„There’s nothing in the world more powerful than a good story“
Zur finalen Staffel (S08) von Game of Thrones (mit Spoilern)
Der folgende Text ist eine gekürzte Fassung. Die vollständige Kritik erscheint in der Juni-Ausgabe des Forum.
(Yves Steichen) King’s Landing und seine Einwohner: Asche. Der „Eiserne Thron“: Ein glimmender Haufen geschmolzenes Metall. Die mächtigen Herrscherfamilien der Sieben Königreiche von Westeros: Dezimiert bis auf einige wenige Überlebende. Königin Daenerys Targaryen (Emilia Clarke): Erdolcht von ihrem Liebhaber, Jon Snow (Kit Harington), nachdem sie dem Wahnsinn verfallen war.

(c) HBO
Die Jahre des anhaltenden Kriegszustandes seit dem Tod von König Robert in der ersten Staffel von Game of Thrones (2011) haben tiefgreifende Spuren und Veränderungen auf dem Kontinent hinterlassen – und doch endet die letzte Folge der Erfolgsserie, die den treffenden Titel The Iron Throne trägt, mit einem dezenten Hoffnungsschimmer. Nach all dem Blutvergießen, den Intrigen und Machtkämpfen einigen sich die verbleibenden Machthaber*innen gemeinsam auf einen König. Die Wahl fällt, auch für die Zuschauer durchaus überraschend, auf den letzten männlichen Nachfahren der Stark-Dynastie, Bran (Isaac Hempstead Wright), der nach einem absichtlich herbeigeführten Fenstersturz durch Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) in der ersten Folge der Serie behindert ist und sich seitdem zu einer Art allwissendem Medium entwickelt hat. „There’s nothing in the world more powerful than a good story. [And] who has a better story than ‚Bran the Broken‘? The boy who fell from a high tower and lived“, beginnt der weise Tyrion Lannister (Peter Dinklage) sein Plädoyer für die Einführung neuer politisch-gesellschaftlicher Strukturen in Westeros, die man mit etwas gutem Willen als eine Vorform neuzeitlicher Demokratie(n) begreifen kann.
Ergo: Ende gut, alles gut? Mitnichten, denn obwohl in der Fantasy-Mittelalterwelt von Game of Thrones (vorläufig) Frieden eingekehrt ist und der Thron, um den sich acht Jahre lang alles drehte, nur noch eine metaphorische bzw. historische Bedeutung hat, gingen Fans und Kritiker in den letzten Wochen hart mit der Serie ins Gericht. Eine „gute Story“ konnten sie in den letzten sechs Episoden nämlich nicht mehr erkennen. Zu kurz, zu gehetzt, zu inkohärent, zu klischeehaft– die Liste der Vorwürfe, die sich in erster Linie an die beiden Showrunner und Autoren David Benioff und D.B. Weiss, richten, ließe sich mühelos fortsetzen. Die Enttäuschung und Wut der Fans kanalisierten sich nicht nur in den Foren und Bewertungen der IMDB, sondern auch in einer (nicht ganz ernstgemeinten aber dennoch Aufsehen erregenden) Online-Petition, die einen vollständigen Neudreh der achten Staffel „mit kompetenten Autoren“ einforderte, und mittlerweile über 1.5 Millionen (!) Mal unterzeichnet wurde.

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So kontrovers Game of Thrones ob seiner expliziten und wenig zimperlichen Darstellung von Gewalt, Sexualität und Inzest mitunter rezipiert und diskutiert wurde, konnte sich die Serie doch stets auf eine überaus treue Fangemeinde verlassen, die gnädig über erzählerische Mängel und unlogische Wendungen hinwegsah, und in den sozialen Netzwerken eifrig über den weiteren Verlauf spekulierte. Was ist also passiert? Wieso haben die Verantwortlichen just auf der Zielgeraden in solchem Maß die Unterstützung ihrer Anhänger verloren?
Eine Beschäftigung mit den Reaktionen auf diese finale Staffel von Game of Thrones sollte mit einer grundlegenden Unterscheidung beginnen, nämlich zwischen gefühlter Enttäuschung im Hinblick auf Charakter- und Storyentwicklung, und tatsächlichen handwerklichen Schwächen in der Erzählung und filmischen Umsetzung. Der weltweite Hype der Serie und ihr Identifikationspotenzial weit über die Publikumsgrenzen des Fantasygenres hinweg sind in eine Erwartungshaltung gemündet, die kaum noch zu erfüllen war. Welchen Ausweg auch immer Benioff und Weiss aus ihrem eigenen Handlungsgeflecht gewählt hätten, sie wären bestenfalls einem Teil der Erwartungen gerecht geworden. Im Gegensatz zu Filmproduktionen, bei denen das Ende im Prinzip von vorneherein feststeht, haben TV-Serien den Luxus, über die Dauer von mehreren sukzessive gedrehten Staffeln unterschiedliche Erzählvarianten und -stränge auszuloten, ihr Publikum mit falschen Pisten und vagen Handlungsverläufen gleichzeitig in die Irre zu leiten und doch bei der Stange zu halten, und sich erst spät für ein bestimmtes Szenario entscheiden zu müssen. Diese erzählerische Freiheit ist aber nicht immer von Vorteil, und von Seinfeld (1989-1998) über Lost (2004-2010) bis hin zu How I Met Your Mother (2005-2014) ist die Liste der Serien lang, die ihre Fangemeinde im Schlussakt durch vermeintlich unbefriedigende Auflösungen enttäuscht haben – Game of Thrones befindet sich diesbezüglich also in guter Gesellschaft.

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Eine Fessel haben sich Benioff und Weiss aber selbst angelegt: Die nach der sechsten Season getroffene Entscheidung, die Serie in lediglich zwei weiteren, vergleichsweise kurzen Staffeln auserzählen zu wollen. Dieses grundsätzlich lobenswerte Vorhaben erwies sich hier aber mutmaßlich als Fehlgriff, da sie den Machern den Weg in eine geordnete Auflösung der unzähligen losen Handlungsstränge aus den früheren Staffeln abschnitt; so wurden bspw. weder Brans komplexe seherische Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Kontrolle anderer Wesen noch die „Valonqar“-Prophezeiung um Königin Cersei (Lena Heady) wieder wirklich aufgegriffen.
Benioff und Weiss mussten sich in der achten Season aus Mangel an erzählerischem Freiraum folglich auf ein überschaubares und dazu nur mäßig interessantes Figurengeflecht (Jon – Daenerys – Tyrion/Varys) fokussieren, um das Ringen um den Thron zu einem Abschluss zu bringen. Das Resultat: Voraussehbare „Nummer-sicher-“Wendungen und vernachlässigte Charaktere, die nicht viel mehr als reine Stichwortgeber waren.
In groben Zügen lässt sich die Erzählung der achten Staffel in zwei Hälften einteilen. Während die ersten drei Episoden (Winterfell, A Knight of the Seven Kingdoms und The Long Night) sich mit den Vorbereitungen auf sowie mit der großen, als allesentscheidend angepriesenen Endzeitschlacht zwischen Lebenden und Toten, zwischen Menschen und „White Walkers“, beschäftigen, erzählen die folgenden drei Episoden (The Last of the Starks, The Bells und The Iron Throne) vom Auseinanderdriften dieser Anti-Eiszombie-Koalition und Daenerys‘ schrittweisem Verfall in Paranoia und Wahnsinn, der schließlich in der vieldiskutierten Zerstörung von King’s Landing sowie ihrer Inthronisierung gipfelt. Diese per se interessante Volte hätte möglicherweise funktioniert, wenn sie genügend erzählerischen Raum gehabt hätte, um sich anzukündigen und zu entfalten – so aber wirken sowohl Daenerys‘ abrupter Sinneswandel als auch die anhaltende Blauäugigkeit ihres Liebhabers (Jon) bzw. ihrer Berater (Tyrion, Varys) unglaubwürdig und forciert.
Zwar fahren die Macher in den Episoden The Long Night und The Bells wieder die inzwischen zum Markenzeichen gewordenen imposanten Materialschlachten auf, doch auch diese vermögen es nicht, den Eindruck erzählerischer Unausgewogenheit zu retten – im Gegenteil, sie potenzieren ihn sogar. Während frühere Schlachtsequenzen in Game of Thrones ob ihrer Multiperspektivität und clever in die Kampfhandlungen integrierten Charaktere ihr Publikum mitreißen konnten, muten die beiden großen Schlachten in den Episoden Drei und Fünf, ihrer ganzen technischen Perfektion zum Trotz, seelenlos, beliebig und repetitiv an.

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Und dafür gibt es viele Gründe:
Neben narrativen Inkohärenzen und Regelbrüchen (mal gelingt es, mittels einer Artilleriearmbrust binnen weniger Sekunden gleich mehrere präzise Treffer gegen einen fliegenden Drachen zu setzen, mal sind dieselben Waffen völlig wirkungslos) liegt das vor allem auch an der Entwicklung der Charaktere, die dieses Mal nicht einer gewissen Gleichgültigkeit entbehrt. Wer in einer Schlacht gerade was macht, wer gegen wen kämpft, was auf dem Spiel steht – all dies geht unter in einem donnernden Effektgewitter, das zwar im Hinblick auf Kostüme, Make-Up und Set-Design herausragend ist, aber mehr als einmal in einen völlig enttäuschenden Ausgang mündet. Groß angekündigte Figuren wie Harry Strickland und seine „Golden Company“ oder jahrelang aufgebaute Widersacher wie der „Nightking“, Anführer der „White Walkers“, werden dabei halbherzig ins Aus gekegelt, ohne dass ihre Motivationen oder Präsenz für den Handlungsverlauf entscheidend gewesen wären – ein Zustand, der sich gut mit dem englischen Begriff Underwhelming beschreiben ließe
Den vollständigen Text lesen Sie in der Juni-Ausgabe des Forum.
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