Kleine luxemburgische Literaturgeschichte
Georges Hausemer, capybarabooks 2018
1989 brachte der junge Schriftsteller Georges Hausemer (1957-2018) einen Roman unter dem Titel Kleines luxemburgisches Sittenbild heraus. Das Büchlein, in rund 200 kurze Kapitel unterteilt, wurde nicht gelesen. Warum auch? Der Autor war damals nur ein paar Eingeweihten bekannt. 30 Jahre später und wenige Wochen nach Georges Hausemers Tod erschien im Herbst 2018 eine Kleine luxemburgische Literaturgeschichte als Aktualisierung des Romans von 1989. Der alte Text diente dem mittlerweile anerkannten Literaten noch einmal als Rahmen, um aktuelle Beobachtungen zu luxemburgischen Autoren, Verlegern und Lesern zu veröffentlichen.
Das Buch wurde von der Presse als scharfsinnige Abrechnung mit dem luxemburgischen Literaturbetrieb gepriesen – was zur Befürchtung Anlass gibt, dass es erneut nicht gelesen wird. Denn der hiesige Literaturbetrieb ist keineswegs so interessant, dass man sich wirklich mit ihm beschäftigen müsste, und was Georges Hausemer etwa von Guy Rewenig gehalten hat, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Auch das Experiment, einen Text aus den 80er Jahren durch einige Requisiten (etwa Handys) der heutigen Zeit anzupassen, konnte eigentlich nur schief gehen – und tatsächlich wirken viele der amourösen und professionellen Situationen, in der sich die Hauptperson wiederfindet, leicht windschief, wie aus der Zeit gefallen. Doch genau das macht am Ende den Charme aus: Die Brüche, die das Buch kontinuierlich durchziehen und die eigentlich nur Zeitgenossen von Hausemer durchschauen können, erlauben eine doppelte, versetzte Lektüre. Schließlich versteht man, warum der Autor gerade diesen vergessenen Text noch einmal auflegen wollte: Es ist der herrlich schnell geschriebene Roman eines jungen Menschen, entstanden zu einer Zeit, in der alles möglich und unsicher erschien, in dem sich der Autor am Ende seines Weges noch einmal spiegelt.
Steinberg
von Cornel Meder, Selbstverlag 2018
Eine Spiegelung nutzt auch Cornel Meder (1938-2018), um von sich selber zu sprechen. Im letzten Band seiner „Meringer Trilogie“ – davor erschienen die etwas „enigmatischen“ Reisiger (2007) und Ronconi (2015) – erlaubt sich der ehemalige Pädagoge, Direktor des Staatsarchivs und Herausgeber der Galerie eine umfassende Darstellung seines Lebensweges. Es ist die „Welt von gestern“, das katholische, provinzielle Luxemburg seiner Jugend in den 40, 50 und 60er Jahren, der Aufbruch in der sozial-liberalen Schul- und Kulturwelt der 70er, 80er, schließlich die Ernüchterung der 90er und 2000er Jahre, die in Steinberg für den Leser wiederauferstehen. In nüchternen, lakonischen Worten, mit einem gerüttelt Maß an Ironie und Schalk lässt Meder die Verhältnisse und Einflüsse, die ihn und seine Generation geprägt haben, Revue passieren. All das wirkt heute unendlich weit entfernt – soweit, dass der Leser sich unwillkürlich fragt, ob seine Welt, wie die Historiker uns glauben lassen wollen, tatsächlich aus dieser längst verschollenen Zeit hervorgegangen ist. Meder nimmt dabei nicht viel Rücksicht auf sich selber und gibt viel von seinem Innenleben preis, und doch durchzieht das Buch auch eine gewisse Zurückhaltung, wenn es um sein eigenes Gefühlsleben geht (und jenes seiner Nächsten).
Der stilistische Trick, den autobiographischen Text als Gespräch zwischen der Hauptperson Steinberg (aka Cornel Meder) und seinem Sohn (dem vorgestellten Autor des Buches) erscheinen zu lassen, schafft eine scheinbare Distanz und eine Sprache, die an W.G. Sebald erinnert und dessen Erzählstruktur in Austerlitz oder Die Ausgewanderten. Zum Schluss gibt Cornel Meder die Distanz jedoch unvermittelt auf, schreibt in Ich-Form und endet mit dem Wort Amen.
JST
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