Luxemburg-Belair, Mitte April: Marc Angels Katze ist verschwunden. Das ist bedauerlich. Für Marc Angel und für die Katze. Und der Katzenbesitzer tut, was in Deutschland oder Frankreich nie passieren würde: Der langjährige National-, nun Europaparlamentarier hängt in der Hauptstadt seines Landes Zettel an die Laternen – nicht nur mit seinem Namen und dem Bild des Tieres, sondern auch mit seiner privaten Handynummer.

Dass dies als Option überhaupt denkbar ist (aber wahrscheinlich nur Zugereiste erstaunen kann), verweist auf eine sehr luxemburgische Art des Verhältnisses zwischen Volk und Politik: Es ist charakterisiert durch Nähe und Ferne zugleich. Auf einer persönlichen Ebene kommen sich Bürger*innen und Politiker*innen hier im Lande sehr schnell sehr nah. Die Bürgermeisterin in der Stadt zu grüßen, ein paar Worte mit einem Minister im Restaurant zu wechseln oder mit dem Staatsminister an der Supermarktkasse zu plaudern – das ist alles möglich hier in Luxemburg und kommt im realen Leben vor. Facebook gaukelt dann schließlich die absolute Nähe und Vertrautheit vor: Corinne liegt ihrem sehr müden Hund zu Füßen und fährt Autoscooter mit Xavier, Martine zeigt sich verschwitzt nach ihrer Jogging-Tour und Frau Empain rodelt gern mit ihren Kindern. 

Fern aber bleiben den Bürger*innen und Journalist*innen noch immer viele wirklich wichtige Informationen, auf die man in unseren Nachbarländern einen gesetzlich geregelten Anspruch hat. Wir haben ihn nicht. Seit Jahren schon wird für ein Informationszugangsgesetz gekämpft, das Ministerien und Verwaltungen dazu verpflichten soll, journalistische Anfragen ohne Aufschub zu beantworten. Deswegen hat nun der luxemburgische Journalist*innenverband ALJP gemeinsam mit weiteren Organisationen gesagt: „Es reicht!“ Ihre Kampagne, letzten Monat gestartet, wird unter dem Titel „Informatiounszugang ELO“ das ganze Jahr weitergehen und soll sich für ein entsprechendes Gesetz stark machen. Denn momentan sieht es bei journalistischen Anfragen so aus: „Wir sind ein wenig vom guten Willen und der Tageslaune der Verwaltungen abhängig“, so Ines Kurschat, Präsidentin des ALJP, neulich im Tageblatt. Und genau das wiederum verweist auf eine andere sehr luxemburgische Tradition: die des Durchwurschtelns.

Ein bisschen Info hier, ein wenig Danke dort. Vielleicht ja, vielleicht nein. Mal schauen, was ich machen kann. Und: Mal schauen, ob du unsere Arbeit nicht schon mal kritisiert hast. Nein! Der Informationsfluss darf in einer Demokratie nicht von Sympathie, Tageslaune oder Willkür abhängig sein, sondern muss Regeln und Verfahren folgen. Damit alle Journalist*innen Zahlen, Daten und Informationen erhalten, die sie für die Corona-, Google-, Finanzplatz- oder Was-auch-immer-Berichterstattung brauchen, muss die Politik endlich handeln.

Luxemburg, Ende April: Marc Angels Katze ist zurück. Das ist schön. Jetzt brauchen wir nur noch ein vernünftiges Informationszugangsgesetz.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code