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forum_C: Über die zwiespältige Rezeption von „Wonder Woman“ als feministischer Superheldenfilm
Seit ihrem Kinostart vor ein paar Wochen wird die Comicverfilmung Wonder Woman von Patty Jenkins – für einen Film dieser Gattung – erstaunlich kontrovers diskutiert. Jenkins‘ Superheldinnenfilm, mit der israelischen Schauspielerin Gal Gadot in der Titelrolle, ist die erste Soloadaptation des gleichnamigen Comics (erstmals 1941 erschienen) für die Kinoleinwand. 2016 hatte Wonder Woman bereits einen viel beachteten Kurzauftritt in dem ansonsten eher misslungenen Batman v Superman: Dawn of Justice.

Wonder Woman war freilich nie eine unproblematische Figur. Im Laufe ihrer Präsenz in der Popkultur (zu der auch eine TV-Serie mit Lynda Carter gehört, 1975-79) stand sie wahlweise für Feminismus oder Objektifizierung, oder beides gleichermaßen, wie hier und hier nachzulesen ist. Zwei Fragen werden nun besonders diskutiert: Erstens, ist Wonder Woman nun ein dezidiert progressistisch-feministischer Film oder nicht? Und zweitens, wie ist der Umstand zu bewerten, dass bei dieser Tentpole-Produktion aus der doch sehr männerdominierten Sphäre der Superheldenverfilmungen gerade eine weibliche Regisseurin dabei ist, Achtungserfolge zu feiern?
In Jenkins Adaptation rettet in der Zeit des ersten Weltkrieges die Amazonentochter Wonder Woman – bzw. Diana Prince – den US-Spion Steve Trevor. Der war zufällig auf der von der restlichen Welt total abgeschotteten Insel gelandet, auf der die scheinbar unsterblichen Amazonen seit Urzeiten leben. Diana, die hinter dem Ersten Weltkrieg den Kriegsgott Ares vermutet, begleitet nun Steve in die „reale Welt“, um Ares zu töten und so den Frieden wiederherzustellen.
Jenkins inszeniert Dianas Ankunft in dieser neuen Welt zunächst als lustig gemeinten Gender-Kulturschock, bei dem Dianas unschuldige Naivität auf eine patriarchalische (und später kriegerische) Männerwelt prallt. Ab der Hälfte geht dem Film jedoch die Luft aus, und der Kontext des Ersten Weltkriegs wird lediglich benutzt für einige bombastische Actionszenen die am Ende in einen formelhaften Showdown münden.
Im gesamten Film finden sich sowohl feministische Momente, als auch solche Szenen, die einen Rückgriff auf die Objektifizierung der Figur darstellen. Jenkins zeigt ihre Wonder Woman in einer Rüstung, die zwar ihre Physis und Fitness betont, sie aber nicht den üblichen voyeuristischen Phantasien (dem male gaze) ausliefert, und hebt sich damit ab von früheren Solo-Darstellungen weiblicher Superheldinnen, bspw. in Catwoman (2004) und Elektra (2005). Zudem porträtiert sie Dianas Umfeld als queeres Amazonenvolk und wehrhafte axt- und bogenschwingende Kriegerinnen, die Gewalt zum Wohl der Welt einzusetzen bereit sind. Doch nicht nur bei den Guten finden sich feministische Momente: Die – neben der Titelheldin – vielleicht interessanteste weibliche Figur dürfte die deutsche Chemikerin Dr. Maru sein, mittels derer Jenkins sich nicht davor scheut, eine Frau als gescheite und gefährliche Schurkin einzusetzen.
Gleichwohl greift die Regisseurin aber auch an manchen Stellen auf vertraute Muster bei der Inszenierung von Weiblichkeit auf der Leinwand zurück: Diana erliegt, obwohl sie nach eigener Aussage zum größten Teil auf Männer verzichten kann („men are essential for procreation, but when it comes to pleasure… unnecessary“), letztlich doch dem Charme des Haudegens Steve – und bedient damit die Erwartungshaltung des Publikums. Im Allgemeinen verfallen Männer wie Frauen in stummes Staunen sobald Diana die Szene betritt und huldigen sie fortwährend als „the most beautiful woman you’ve ever seen“, und wenn sie ihren beschränkten männlichen Begleitern bei einer Kneipenschlägerei erstmals ihre überlegene Kampfkraft vorführt, entfährt es dem komödiantischen Sidekick: „I’m both frightened and aroused!“.

Regisseurin Patty Jenkins bei den Dreharbeiten
Dass Jenkins‘ Adaptation aber dennoch als Markstein des feministischen Kinos diskutiert wird, liegt auch an Aspekten, die über den Inhalt und die Form des Films hinausgehen. Wer glaubt, weibliche Regisseurinnen erhielten regelmäßig vergleichbare Budgets wie ihre männlichen Pendants, irrt. Jenkins‘ 150-Mio.-Dollar-Budget für Wonder Woman markiert den derzeitigen Rekord; an zweiter Stelle folgt Katheryn Bigelow, die für das U-Boot-Drama K-19: The Widowmaker 100 Mio. erhielt – das war allerdings 2002. Es gibt nicht nur zahlenmäßig weniger weibliche Hollywood-Regisseurinnen als männliche, sie haben zudem auch deutlich höhere Hürden bei der Erlangung und Umsetzung von Big-Budget-Produktionen zu bewältigen. Jenkins, deren Debütfilm Monster (2003, 8 Mio. Budget) über die Serienkillerin Aileen Wuornos mit Charlize Theron für Furore sorgte, war immerhin bereits als Regisseurin für Thor: The Dark World (2013) im Gespräch – eine Zusammenarbeit, die aber wegen „kreativer Differenzen“ nicht zustande kam.
Mit einem weltweiten Einspielergebnis von aktuell über 600 Mio. Dollar ist Wonder Woman zudem der kommerziell erfolgreichste Film, der jemals von einer Regisseurin gedreht wurde – alleine die Tatsache, dass diese Entwicklung eine Schlagzeile wert ist, belegt, wie ungewöhnlich die Vorstellung immer noch ist, dass auch Frauen gewinnträchtige Hollywood-Filme drehen können. Ob diese positive Box-Office-Entwicklung nun am Film selbst und seiner Umsetzung liegt, oder doch eher an einer wirkungsvollen Marketingstrategie, die gezielter als sonst üblich versucht, weibliche Publika für eine Superheldenverfilmung zu begeistern, wird sich noch in den Statistiken zeigen – Jenkins ist es jedenfalls bisher gelungen, sich mit ihrer Adaptation bei den bis dato vornehmlich männlichen Helden-Fangemeinden zu behaupten.
Hochtrabend und von fehlendem filmgeschichtlichen Bewusstsein geprägt wirken jedoch jene Kommentare, die diese Wonder Woman-Adaptation zu einem allgemeinen feministischen Manifest ausrufen und dabei so tun, als habe es zuvor überhaupt keine starken Frauenfiguren im Kino gegeben. Ellen Ripley nahm es zunächst mit einem, dann mit einer ganzen Horde von Aliens auf, die FBI-Anwärterin Clarice Starling mit gleich zwei Serienmördern, Sarah Connor verteidigte als Mutter und Kriegerin die Erde gegen Terminatoren, Thelma & Louise entflohen rabiat der machohaften Männerwelt, die sie umgab, und auch in Serien wie Game of Thrones sind es Frauenfiguren wie Cersei Lannister und Daenerys Targaryen, die Politik machen – die Liste ließe sich fortsetzen.
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