medien, der Ölhandel sowie das diktatorische Nordkorea werden zu Kernthemen dieser Filme.

[1] Dieser Artikel basiert auf dem gleichnamigen Vortrag, den der Autor am 22. September 2016 im Rahmen der Ausstellung La Guerre froide au Luxembourg im MNHA gehalten hat.

[2] Gesammelte Einspielergebnisse finden sich u.a. hier: http://www.boxofficemojo.com/franchises/chart/?id=jamesbond.htm (Letzter Zugriff: 10.11.2016)

[3] Chapman, James, Licence to Thrill. A Cultural History oft he James Bond Films, I.B. Tauris, 2009.

[4] Thunderball (1965) und Diamonds are Forever (1971) können hier aus Platzgründen nicht behandelt werden.

[5] In Live and let die (1973), der deutlich vom sog. Blaxploitation-Kino inspiriert ist (und dennoch unangenehme rassistische Untertöne trägt) kämpft Bond gegen schwarze Drogenhändler und Voodoo-Zauber. In The Man with the Golden Gun (1974) kämpft er gegen den Ex-KGB-Killer Scaramanga, der eine Maschine zur Gewinnung alternativer Energien unter seine Kontrolle gebracht hat; die Story spielt damit auf die erste große Energiekrise von 1973 an.

[6] Chapman, Licence to Thrill, 2009, S. 170.

[7] In A View To A Kill kämpft Bond gegen den High-Tech-Industriellen Max Zorin, dessen KGB-Vergangenheit angedeutet wird, gleichzeitig betont Moskau aber, dass er nicht länger in ihren Diensten stehen würde; in The Living Daylights dreht sich die (extrem verworrene) Handlung um falsche russische Überläufer und komplizierte Waffendeals zwischen Amerikanern, Russen und den afghanischen Mudschahedin. Als einer der wenigen Bond-Filme spielt auch dieser Teil in einem real existierenden Konflikt, nämlich im Afghanistankrieg.

 

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