- Kino
forum_C: „Mission: Impossible – Fallout“ von Christopher McQuarrie ★★★☆☆
Hammer und Skalpel
(Yves Steichen) In der zweiten Hälfte von Mission: Impossible – Fallout, kurz bevor Regisseur Christopher McQuarrie das (erzählerische) Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrückt und seinen Agententhriller in eines der irrsten Finales dieses Kinojahres schickt, lässt er seinen IMF-Boss Alan Hunley (gespielt von Alec Baldwin) einen vieldeutigen Satz sagen: „I’m starting to see why you guys enjoy this so much.“ Zwar richtet er diese Aussage an die Feldagenten seiner Impossible Missions Force, Ethan Hunt (Tom Cruise), Benji Dunn (Simon Pegg) und Luther Stickell (Ving Rhames), die gerade wieder einmal erfolgreich einen Widersacher mit einer ihrer täuschend echt aussehenden Gesichtsmasken gefoppt haben, doch Hunley spricht damit implizit auch zu den Zuschauern, die sich seit nunmehr 22 Jahren (der erste Teil entstand 1996 unter der Regie von Brian de Palma) an den immer waghalsigeren Stunt- und Einbruchssequenzen der Franchise erfreuen, und ihr so regelmäßig hohe Box-Office-Resultate bescheren.
(c) Paramount Pictures
Eng verknüpft mit dem anhaltenden Erfolg der Reihe ist aber auch die Besetzung der Hauptrolle mit Tom Cruise. Der inzwischen 56jährige ist nicht nur (einmal mehr) in beeindruckender körperlicher Frische und Form, und sich nicht zu schade, die teils größenwahnsinnigen Stuntsequenzen selbst zu drehen und so die Messlatte für seine filmischen Kontrahenten einigermaßen hoch zu platzieren (was bei M:I Fallout aber leider nicht so gut ausging, denn Cruise brach sich während einer Verfolgungsjagd über den Dächern von London das Fußgelenk, so dass die Produktion mehrere Wochen pausieren musste; die Szene ist zum Teil im fertigen Film zu sehen). Daneben hat es Cruise aber auch geschafft, sich erfolgreich zwischen mindestens so etablierten Konkurrenten wie James Bond und Jason Bourne zu positionieren. Sein Ethan Hunt ist zwar auch ein nimmermüder und quasi-unkaputtbarer Tausendsassa, der aus dem Stand heraus jedes noch so komplizierte motorisierte Gefährt bedienen kann, doch er ist eben auch weniger zynisch und menschenverachtend, ergo: mitfühlender als seine Agentenpendants. M:I Fallout ist der sechste Teil der Franchise und wird von der internationalen Presse über alle Maßen gelobt – zurecht?
Autor/Regisseur Christopher McQuarrie, der schon beim Vorgänger M:I Rogue Nation (2015) Regie führte, legt M:I Fallout als direktes Sequel zu diesem an. Ohne unnötig Zeit verlieren zu wollen, katapultiert McQuarrie das Publikum in eine Geschichte hinein, die (auch das hat Tradition bei den Mission: Impossible-Filmen) ebenso dünn wie konfus ist:
Per Band, das sich auf schön altmodische Weise nach dem Abspielen in Rauch auflöst, erhält Ethan Hunt seinen neuen Auftrag: Eine terroristische Gruppe namens „die Apostel“ möchte auf dem Schwarzmarkt drei Plutonium-Kapseln kaufen, um mit schmutzigen Bomben eine humanitäre Katastrophe auszulösen – „There cannot be peace without first a great suffering“, so ihr Leitspruch. Hunt soll das Plutonium in Berlin sicherstellen, scheitert jedoch, weil ihm das Überleben seines Teams wichtiger ist. Fortan entbrennt ein Wettrennen um die atomaren Kapseln, das von Paris über London bis in die Kaschmirregion führt – und auch die MI6-Agentin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) und Widersacher Solomon Lane (mit herrlich fieser Stimme und Mimik: Sean Harris), beide aus dem Vorgängerfilm M:I Rogue Nation, mit einschließt. Erzürnt über den Verlust der Plutonium-Kapseln und Hunts Entscheidung, den Schutz seiner Männer der Vollendung des Auftrags vorzuziehen, setzt CIA-Chefin Sloan (Angela Bassett) den IMF-Agenten zusätzlich einen eher undiplomatischen Aufpasser vor die Nase: CIA-Agent Walker (Superman-Darsteller Henry Cavill), der allerdings ebenfalls sein eigenes Spiel treibt…
(c) Paramount Pictures
Täuschungen und Verwirrspiele, Verschwörungen und wackelige Allianzen – was die Grundmotive von M:I Fallout anbelangt, bewegt sich McQuarrie sehr nahe an seinem Vorgängerfilm. Doch im direkten Gegensatz zu M:I Rogue Nation, der noch etwas Leichtes und Eskapistisches hatte und das Publikum mit langen, minutiös konstruierten Spannungssequenzen unterhalten wollte, kommt der aktuelle Teil über die stolze Dauer von 148 Minuten erstaunlich ernst und rückwärtsgewandt daher: Im Zentrum der Erzählung stehen dieses Mal Hunt und seine Vergangenheit, sowie sein (vergeblicher) Wunsch nach einem Ausstieg aus den gefährlichen Machenschaften der Geheimdienste.
Wie im letzten Bond-Film Spectre (Sam Mendes, ebenfalls 2015) möchte M:I Fallout also die Brücke zu den früheren Teilen der Franchise schlagen und deren Handlungselemente bzw. Figuren in die eigene Erzählung mit einbinden. Diese ohnehin schwierige selbstreferenzielle Herangehensweise, die bereits in Spectre zu kuriosen Verknüpfungen zwischen den einzelnen Geschichten führte, geht auch in M:I Fallout nur bedingt auf – vor allem, weil sie dem Geschehen eine Dramatik und Schwere verleihen möchte, die sich mit den brachialen over the top-Actionszenen, welche mit zunehmender Filmdauer die Gesetze der Physik offenbar neu interpretieren wollen, beißt. Zugegeben: Das, was McQuarrie und Cruise (als Mitproduzent) an Actionsequenzen (ein HALO-Sprung über bzw. eine Motorradjagd durch Paris, mehrere Hubschrauberabstürze, harte Mann gegen Mann-Kämpfe…) auf die Zuschauer loslassen, ist atemberaubend – auch deshalb, weil sie sich im Gegensatz zu vielen aktuellen CGI-Gewittern größtenteils echt anfühlen. Nichtsdestotrotz hinterlässt M:I Fallout einen erzählerisch seltsam unausgegorenen Eindruck, der auch noch dadurch unterstützt wird, dass einige für die Geschichte zentrale Figuren entweder viel zu vage (Ilsa Faust) oder zu transparent (CIA-Agent Walker) angelegt sind, um die vielen Wendungen irgendwann noch nachvollziehbar zu gestalten.
(c) Paramount Pictures
Abschließend bleibt (und das nicht ohne eine gewisse Ironie) auch festzustellen, dass die Mission: Impossible-Reihe, die bis dato das Kunststück vollbrachte, die „Formel“ der Bond-Filme am treffendsten zu imitieren und sich gleichzeitig, mit Filmen, die eben nicht zwischen Traditionsbewusstsein und Erneuerungsdrang feststecken, als deren moderneres und frischeres Gegengewicht zu positionieren, sich mit M:I Fallout ihrem Vorbild deutlicher angenähert hat als möglicherweise gewollt. Denn wie auch Spectre behandelt M:I Fallout etwa wieder das Thema rivalisierender Geheimdienste und bestätigt die Existenzberechtigung von Feldagenten, die zwar regelmäßig Trümmerfelder hinterlassen, aber letztlich, allen Diskussionen zum Trotz, immer noch unabdingbar für die globale Sicherheit sind. Man darf daher gespannt sein, in welche Richtung sich die Franchise im unvermeidbaren nächsten Teil weiterentwickeln wird.
Von manchen Schwächen abgesehen bietet M:I Fallout mehr als solide Kinounterhaltung über zweieinhalb Stunden, mit druckvollen Actionszenen, einem hochspannenden Finale – und der Möglichkeit, Tom Cruise auf vertraute Weise bei all den Aktivitäten zu beobachten, die er am liebsten macht: laufen, Motorrad fahren und freiklettern.
Aktuell im Kino.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
