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forum_C: “There is only one war that matters: the great war… and it is here.” – Game of Thrones (S07) in der Kritik
Jetzt heißt es wieder warten: Vor einer Woche lief die letzte Folge der siebten Staffel der Erfolgsserie Game of Thrones, der Adaption der Romanreihe A Song of Ice and Fire von George R.R. Martin, die seit 2011 von den beiden Showrunnern David Benioff und D.B. Weiss für den amerikanischen Pay-TV-Sender HBO umgesetzt wird. Die Fans wissen natürlich, dass die Serie mit dieser vorletzten Staffel, bestehend aus sieben Episoden, auf die Zielgerade eingebogen ist, denn vermutlich 2019 wird das Intrigenspiel um die Vorherrschaft in Westeros in sechs weiteren Episoden (allerdings in Spielfilmlänge) seinen endgültigen Abschluss finden. Zeit für eine Nachbetrachtung der aktuellen Staffel.
(Mit Spoilern aus den Staffeln 1-7) Wie nicht anders zu erwarten, knüpfen die aktuellen Folgen unmittelbar an die Ereignisse der sechsten Staffel an, und führen von der ersten Episode (Dragonstone) an nach und nach alle handlungsrelevanten Charaktere, die bis dato mehr oder weniger getrennt voneinander agierten, (wieder) in Westeros zusammen, um sie, zusammen mit ihren jeweiligen Verbündeten, gegeneinander und gegen die äußere Bedrohung durch die Armee der White Walkers, aufzustellen. Ein Thron, drei starke Anwärter (Cersei Lannister, Daenerys Targaryen und Jon Snow), unaufhaltsam anrückende Eiszombies und feuerspeiende Drachen – den Verantwortlichen gelingt es also zunächst, die nach dem Mord an König Robert Baratheon (S01) in alle Richtungen des GoT-Universums ausfasernden (und nicht immer leicht zu überblickenden) Handlungsstränge in der siebten Staffel wieder zu bündeln, und auf die beiden wesentlichen Fragen zu reduzieren: Wer hat künftig in Westeros das Sagen, und wie besiegt man die White Walkers?

(c) Warner Bros. Television
Neben den langersehnten Begegnungen zwischen beliebten Showcharakteren wie Jon und Daenerys leben die aktuellen Folgen aber auch von – im Gegensatz zu früheren Staffeln – durchgängig ambitionierten Regieleistungen und der düstereren visuellen Gestaltung, die die Figuren, ihre Kostüme, Rüstungen und Festungen wieder in erdigen, dunklen Farben in Szene setzt. Einen unbestrittenen Höhepunkt bildet die Dothraki- und Drachenattacke auf den Beutezug der Lannister-Armee in der vierten Folge (The Spoils of War), in der GoT-Novize Matt Shakman alles auffährt, was bereits frühere ikonische Schlachtsequenzen wie jene in Blackwater (S02), Hardhome (S05) und Battle of the Bastards (S06) ausgezeichnet hat: Multiperspektivität, Gespür für Tempo und Choreographie, und eine Kameraarbeit, die die Zuschauer mitten ins Geschehen katapultiert (Making-Of) Die fünfte (Eastwatch) und sechste Episode (Beyond the Wall) zeichnen sich durch einige launige filmhistorische Referenzen aus, indem sie sieben Publikumslieblinge und Antihelden, darunter „The Hound“ und Tormund, in bester Magnificent Seven-Manier auf eine gefährliche Mission jenseits der Mauer schicken – auch wenn beide Folgen aufgrund ihrer (selbst für eine Fantasyserie) gedehnten Interpretation der Raum- und Zeitverhältnisse gemischt aufgenommen wurden. Einen versöhnlichen Abschluss stellt dagegen die 80-minütige (!) siebte Episode (The Dragon and the Wolf) dar, die wieder die Balance zwischen Aktion und Charakterentwicklung findet, und vor allem Cersei in zwei Dialogszenen mit ihren Brüdern Tyrion und Jaime die nötige Bühne für ihre gefürchtete Unberechenbarkeit bietet.
Neben diesen positiven Aspekten gibt es aber auch Kritik zu üben: Zwar sind die Figurenzeichnungen und schauspielerischen Leistungen – allen voran Lena Headey (Cersei), Peter Dinklage (Tyrion) und Maisie Williams (Arya Stark), die hier undurchschaubarer denn je erscheint – wieder konstant auf sehr hohem Niveau, andere Figuren aber, wie etwa Melisandre, Sansa Stark und Petyr Baelish haben deutlich an Präsenz und Bedeutung verloren, und wirken teilweise wie reine Stichwortgeber. Auch die groß angekündigte Chaosfigur Euron Greyjoy, der optisch inzwischen wie ein Goth-Pirat aussieht, liefert interessante Ansätze, erhält aber bis auf einen ziemlich irren Auftritt in der zweiten Folge (Stormborn) noch wenig Raum zum Glänzen.
Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass das (eigentlich lobenswerte) Vorhaben der GoT-Macher, die Serie in dreizehn Episoden auserzählen zu wollen, nur bedingt aufgeht. Die reduzierte Laufzeit macht sich deutlich bemerkbar, denn viele Ereignisse wirken hastig abgehakt. Die Serie hangelt sich so von einem Höhepunkt zum nächsten und nimmt sich weniger als üblich die Zeit, die Einsätze, die für die unterschiedlichen Parteien auf dem Spiel stehen, zu verhandeln – das Resultat sind teils vorhersehbare und kalkulierte Wendungen, wie etwa die Annäherung zwischen Jon und Daenerys oder die Tatsache, dass der Drache Viserion für ein ausgeglicheneres Kräfteverhältnis schließlich im Lager der White Walkers endet und im Staffelfinale die schützende Mauer zerstört um den Invasoren aus dem Eis den Weg nach Westeros zu ebnen.
Das ist zwar freilich Kritik auf hohem Niveau, aber dennoch bedauerlich, da das Erfolgsrezept der Serie GoT – neben dem exzessiven Einsatz von Nacktheit und Gewalt – eben zum großen Teil auf ihrer Unvorhersehbarkeit beruhte. Basierend auf den Romanen von Martin entwarfen Benioff und Weiss eine komplexe und anarchische, zugegebenermaßen oft auch krude Fantasy-Mittelalterwelt mit überraschender Tiefe, wohldosierten phantastischen Elementen, nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten – und ambivalenten, überaus präzise gezeichneten Charakteren, die ihre politischen Ambitionen und Agenden in geradezu shakespeareschen Intrigen ummünzten. Da oft auch Nebenfiguren großen Einfluss auf die Handlung nehmen konnten (man denke an Walder Frey und die Rote Hochzeit, oder die Meuterei, die Alliser Thorne in der Nachtwache gegen Jon Snow anzettelt) war für überraschende, elektrisierende Wendungen gesorgt.
Haben früher die Charaktere die Handlung durch ihre Motive und Entscheidungen vorangetrieben, so scheinen sie sich heute eher dem Diktat der Handlung zu beugen. Völlig überraschend kommt diese Entwicklung allerdings nicht: Seit zwei Staffeln hat die Serie die Romanvorlagen überholt – Weiss und Benioff müssen die Handlungen also ohne Martins komplexe Buchvorlagen weiterspinnen, auch wenn Letzterer weiterhin als Berater fungiert. Zudem kommt auch das Konzept, in den sozialen Netzwerken und IMDB-Foren die Reaktionen der Zuschauer bis ins Detail zu analysieren um daraus deren Erwartungen abzuleiten (sei es um sie zu bestätigen oder zu unterlaufen), nach mehreren Staffeln schlichtweg an seine Grenzen. Schließlich dürfte auch der weltweite, kaum noch nachvollziehbare Hype und Akzeptanz der Serie weit über die Publikumsgrenzen des Fantasygenres hinweg dazu beigetragen haben, dass die Macher inzwischen weniger Experimente wagen – und die siebte Staffel im direkten Vergleich zu den Vorgängerstaffeln etwas konventioneller ausfiel. Aber wie gesagt: Das ist Kritik auf hohem Niveau.

(c) Warner Bros. Television
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