Über die Aktualität von Folter
„Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt“ (Jean Améry)
Der Artikel 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“
Artikel 5 beinhaltet neben dem sogenannten „Folterverbot“ ein Verbot jeglicher Form von „grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“. Damit sind zum einen z.B. willkürliche Verhaftungen und grausame Haftbedingungen gemeint. Zum anderen wird im Rückgriff auf Artikel 3 („Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“) die Todesstrafe als unmenschliche Strafe geächtet.
Als Folter bezeichnet man jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich großer körperlicher oder seelischer Schaden zugefügt wird. Folter wird eingesetzt, um ein Geständnis zu erzwingen, als Bestrafung für eine mutmaßlich begangene Tat oder zwecks Einschüchterung und Nötigung. Man spricht dann von Folter, wenn die Gewalt durch offizielle staatliche Stellen bzw. mit deren Duldung oder stillschweigendem Einverständnis zugefügt wird. In letzterem Fall ist es sehr schwierig, eine Regierung wegen Folter anzuklagen. Gleiches gilt für die sogenannte „Weiße Folter“. Unter weißer Folter versteht man Foltermethoden, die in ihrer Anwendung und ihrer unmittelbaren Wirkung schwer belegbar und nachweisbar sind, es entstehen keine sichtbaren Spuren. Die Psyche und im Zusammenhang mit der Psyche der Körper wird jedoch dauerhaft geschädigt oder gar zerstört. Weit verbreitete Formen der Weißen Folter sind Schlafentzug, Reizentzug bzw. Reizüberflutung, Scheinhinrichtungen oder auch das sogenannte „Waterboarding“, bei dem ein Zustand des Ertrinkens und Erstickens simuliert wird. Waterboarding wurde vom CIA in der Folge der Anschläge vom 11.September 2001 häufig bei Terrorverdächtigen im Gefangenenlager Guantanamo angewandt, um Geständnisse zu erpressen.
ACAT (Actions des Chrétiens pour l’Abolition de la Torture) stellt Artikel 5 ins Zentrum seiner Arbeit für die Menschenrechte. Das politische Engagement von ACAT kennt dabei eine christliche Motivation: In jedem Menschen, der Unrecht erleidet, gequält und hingerichtet wird, erkennen sie den gemarterten gekreuzigten Jesus. Die Spiritualität findet ihren politischen Ausdruck im Engagement für die Menschen der Gegenwart, deren Menschenwürde mit Füssen getreten wird.
Die traurige Aktualität der Folter
Im Rahmen ihrer Anti-Folterkampagne „Stop Torture“ wies Amnesty International 2014 daraufhin, dass „in den vergangenen 5 Jahren aus 141 Ländern der Erde glaubwürdige Berichte über Folter und Misshandlungen zu verzeichnen sind. Teils handelt es sich um Einzelfälle, in manchen Ländern ist Folter alltäglich und ein verbreitetes Mittel der Polizei, Geständnisse zu erpressen. In diesem Zusammenhang war die Rechtfertigung von Folter durch die USA im ‚Krieg gegen den Terror’ ein negatives Vorbild für die Weltgemeinschaft.“
In der letzten Zeit gibt es beunruhigende Nachrichten, die zeigen, wie Folter zunehmend „salonfähig“ wird.
Gina Haspel ist seit März 2018 Chefin des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA. Haspel hat mutmaßlich das erste Geheimgefängnis außerhalb der USA in Thailand geleitet und war nachweislich an der Folterung von zwei Terrorverdächtigen beteiligt. Sie wurde von Donald Trump zur CIA Chefin ernannt, der Folter nach eigenen Angaben durchaus sinnvoll findet. Bei einer Anhörung im Senat sprach sich die designierte CIA Chefin gegen Folter aus.
Jair Bolsonaro ging am 17. Juni 2018 in Brasilien als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervor. Im Oktober 2018 sagte er in einer Ansprache vor Anhängern: „Ich bin für Folter. Und das Volk ist auch dafür.“ Bolsonora verhöhnt die Opfer der Militärdiktatur. Die Machthaber von damals sind seine Helden. Sein Kommentar zu den Schergen der Militärdiktatur: „Der Fehler der Diktatur war, nur zu foltern und nicht zu töten.“ (Juni 2016 gegenüber der Jovem Pan Radio-Station)
Jamal Khashoggi, regimekritischer saudischer Journalist, betrat am 2. Oktober 2018 die saudische Botschaft in Istanbul und ist seither verschwunden. Türkische Quellen sprechen von Folter und Enthauptung. Präsident Erdogan inszeniert sich als Verteidiger von Menschenrechten; vergessen sind die besorgniserregenden Berichte über Misshandlung und Folter in türkischen Gefängnissen nach dem Putschversuch Juli 2016, die die Türkei stets zurückgewiesen hat. Die USA tun sich schwer mit der Kritik an Saudiarabien, weil sie genau wie namhafte Industrielle aus der EU geschäftliche Einbußen fürchten.
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