Die letzte koloniale Währung
Der afrikanische Franc CFA
In einem rezenten Interview1 beschreibt Minister Franz Fayot (LSAP) die Entwicklungszusammenarbeit als ein Ressort, bei dem man auf Anhieb sehe, was man bewegen könne. Gleichzeitig gibt er zu, vor der Frage zu stehen, ob und inwieweit das bilaterale Engagement überhaupt noch zu einem Mehrwert führt. Damit belegt er vortrefflich den Widerspruch der sogenannten Entwicklungshilfe: Die an vielen Orten geleistete Projekthilfe ist zweifellos ein Ausdruck empathischer Verbundenheit mit den Menschen im Globalen Süden, trägt aber wenig zur Bereinigung des strukturellen Ungleichgewichts zwischen Nord und Süd bei. Am Beispiel Westafrika wird im Folgenden aufgezeigt, dass zwar augenfällige entwicklungspolitische Überlegungen vor Ort existieren, sie jedoch kaum von Partnerländern ernst genommen werden.
Stichwort monetärer Kolonialismus: Bis zum heutigen Tag existiert in Westafrika die von Frankreich im Jahre 1945 gebildete Franc CFA-Zone. Vier der acht Mitgliedsländer (Burkina Faso, Mali, Niger, Senegal) sind Zielländer der Luxemburger Entwicklungszusammenarbeit. Daneben gibt es den zentralafrikanischen Franc CFA mit sechs Mitgliedsstaaten. Über viele Jahre an den französischen Franc gebunden, sind beide Währungen mit fixem Wechselkurs an den Euro gekoppelt und um etwa 20-30 % zu ihrer jeweiligen regionalen Wirtschaftskraft überbewertet. Weitere Eigenschaften der Währungsunion sind die Rücklage von sage und schreibe 50 % der Währungsreserven beim französischen Staat und die französische Einflussnahme in währungspolitischen Fragen. Da diese starke postkoloniale Präsenz dem französischen Präsidenten Macron dann doch zu pikant erschien, wurde bei dessen Besuch an der Elfenbeinküste Ende 2019 eine Reform vereinbart, die den Namen der westafrikanischen Variante in „Eco“ (an ‚Ecowas‘ angelehnt, Economic Community of West African States) umändert, jedoch die Hauptbestandteile der postkolonialen Währungsunion unberührt lässt: Vor allem die Euro-Parität bleibt unangetastet in einer Region, der besser gedient wäre mit einem entweder variablen oder aus einem Währungskorb gebildeten Wechselkurs der wichtigsten Handelspartner mit Euro, Dollar, Yuan und dem nigerianischen Naira. Böse Zungen behaupten, dass Macron mit dieser überraschenden Reform die lange verschleppte Währungsunion mit anglophonen Ländern der Region und besonders Nigeria verhindern wollte.
Aus historischer Perspektive haben Länder mit einem verspäteten, „nachholenden“ Entwicklungspfad – wie Deutschland zur Zeit des Zollvereins (in dem auch Luxemburg Mitglied war), Japan oder die ostasiatischen Tigerstaaten am Ende des 20. Jahrhunderts – sich eher an den Ideen des Wirtschaftstheoretikers Friedrich List als an der Freihandelstheorie von Adam Smith inspiriert und sich (jedenfalls zeitweise) durch Schutzzölle oder eine schwache Währung vom Weltmarkt abgeschottet, um die eigenen Produktivkräfte zu mobilisieren. Die gängige Entwicklungstheorie besagt, dass diese Aktivierung durch die Steigerung des Bruttosozialprodukts erreicht werden könne. Der vom senegalesischen Entwicklungsökonomen Ndongo Samba Sylla2 vertretene makroökonomische Ansatz besagt, dass, anstelle eines Umwegs über die Steigerung des Bruttosozialprodukts, afrikanische Länder alles in ihrer Macht Stehende tun sollten, um die häufig reichlich vorhandenen, jedoch selten wirkungsvoll eingesetzten Ressourcen, wie etwa Land, Arbeitskräfte und Rohstoffe, unmittelbar zu mobilisieren – und zwar, indem sie der Finanzierung durch die eigene Währung gegenüber der externen Finanzierung so weit wie möglich den Vorrang geben. Das setzt jedoch eine monetäre Souveränität voraus.
Es geht darum, den von Subsistenzwirtschaft und geringer Produktivität geprägten informellen Sektor zu mobilisieren, eine Art Schattenwirtschaft, die neben einem kleinen, modernen und meist urbanen, exportorientierten Sektor die aus der Kolonialzeit herrührende dualistische Struktur der Entwicklungsländer offenbart. Durch die überbewertete Franc CFA-Währung aber wird die Mobilisierung weiter Teile der Wirtschaft vereitelt – anstelle eines Exports wird sogar die Einfuhr von Agrarwaren stimuliert –, während die wenigen Ressourcen von urbanen und an westlichen Lebensstandards orientierten Eliten verkonsumiert werden. In der Tat stagniert das wirtschaftliche Wachstum beider CFA-Zonen unterhalb des afrikanischen Durchschnitts.
Es sei dahingestellt, wie aussichtsreich es in diesem Sinn erscheint, mäßigend auf Frankreich einzuwirken, das auch nach Jahrzehnten von „seiner Françafrique“ träumt, wie die kürzlich auf dem „Afrique-France“-Gipfel in Montpellier mit viel Pathos vorgetragenen Bekundungen bezeugen. Gerade das finanzorientierte Luxemburg aber, das sich im Ressort der Entwicklungszusammenarbeit der Förderung der Mikrofinanz und der inklusiven Finanz verschreibt, sollte geldpolitischen Reformbestrebungen Gehör schenken.
- Luxemburger Wort vom 28. Juni 2021.
- Co-Autor des Buches L’arme invisible de la Françafrique – Une histoire du Franc CFA, Paris,
La Découverte, 2018.
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