- Klima, Natur, Politik
Resilienz und Empowerment in Zeiten starker Verunsicherung
Über Resilienzcafés
Die Menschheit hat heutzutage viele Probleme: Klimawandel, zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit und ihre sozialen Folgen, schwindende Artenvielfalt, politische Polarisierung und dann auch noch COVID-19.
Seit dem Beginn des Lockdowns konnten logischerweise keine öffentlichen Bürgerbeteiligungsaktivitäten stattfinden, der Kern der auf positiven Wandel ausgerichteten Transition-Bewegung. Kein (oder wenig) Leben in den Gemeinschaftsgärten, keine Diskussionsforen, keine Climate assemblies, keine Demos. Vieles war sozusagen über Nacht anders geworden, eine Art unbeabsichtigter Neustart. Zumindest gefühlt, denn ob sich dieser bewahrheitet, wird sich zeigen. Nun, in dieser eben etwas besonderen Zeit, wollten wir in der Transition-Bewegung die Chance nutzen, das Thema Resilienz zu vertiefen.
Das Konzept der Resilienz, das sich wie ein roter Faden durch die Transition town-Projekte zieht, ist plötzlich in aller Munde. Und das wohl mindestens aus zwei Gründen: Erstens scheint klar zu werden, dass der Zeitpunkt, eine wahrhaft nachhaltige Entwicklung zu planen, wie es der Club of Rome Anfang der 1970er Jahre dringlich empfohlen hat, verpasst wurde (siehe hierzu das forum-Heft Nr. 401 zum Thema Anthropozän). Somit braucht es zur Gestaltung der Zukunft neue Konzepte. Zweitens findet sich die Resilienz-Idee auf allen Ebenen wieder: Sie stammt ursprünglich aus der Ökosystemforschung, kommt aber auch in der Wirtschaft, Psychologie, Städteplanung usw. vor.
Der Frage nachzugehen, was denn Resilienz genau ist und was sich zu diesem Zeitpunkt damit anfangen lässt, ist Gegenstand der im April 2020 von CELL initiierten Resilienzcafés (Austauschworkshops mit kurzem Experteninput) und Talks (Konferenzen). Sie wurden als Online-Format ins Leben gerufen und werden wohl auch solange in dieser Form stattfinden, bis physische Treffen wieder barrierefrei möglich sind. In Zeiten der Verunsicherung, in denen sich Planbarkeit als Illusion erweist, wollte CELL den Menschen einen Raum für Austausch, disruptives Denken und zum Ausloten neuer Pfade bieten. Letztendlich geht es immer wieder um eine Sache: Empowerment. Um Zukunft gestalten zu können, brauchen wir alle Räume der Ermächtigung, Räume der kollektiven Visionsfindung und der Imagination. Wenn diese Räume nicht bewusst geschaffen werden, ist kein Platz für Neues. Und Neuland, Neustart, ein neues Wir scheinen zur Notwendigkeit geworden zu sein!
Im ersten Resilienzcafé der Reihe gab uns Dr. Katy Fox, Gründerin von CELL und Mycelium Design, eine Einführung in die verschiedenen Dimensionen der Resilienz. Während nach der herkömmlichen Definition Resilienz die Fähigkeit eines Systems ist, nach einem Schock zu seiner ursprünglichen Form zurückzukehren, ist es fraglich, ob dies angesichts neuester Erfahrungen eine gute Idee ist. Sollen Gesellschaften in ihren Zustand vor der Krise zurückkehren? Oder wäre Resilienz dann nicht eher als die Fähigkeit zu verstehen, Grenzen in Frage zu stellen und sich als Reaktion auf einen Schock weiterzuentwickeln, um die Situation der Zukunft zu verbessern? Es handelt sich insofern um einen Freiraum, den wir uns geben, große (u. a. gesellschaftliche) Veränderungen nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern auch zu planen.
Im zweiten Resilienzcafé konzentrierte sich die Ernährungssoziologin Dr. Rachel Reckinger von der Universität Luxemburg auf den Ernährungsaspekt der Resilienz. Die Fakten sind klar: Mit langen Lieferketten und einer Reihe von negativen Nebeneffekten aus sozialer und ökologischer Sicht ist Luxemburg von Selbstversorgung weit entfernt. Die Herausforderung besteht darin, die Produktion zu diversifizieren, Vertriebsnetze kurzzuschließen und gleichzeitig die regenerative Landwirtschaft zu fördern.
Es folgten drei Konferenzen (Talks) und ein Austauschcafé zum Thema Wirtschaft. Die Ausgangsfrage war demnach, ob das wachstumsgetriebene Wirtschaftssystem, das wir kennen, quasi als von Gott gegeben betrachtet werden sollte, oder ob es gestaltbar ist. Geht man davon aus, dass unser kapitalistisches Wirtschaftssystem auf Annahmen beruht, die angesichts der aktuellen weltweiten Schieflagen unhaltbar scheinen, müssen wir uns fragen, ob wir uns nicht für andere Wirtschaftsformen entscheiden könnten und sollten.
Ein weiterer Zyklus rund um das Thema Klima steht noch aus. Diskutiert werden Stand der Wissenschaft, Stand der Verhandlungen sowie neue Modelle eines systemischen Kurswechsels in Bezug auf Klima.
Last, but not least ist das weit gefasste Thema Resilienz ja nicht nur mit unserer Ratio ergründbar, sondern basiert auch auf einem inneren Prozess, insbesondere in Krisenzeiten. Deswegen bietet sich auch die Gelegenheit, innere Wege der Resilienz auszuloten, oder mit der Figur des querdenkenden Clowns die Grenzen des Denkens zu sprengen, jene Grenzen im Kopf, die uns womöglich so manche Krise eingebrockt haben.
Weitere Infos zum Thema und Programm finden Sie auf www.cell.lu. Vorschläge und Fragen sind willkommen an resiliencecafe@cell.lu
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