31 Vorschläge für eine Politik der Resilienz (Reaktion auf Vorschlag 17: Samuel Baum)

Vorschlag 17 der forum-Redaktion: Die Einkommensunterschiede zwischen den Gehältern in der Privatwirtschaft einerseits, im öffentlichen Dienst und im konventionierten Bereich andererseits müssen dringend reduziert werden. Für diesen zentralen Punkt gibt es so viele schmerzhafte und konfliktbehaftete Argumente, dass wir hier lieber nicht weiter darauf eingehen.

Reaktion 17 von Samuel Baum:

Die multiplen Ungleichheiten im öffentlichen und privaten Sektor sind in der Arbeitswelt keine neuartige Entwicklung. Dieses Ungleichgewicht, ob bei den Gehältern, der mangelnden Jobgarantie oder den inadäquaten Arbeitsverhältnissen, sind nicht naturwüchsig entstanden, sondern beruhen auf langjährigen politischen Entscheidungen. Es liegt gewissermaßen auf der Hand, dass die Coronakrise die Spannungen auf diesem Gebiet weiter anheizt. In Zeiten, in denen die Löhne stagnieren (viele Menschen aufgrund von Kurzarbeit sogar monatelang mit weniger Lohn auskommen mussten), die Lebens- und Mietkosten unaufhaltsam steigen und die Perspektiven auf Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor immer aussichtsloser werden, besteht die Gefahr, dass die Konkurrenz zwischen den beiden Sektoren weiter zunimmt.

Trotz schlechterer Arbeitsverhältnisse und niedriger Anfangsentlohnung fühlen sich vor allem hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen paradoxerweise oft zur Privatwirtschaft hingezogen. Dies zum einen, da sie sich steilere Karrieren mit weitaus höheren Löhnen erhoffen. Zum anderen aber auch, weil idealistische BerufseinsteigerInnen keine professionellen Aufstiegs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst erkennen, der immer häufiger dazu neigt, viele Aufgaben, die eigentlich von der öffentlichen Hand ausgeführt werden könnten, auszulagern. Die Folge ist, dass die ArbeitgeberInnen in der Privatwirtschaft keine Anstalten machen, die Löhne gerecht zu verteilen und an den öffentlichen Dienst anzupassen. Es entsteht das Gefühl einer Zweiklassengesellschaft innerhalb der Arbeitswelt, die für ein und dieselbe Gesellschaft Dienstleistungen erbringt. Wenn wir weiterhin in diese Richtung steuern, sind wir auf dem Holzweg.

Der zentrale Punkt besteht auf keinen Fall darin, die ArbeitnehmerInnen der Privatwirtschaft gegen die des öffentlichen Dienstes aufzuhetzen, zumal das wirkliche Ungerechtigkeitsproblem im überbordenden Kapital der happy few besteht, die nicht auf ein Gehalt angewiesen sind, sondern von ihrem Besitz leben können. Ebenso sinnlos wäre es, die Löhne im öffentlichen Dienst zu kürzen. Zum einen, da dies eine Abwärtsspirale in Gang setzen würde. Zum anderen, da der öffentliche Dienst als Messlatte und Druckmittel in puncto Arbeitsbedingungen und Gehälter dienen sollte. Fundierter ist die Idee einer gerechteren Umverteilung der Gehälter in allen Arbeitsbereichen. Für déi Lénk ist das klassische marxistische Modell, also der ökonomisch-materialistische Ansatz naheliegend, um die Aufwertung der Arbeit so objektiv wie möglich berechnen zu können. Folglich soll die Berechnung des Lohnes das Resultat zwischen Arbeit und Kapital widerspiegeln. Déi Lénk sind sich bewusst, dass ein Gleichgewicht nur hergestellt werden kann, wenn an mehreren Stellschrauben gleichzeitig gedreht wird. Dies betrifft einerseits die Löhne, aber auch die Besteuerung derselben und die Attraktivität am Arbeitsplatz im Allgemeinen.

Um eine gerechtere Umverteilung innerhalb der Betriebe zu erreichen, müssen die Löhne sowohl unten als auch oben angepasst werden. So könnte die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns parallel mit einem Gehaltsdeckel einhergehen. Demzufolge könnte man für die Privatwirtschaft erwägen, das Maximalgehalt höchstens achtfach so hoch anzusetzen wie das betriebliche Mindestgehalt. Laut STATEC befindet sich der Mindestlohn aktuell unter der Gehaltsgrenze, die es einem Menschen erlaubt, in Luxemburg würdevoll leben zu können. Eine Erhöhung des Mindestlohnes würde nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen steigern, sondern hätte auch einen direkten Einfluss auf alle Löhne, welche nur knapp daran angrenzen. Neben den (Brutto-)Gehältern hat auch die Höhe des Steuersatzes einen großen Einfluss auf das Nettoeinkommen, also das Geld, das den ArbeitnehmerInnen zur Verfügung steht. Déi Lénk sind seit jeher der Auffassung, dass die Menschen mit niedrigen und mittleren Löhnen spürbar entlastet werden müssen und die GroßverdienerInnen das entstandene Loch ausgleichen sollen. Das Steuersystem ist ein Instrument, um die bestehenden Ungleichheiten wortwörtlich zu „steuern“ und eine gerechtere Umverteilung in Gang zu setzen. Wir werden uns auf jeden Fall weiterhin an die Seite der ArbeitnehmerInnen stellen und für ihre Rechte eintreten und sind der Meinung, dass die Lösung der ungerechten Löhne nicht bei den kleinen BeamtInnen oder ArbeiterInnen liegt, sondern bei den ausgewählten happy few.

 

Samuel Baum hat ein Bachelorstudium in Sozialwissenschaften an der Universität Luxemburg absolviert. Er arbeitet als Sozialarbeiter im Wohnungsamt der Gemeinde Esch/Alzette und ist seit zwei Jahren aktives Mitglied bei déi Lénk.

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