The Success and Failure of Right-Wing Populist Parties in the Benelux Countries
von Léonie de Jonge, Abingdon-on-Thames, Routledge, 2021, 226 S., £ 120,- (gebunden), £ 36,99 (elektronisch).
Allein der Preis lässt aufhorchen. Die unverbindlich vom Verlag empfohlenen 120 Pfund Sterling für 220 dichtbedruckte, mit Fußnoten und bibliographischen Referenzen gespickte Seiten sind wahrlich kein Pappenstiel. Aber Routledge ist ja auch nicht irgendein Papierhändler. Nein, das 1851 gegründete Traditionsunternehmen gilt als weltweit führendes akademisches Verlagshaus für Human- und Sozialwissenschaften.
Dass Léonie de Jonge als womöglich erste Luxemburgerin bei den Briten publizieren darf, dürfte belegen, dass die junge Politologin mittlerweile zu den gefragtesten Expertinnen auf dem Spezialgebiet Rechtspopulismus zählt. Ihr Buch über Erfolg und Scheitern rechtspopulistischer Parteien in den Benelux-Ländern basiert auf langjähriger Forschung in Cambridge, wo sie 2019 den PhD erwarb. Heute wirkt sie als Assistenz-Professorin für europäische Politik und Gesellschaft an der altehrwürdigen Reichsuniversität Groningen in den Niederlanden.
Sicher wendet sich das Werk nicht an ein Laienpublikum. Wer aber überdurchschnittlich politisch interessiert ist – spezialisiertes akademisches Rüstzeug ist keine Grundvoraussetzung –, wird es mit viel Erkenntnisgewinn lesen. Die Stärke des Buches liegt darin, dass es ein weithin brachliegendes Terrain bearbeitet. Denn obschon das Volumen der Fachpublikationen über rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien in Europa seit den 1980er Jahren industrielle Ausmaße angenommen hat, blieben die Benelux-Staaten lange eine Terra incognita.
Die Kernfrage, die Léonie de Jonge beschäftigt, ist folgende: Warum feiert der Rechtspopulismus in den Niederlanden und in Flandern seit geraumer Zeit große Erfolge, während er im französischsprachigen Wallonien und in Luxemburg bis heute eine Randerscheinung blieb? Die Frage scheint umso berechtigter, als diese vier geografischen Großräume auffallend viele historische, kulturelle und politische Gemeinsamkeiten teilen. Bei ihrer Suche nach wissenschaftlich plausiblen, stringent nachvollziehbaren Antworten verfährt die Autorin nach einem vorgefertigten Analyseschema, in dessen Mittelpunkt die ökonomischen Begriffe von Angebot und Nachfrage stehen: Welche Inhalte offerieren rechtspopulistische Bewegungen und Parteien? Wie gut sind sie organisiert, wie professionell kommunizieren sie, wie charismatisch sind ihre Anführer? Demgegenüber steht die Nachfrage: In welchem Maße sind die Bürger empfänglich für rechtspopulistisches Gedankengut (Nativismus, Nationalismus, Euroskepsis, Elitenkritik…)? Inwieweit sind ihre materiellen und identitären Bedürfnisse befriedigt? Wie begegnen sie ausländischen Nachbarn und Kollegen, wie artikulieren sie ihre Sorgen und Nöte, welche gesellschaftlichen Werte sind ihnen wichtig?
Diese Erstanalyse verfeinert die Autorin anhand zweier zusätzlicher Elemente: zum einen die etablierten Altparteien als Träger einer korporatistisch austarierten, aber müde gewordenen Konkordanzdemokratie (das für die Benelux-Länder so typische Dreigestirn aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen), zum anderen die journalistischen Standards verpflichteten Medien. Wie verhalten besagte Akteure sich gegenüber rechtspopulistischen Tendenzen? Greifen sie deren Themen auf, übernehmen sie deren Argumente, driften sie also ihrerseits nach rechts? Probieren sie vielleicht, den für solcherlei Versuchungen anfälligen Teil der Wählerschaft bei der Stange zu halten und dessen Ressentiments in geordnete Bahnen zu kanalisieren? Oder ziehen sie, im Gegenteil, mit vereinten Kräften einen Schutzwall hoch, indem sie jedwede Form der Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten kategorisch ausschließen bzw. deren Exponenten nur das kleinstmögliche mediale Echo und keinerlei Tribüne bieten wollen?
Was die Lage in Luxemburg betrifft, vertritt Léonie de Jonge eine äußerst nuancierte Position. Klar verortet sie die ADR dort, wo die Partei sich auch selbst sieht, nämlich auf der rechten, der konservativen Seite des politischen Spektrums. Allerdings, so die Politologin, fehlten der ADR zum Teil jene konstitutiven Ingredienzen, die sie zweifelsfrei als rechtspopulistisch qualifizieren würden. Irrig wäre hingegen die Annahme, Luxemburg sei für alle Zeiten gegen derlei Heimsuchungen immunisiert. Am Beispiel des krachend gescheiterten Referendums zum Ausländerwahlrecht 2015 sei nämlich eine bislang kaum für möglich gehaltene Entfremdung zwischen „Volk“ und „Eliten“ deutlich geworden.
Mutiert die ADR demnächst also doch noch zum „Trojanischen Pferd“, das den im Großherzogtum affichierten cordon sanitaire gegen Rechtspopulisten durchbrechen wird? Auffallend ist, dass Léonie de Jonge in ihrem akribisch recherchierten Buch sogar Joe Thein und seinen Petinger Karnevalclub Déi Konservativ nennt, zwei illustre Namen jedoch fehlen: Roy Reding und Jean-Claude Juncker. Dabei hatte gerade Letzterer 1994 im Zuge der infamen Valissenaffär dekretiert, von nun an gehöre die biedere Rentenpartei in die Schmuddelkinderecke, wo sie bitteschön für alle Zeiten verrotten solle.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
