Liebe Freund*innen!
Es ist allseits bekannt: Bei Glatteis greift man zum Salz und streut. Da wartet man nicht ab, bis der Sommer kommt. Und wenn man krank ist, dann geht man zum Arzt oder braut sich zumindest einen schönen Tee auf. Niemand würde das Aktionismus nennen. Sowas heißt Weitsicht. Zu warten, dass das Eis von alleine schmilzt oder der Husten sich von selbst verflüchtigt, das wäre Attentismus.
Zum Warten ruft nun aber Michel Reckinger, Präsident der Union des entreprises luxembourgeoises (UEL), im Interview mit RTL auf, nachdem OGBL-Chefin Nora Back die Dringlichkeit einer Tripartite im Zeichen der Coronakrise angemahnt hatte. Wohin das Warten führt, sieht man international nun aber gerade in der Coronakrise immer wieder: nämlich zu hohen Inzidenzen, zu Impfstau und in die gnadenlose Ungewissheit. Der OGBL will nicht warten und sofort die Weichen stellen für ein sozial gerechtes Luxemburg nach Corona. Zu diesem „Elo“ passt, dass die Gewerkschaft vergangenen Samstag den 1. Mai nicht mehr als Familienfest in der Abtei Neumünster oder digital beging, sondern sich in den Straßen von Esch-sur-Alzette versammelte. John Castegnaro zitierend stellte Back in ihrer Rede zum 1. Mai klar: „Virun der Kris hu se eis net gefrot, fir d’Milliardegewënner ze verdeelen, da solle se eis och no der Kris net froen, fir d’Milliardendefiziter ze bezuelen.“ Back hob in ihrer Rede besonders die Notwendigkeit der Stärkung der Kaufkraft der unteren und mittleren Einkommensschichten und öffentlicher Investitionen hervor. Eine Stärkung des Gesundheits- und Pflegebereichs und ein Kampf gegen die Klimakrise unter Berücksichtigung der sozialen Frage (siehe auch unser Interview mit Back und LCGB-Chef Patrick Dury in forum 413, Januar 2021) müssten hohe Priorität haben. Im Übrigen betonte auch Dury in seiner – allerdings digital verbreiteten – Rede zum 1. Mai die Unumgänglichkeit einer längst überfälligen Tripartite. Letztendlich also kein Wunder, dass Michel Reckinger auf Zeit spielt. Die Diskussionen über den sozialen Ausgleich werden kein gemütliches Kaffeekränzchen.
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Beim Ausbau der luxemburgischen Konsum-Landschaft hingegen kann man dem Standort Luxemburg kaum Attentismus und Kaffeekränzchen-Atmosphäre vorwerfen. Hier wird geplant, gebaut und geklotzt, was das Zeug hält. Wohin das führt und wie es das Land verändert, das ist diesen Monat in unserem Dossier nachzulesen. Eins steht fest und es lässt sich im brillanten Beitrag von Markus Hesse nachvollziehen: Die Visionen der Investor*innen führen nicht dazu, eine der drängendsten Dauerbaustellen des Landes aufzulösen, nämlich die der Krise auf dem Wohnungsmarkt. Auch darauf haben die Gewerkschaften am 1. Mai aufmerksam gemacht.
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Es zählt das Jetzt. Bei der Coronakrise, bei der Klimakrise, bei der Wohnungskrise. Auch beim Informationszugangsgesetz. Siehe dazu unseren Mediensplitter. Denn: Was du heute kannst besorgen…
In diesem Sinne, hier und jetzt, einen guten Mai wünscht
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