- Gesellschaft, Klima
Menschenrechte und Klimaschutz
Der Klimawandel konfrontiert die Menschheit mehr als jedes andere Problem mit der Tatsache der gegenseitigen Abhängigkeit: Kein Staat kann seine Bürgerinnen und Bürger vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels alleine schützen. Obwohl die Bewältigung von Dürren, Überschwemmungen und Naturkatastrophen in den Handlungsbereich einzelner Staaten fällt, liegt die Verantwortung für die Prävention in der Hand der Gemeinschaft aller Staaten.
Der voranschreitende Klimawandel bedroht bereits jetzt die Lebensgrundlagen und den Wohlstand von Millionen Menschen. Der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von 2014 zeichnet ein düsteres Bild, wie bereits beobachtete und vorhergesagte Veränderungen des Klimas zukünftige Generationen, Ökosysteme, natürliche Ressourcen und physische Infrastruktur negativ beeinflussen werden.1 Wenn Menschen wegen Stürmen, Überschwemmungen, Dürren oder Erdrutschen obdachlos werden, Hunger und Durst leiden, ihren Wohnort verlassen und sogar dauerhaft migrieren müssen, wird deutlich, dass der Klimawandel direkte und indirekte Einflüsse auf eine Reihe international garantierter Menschenrechte hat: unter anderem auf das Recht auf Leben, das Recht auf Wasser und Nahrung, das Recht auf Gesundheit und das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt.
Tatsächlich erweist sich die Frage des Klimaschutzes als ein Problem der globalen Asymmetrie zwischen den Industrienationen, deren Emissionen hauptsächlich zum Wandel des Klimas beitragen, und den Entwicklungsländern des globalen Südens, in denen sich die Folgen des Klimawandels drastisch auswirken. Die Hauptlast tragen vor allem jene Menschen, die in großer Armut leben, Angehörige von Minderheiten, indigene Völker, und innerhalb dieser unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen insbesondere Frauen, Kinder, ältere Menschen, Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen. Da die Lebensgrundlage vieler dieser sich vor allem selbstversorgenden Menschen direkt von den natürlichen Ressourcen abhängt, sind sie durch Klimaveränderungen besonders gefährdet. Zudem sind ihre Anpassungsmöglichkeiten wegen des Mangels an finanziellen und technischen Mitteln eingeschränkt. Die Folge ist eine Verschärfung der Armut: Der Klimawandel gilt inzwischen als einer der größten „Armutstreiber“.2
Schattendasein und Schwierigkeiten
Zahlreiche Publikationen zeigten im Laufe der letzten Jahre die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Menschenrechten auf. Trotzdem werden die Menschenrechte in der öffentlichen Debatte und im Großteil der Literatur zum Thema Klimawandel kaum berücksichtigt. Nur wenig diskutiert wird insbesondere die Frage, inwiefern die Folgen der Erderwärmung die universellen Menschenrechte verletzen. Entsprechend selten werden das internationale Menschenrechtssystem und internationale Klimaverhandlungen miteinander verknüpft.3
Die Behandlung des Themas Menschenrechte auf dem Pariser Klimagipfel 2015 zeigt beispielhaft auf, welche Kontroversen sich ergeben können. Kurz vor der Unterzeichnung des Abkommens, das die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad Celsius zum Ziel hat, verlangten die saudi-arabische, die US-amerikanische und die norwegische Delegation die Entfernung der Menschenrechte und der Gleichstellung der Geschlechter aus dem operativen Teil des Abkommens. Nach Angaben von Human Rights Watch verpflichtete ein früherer Entwurf die Unterzeichnerstaaten zum Respekt von Menschenrechten und Gleichstellung der Geschlechter als Teil der Maßnahmen gegen den Klimawandel. Während sich nur drei Länder ausdrücklich gegen die Einbeziehung der Menschenrechte in Artikel 2 aussprachen, bezogen andere Länder gemäß Human Rights Watch – wenn auch nicht öffentlich – eine ähnliche Position. Der schließlich erreichte Kompromiss sieht vor, die umstrittenen Absätze lediglich in der Präambel festzuhalten. Sie ist allerdings nicht Teil des völkerrechtlich bindenden Vertrags.4
Kritiker eines menschenrechtsbasierten Ansatzes betonen, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels als Menschenrechtsverletzungen im rechtlichen Sinn nur schwer dokumentieren lassen: So können bereits die komplexen Beziehungen zwischen Treibhausgasemissionen mit einzelnen Klimaeffekten kaum kausal nachgewiesen werden. Als noch schwieriger erweist es sich, direkte oder indirekte Zusammenhänge mit Menschenrechtsverletzungen eindeutig herzustellen. Deswegen ist es kaum möglich, im rechtlichen Sinne eine eindeutige Schuldzuweisung vorzunehmen und auf dieser Grundlage Staaten zu Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten oder Haftungsansprüche geltend zu machen.5 Insgesamt gilt aber, dass Klimaveränderungen bestehende Menschenrechtsverletzungen noch verschärfen, und dies betrifft besonders die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte.6
Moralisches und ethisches Gegengewicht
Fast alle Staaten haben die Verträge über bürgerliche und politische Menschenrechte und über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte ratifiziert und vielfach auch in nationales Recht überführt. Damit verpflichten sie sich, sämtliche universellen Menschenrechte zu respektieren, zu erfüllen, zu schützen und zu fördern. Dazu gehört auch die Verpflichtung, vorhersehbare Schäden zu verhindern – einschließlich derer, die durch den Klimawandel verursacht werden. Menschenrechtsverpflichtungen erfordern sowohl Einzelmaßnahmen von Regierungen als auch koordinierte internationale Zusammenarbeit. Allerdings bedeutet die Ratifizierung von Menschenrechtsabkommen durch einen Staat lediglich, dass sich dieser verpflichtet, die Menschenrechte in Bezug auf seine Staatsbürger und -bürgerinnen zu respektieren, indem die nationale Gesetzgebung in Konformität zu bestehenden Menschenrechtsabkommen gesetzt wird.7 In der Folge verläuft die Rechtsprechung in vertikaler Richtung: Jeder Staat ist nur für diejenigen verantwortlich, die sich unter seinem direkten Einfluss befinden. Die grenzüberschreitenden Folgen, die mit dem Klimawandel einhergehen, sind in diesem Regime nicht vorgesehen.8
Auch bei den 17 Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 steht der Menschenrechtsschutz mit im Mittelpunkt. Die Industriestaaten werden verstärkt in die Verantwortung genommen. In der Agenda 2030 sind Menschenrechte als Querschnittthema etabliert. Zu Beginn der Verhandlungen über die Ziele für nachhaltige Entwicklung, oder „Sustainable Development Goals“ (SDG), war lange umstritten, ob dort Maßnahmen gegen den Klimawandel überhaupt berücksichtigt werden sollten. In Bezug auf das Ziel 139 „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“ und die zugehörigen Unterziele bedeutet dies, die Folgen des Klimawandels für die betroffenen Menschen verstärkt zu thematisieren. Besonders verwundbare Gruppen rücken dabei ins Zentrum und auch den Industriestaaten obliegt eine große Verantwortung bei der Umsetzung ihrer jeweils nationalen Politik und Planung.10
Die Betrachtung des Klimawandels unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte verschiebt den Fokus von rein naturwissenschaftlichen Ansätzen hin zu den Folgen des Klimawandels auf spezifische Bevölkerungsgruppen. Menschenrechtsbasierte Ansätze humanisieren damit den Klimawandel und erweitern die Perspektive der Debatte um Klimagerechtigkeit, denn sie legen den Fokus auf diejenigen, die unter dem Klimawandel leiden werden. Damit wird ein klares moralisches und ethisches Gegengewicht zu Argumenten geschaffen, die vor allem auf ökonomischen Effizienzkriterien oder politischer Zweckmäßigkeit basieren.11
Mit der Anwendung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes werden mehrere zentrale Ziele erreicht. Auf individueller Ebene werden die Akteure und
Akteurinnen in die Verantwortung genommen, zukünftige menschliche Konsequenzen von Klimaverhandlungen mit zu bedenken. Auf der Makroebene liegt der Fokus auf jenen Staaten, in denen die größten Schäden zu erwarten sind. Sie sind am verwundbarsten, weil sie am wenigsten in der Lage sind, sich selbst gegen die durch den Klimawandel ausgelösten Bedrohungen zu wappnen. Beim menschenrechtsbasierten Ansatz rückt also die Frage der Verantwortlichkeit ins Zentrum. Dieser Ansatz kann dazu beitragen, dass die größten Emittenten von Treibhausgasen für die von ihnen verursachten Schäden zur Verantwortung gezogen werden.12
Verbindung von Ökologie, Entwicklung und Menschenrechten
Um gegen die Folgen des globalen Klimawandels anzukämpfen und die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Populationen zu schützen ist die Bedeutung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes in den Klimaabkommen nicht hoch genug einzuschätzen. Der Verweis auf Menschenrechte als universelle Rechte ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer globalen Regulierung, die insbesondere die Industriestaaten als Hauptemittenten in die Verantwortung nimmt. Der Brückenschlag zwischen Ökologie, Entwicklung und Menschenrechten wird zunehmend als unverzichtbar anerkannt für die Bekämpfung des Klimawandels und die Sicherstellung eines lebenswerten Planeten sowie für die Verteidigung, Ausweitung und Vertiefung der Menschenrechte.
1 IPCC: Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, 2014. http://ar5-syr.ipcc.ch/ipcc/ipcc/resources/pdf/IPCC_SynthesisReport.pdf (Januar 2017).
2 Brot für die Welt: Verbände: Vorgeschlagene EU-Klimaziele sind inakzeptabel, 19. März 2014. https://germanwatch.org/8343 (Januar 2017).
3 Rathgeber Theodor: Menschenrechte – Wegweiser im Kampf gegen den Klimawandel? Friedrich-Ebert-Stiftung, Oktober 2011. http://library.fes.de/pdf-files/iez/08520.pdf (Januar 2017).
4 Human Rights Watch: Human Rights in Climate Pact Under Fire, December 7, 2015. https://www.hrw.org/news/2015/12/07/ human-rights-climate-pact-under-fire (Januar 2017).
5 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.: Indigene und Menschenrechte. http://menschenrechte-durchsetzen.dgvn. de/themenschwerpunkte-menschenrechte/antidiskriminierung/ rechte-indigener-voelker/ (Januar 2017).
6 Rathgeber Theodor: Klimawandel verletzt Menschenrechte: Über die Voraussetzungen einer gerechten Klimapolitik. HeinrichBöll-Stiftung, 2009. https://www.boell.de/sites/default/files/ Klima-Menschenrechte-i.pdf (Januar 2017).
7 Felix Ekardt: Menschenrechte und Klimapolitik. Zur Vereinbarkeit des bisherigen nationalen, europäischen und internationalen Klimaschutzrechts mit den Schutzgrundrechten, 2010. http://www. sfv.de/pdf/Gutachten__Prof_Ekardt_Endfassungpdf.pdf (Januar 2017).
8 Schulze Teresa, Wang-Helmreich Hanna, Sterk Wolfgang: Menschenrechte im Klimawandel Anforderungen an die deutsche und internationale Klimapolitik, FIAN-Deutschland e.V., 2009. https:// www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/klima/ fian_menschenrechte_im_klimawandel_2009.pdf (Januar 2017).
9 United Nations: Sustainable Development Goals. http://www. un.org/sustainabledevelopment/climate-change-2/ (Januar 2017).
10 Ansuategi Alberto: The impact of climate change on the achievement of the post-2015 sustainable development goals, Mai 2015. http://www.gwp.org/Documents/Impact-of-climate-on-SDGstechnical-report-CDKN.pdf (Januar 2017).
11 Stillings Zackary: „Human Rights and the New Reality of Climate Change: Adaptation’s Limitations in Achieving Climate Justice.“ Michigan Journal of Human Rights vol 35, issue 3, 2014. http://repository.law.umich.edu/cgi/viewcontent. cgi?article=1066&context=mjil (Januar 2017).
12 Stillings Zackary: „Human Rights and the New Reality of Climate Change: Adaptation’s Limitations in Achieving Climate Justice.“ Michigan Journal of Human Rights vol 35, issue 3, 2014. http://repository.law.umich.edu/cgi/viewcontent. cgi?article=1066&context=mjil (Januar 2017).
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
