Ich spiele Theater, drehe Filme und schreibe Texte. In freien Momenten setze ich mich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander und möchte Fragen stellen. Gerade stellt sich für mich die Frage nach Freiräumen und wo es diese in einer Stadt wie Luxemburg geben könnte. Freiräume sind Lebensräume, sind Orte der Kommunikation, der Begegnung und des Austausches zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedener Gesinnung, kurz und gut: Es sind Orte für ALLE.

In einer Stadt, die geprägt ist von gläsernen Fassaden, teuren Designerläden und schicken Restaurants, die um die Mittagszeit übervölkert werden von Scharen dunkler Anzugträger, wächst das Bedürfnis, einen Ort lebendig werden lassen, der zum Aufhalten einlädt, an dem Menschen gerne verweilen, sich erholen, austauschen können und den sich nicht nur ein Teil der Gesellschaft leisten kann. Wo es nicht darum geht, in Luxemburg zu ARBEITEN, sondern zu LEBEN.

Ein Gedankenspiel: Stellt euch einen mit Platanen bewachsenen Platz mitten in der Stadt vor, mit einem schönen, sacht vor sich hin plätschernden Brunnen. Ältere Männer und Frauen sitzen im Schatten der Bäume auf Bänken, unterhalten sich und beobachten die kleinen und größeren Kinder, die herumtoben, Rad fahren oder auf dem Schoß der Geschwister sitzen und Eis essen. Erwachsene stehen herum, spielen Boule, trinken Feierabend-Getränke, Jugendliche lehnen schwatzend an den Platanen oder lassen ihre Roller aufheulen. Um den Platz herum Cafés und Bars, aber auch ein selbst verwalteter Kiosk, an dem Getränke zum Einkaufspreis angeboten werden. Es herrscht eine (aus)gelassene Stimmung, in der sich Menschen querbeet durch alle Generationen hindurch begegnen. Ein Gemeinschaftsplatz für alle.

Und weiter geträumt für unsere Stadt: Wo wäre dieser Platz? Und was passiert z. B. mit einem Gebäude, das lange Zeit ein Ort der Begegnung, des Denkens, für das Gemeinwohl war: der alten Nationalbibliothek? Wäre es nicht der Überlegung wert, solch einen Ort (oder auch die alte Post) im Herzen von Luxemburg für die Gemeinschaft zu erhalten? Als Begegnungsstätte für alle, unabhängig vom Einkommen, als Ort des Austausches? Wo sich alteingesessene LuxemburgerInnen, Zugezogene, Flüchtlingsfamilien gleichermaßen aufhalten dürfen? Wo sich Lebensschnittstellen finden und Vertrauen gefördert werden kann? Mir ist bewusst, dass Kultur- und Vereinshäuser, mit perfekter Einrichtung und Ausstattung, sich bemühen, den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedürfnissen entgegenzukommen, aber ich spreche von einem von den BürgerInnen selbst gestalteten Raum. Einem Ort, an dem man sich und seine Ideen einbringen kann und jeder Mensch sich so, wie er ist, wohlfühlen darf. Ohne Wettkampf, Benotung, Druck und ohne Programm. Dabei geht es nicht primär darum, neuen Raum zu schaffen, sondern vorhandene Orte zu verändern oder neu zu denken.

Lasst uns von einer fiktiven unkommerziellen Begegnungsstätte sprechen, die ich hier „Liewegt Haus“ nennen möchte, und die zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten bietet: vom Repair- und Still-Café, über Vater-Kind-Gruppen, Eltern-, Paar- und Sexualberatung, Beat-Boxen für Jugendliche, bis hin zum Großeltern-Austausch, offenem Familien-Brunch (auch für das kleine Portemonnaie), einer Fahrrad-Werkstatt, einem Café (selbst verwaltet), einer Bar, die geführt wird nach dem Prinzip der „Weinerei“ in Berlin: Gib, was es dir wert ist. Möglicherweise wäre auch Platz für einen Upcycling- oder Secondhandladen und eine Galerie mit regionaler Handwerkskunst? Es könnten Vorträge gehalten und Workshops angeboten werden, Diskussionsabende stattfinden und Seminarräume zur Verfügung stehen.

Wir BürgerInnen brauchen einen solchen Ort. Es ist wichtig, ihn selbst aufzubauen, ideell wie praktisch-konkret. Ein Ort, der immer weiter wachsen und sich entwickeln kann und an dem Geld keine Rolle spielt. Ein Ort, an dem es eben nicht um neuwertige, kommerzielle Großkomplexe geht, sondern ganz allein um die Fragen: WIE wollen wir leben und WO fühlen wir uns als BürgerInnen einer Gemeinschaft wohl?

Konkrete Beispiele, die mich inspirieren und hoffen lassen, dass Freiräume nicht bloß Träume sind:
Basel: Unternehmen Mitte (https://mitte.ch/geschichte)

• Berlin: Das Haus (https://dashaus-kindheit.de/das-kinder-und-familienzentrum)

• Halle: Peißnitzhaus (https://www.peissnitzhaus.de)

• Freiburg: Denkraum (https://denkraum-freiburg.de)

• Essbare Städte: Andernach (https://www.andernach.de/de/leben_in_andernach/essbare_stadt.html)

• Berlin: Weinerei (https://www.deutscheweine.de/tourismus/berliner-weinszene/weinerei)

Für KünstlerInnen und deren Bedürfnisse – u. a. günstigen Proberaum anzumieten und sich interdisziplinär und künstlerisch frei sowie institutionsunabhängig austauschen zu können – möchte ich ein konkretes Beispiel anbringen: das Theaterhaus Mitte Berlin. Ein Ort, der aus künstlerischer Sicht in Luxemburg-Stadt, wenn auch in wesentlich kleinerer Dimension, notwendig wäre. Theaterhaus Mitte Berlin (https://www.theaterhaus-berlin.com)

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