„Fire is catching, and if we burn, you burn with us!“

Todesspiele im Kino, Teil 2: Gladiatoren der Zukunft

Neben Menschenjagden haben auch von der Antike inspirierte Circusspiele, wie Gladiatorenkämpfe (gegen Menschen oder Tiere) und Wagenrennen, einen festen Platz in der Filmgeschichte – vor allem im dystopischen Science-Fiction-Kino, das im Folgenden im Mittelpunkt stehen soll. Während Monumental- und Historienfilme wie Ben Hur (William Wyler, 1959), Spartacus (Stanley Kubrick, 1960) und Gladiator (Ridley Scott, 2000), um nur einige wenige zu nennen, zumindest vordergründig die Anstrengungen unternehmen, die gesellschaftspolitischen Praktiken des Römischen Reichs historisch mehr oder weniger akkurat auf die große Leinwand zu bannen (dabei aber auch erhebliche Zugeständnisse zugunsten dramaturgischer Konventionen machen müssen), übertragen Sci-Fi-Produktionen wie Rollerball (1975) oder die Hunger Games-Reihe (2012-15) die antiken Spiele in ein futuristisches Setting – für gewöhnlich, um autoritäre Machtstrukturen zu charakterisieren.

Death Race 2000 (c) New World Pictures

Von den historisch überlieferten panem et circenses (aus dem Lateinischen: Brot und Spiele, nach dem römischen Dichter und Satiriker Juvenal, 1. Jhd. n. Chr.) übernehmen sie dabei zunächst die Vorstellung, dass sich mittels öffentlich ausgetragener, möglichst voyeuristisch-brutaler und nicht selten tödlicher Wettkämpfe, die Gunst des Volkes gewinnen lässt.

Die filmischen Todesspiele erfüllen daneben aber auch noch weitere Funktionen. Im Nachgang einer zukünftigen, wie auch immer gearteten Katastrophe, z. B. eine Weltwirtschaftskrise, ein Krieg oder eine fehlgeschlagene Revolution, werden die Wettkämpfe von den neuen Machthaber:innen organisiert, um an die primitivsten Triebe ihrer nur rudimentär versorgten, unterdrückten Gefolgschaft zu appellieren, und diese so von ihren existenziellen Nöten und der dauerhaften Überwachung abzulenken. Als mediatisierte Massenspektakel – die Fernsehkameras sind in der Regel omnipräsent in den Kampfarenen und übertragen die Auseinandersetzungen in die Wohnzimmer oder als Public viewing auf öffentliche Leinwände – sollen sie die gemeinschaftliche Identifikation mit dem Regime fördern, und etwaige Freiheitstriebe bzw. aufgestaute Gewalt kanalisieren, um die bestehenden politischen Verhältnisse zu sichern. In Anlehnung an die tatsächlichen antiken Gladiatorenkämpfe fungieren sie somit auch in den filmischen Erzählungen als Mittel der politischen Kommunikation, als öffentliche (Theater)bühne, die der Staatsapparat für die Durchsetzung seines unbedingten Machtanspruchs gegenüber seinen Untertan:innen nutzen kann.

Schließlich findet sich in diesen dystopischen Sci-Fi-Erzählungen ein weiteres Moment wieder, das von der Historie inspiriert ist. Gleich dem (historisch überlieferten wie filmisch adaptierten) Aufstand, den der römische Sklave und Gladiator Spartacus in der Spätphase der Römischen Republik anzettelte, entwickelt sich auch in den filmischen Dystopien gemeinhin aus den Spielen heraus eine Widerstandsbewegung rund um eine messianische Erlöserfigur, die letzten Endes das gesamte System zu Fall bringen.

Globalisierungskrisen

Running Man (c) Braveworld Productions

Seit den 1970ern treten mediatisierte, futuristische Gladiatorenkämpfe vermehrt in Erscheinung – in etwa zeitgleich mit der definitiven Popularisierung des Fernsehens als Massenmedium und auffallend oft in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Krise.

Sowohl in der derben Actionsatire Death Race 2000 (Paul Bartel, 1975) als auch in dem zwölf Jahre später erschienenen Arnold Schwarzenegger-Vehikel The Running Man (Paul Michael Glaser, 1987) haben sich die Vereinigten Staaten der Zukunft nach einer globalen Wirtschaftskrise in ein totalitäres Regime verwandelt – in ersterem als faschistoid-religiöse Autokratie und im zweitgenannten als Polizeistaat. In beiden Filmen soll die Gesellschaft mit gewaltverherrlichenden Fernsehprogrammen gefügig gemacht werden.

❝… zahlreiche weitere Sci-Fi-Dystopien, die vorgeblich totalitäre Strukturen, moralische Abgründigkeit und mediale Dauerüberwachung anprangern, erliegen früher oder später der Verlockung, ebendiese Ausschweifungen möglichst drastisch abzubilden.❞

In Death Race 2000 ist dies die Übertragung des alljährlich vom Präsidenten persönlich organisierten Transcontinental Road Race, bei dem die illustre Fahrerschar, zu der u. a. Machine Gun Joe (Sylvester Stallone), Matilda The Hun (Roberta Collins) – mit einem Faible für die Ikonografie des Dritten Reichs –, sowie der Gladiator (!) Nero the Hero (Martin Kove) gehören, in ihren PS-starken, martialisch dekorierten Boliden nicht nur gegeneinander antreten, sondern auch Punkte dafür kassieren, dass sie unbescholtene Passant:innen möglichst brutal umfahren. Das Ziel: ihre eigenen aufgestauten Aggressionen und die des Publikums auszuleben; der Film inspirierte im Übrigen später die nicht weniger geschmacklose Videospielserie Carmageddon. Der unangefochtene Star dieses Autorennens zwischen New York und L.A. ist ein mysteriöser Fahrer namens „Frankenstein“, verkörpert von David Carradine (in Deutschland erschien der Film unter dem Titel Frankensteins Todesrennen), eine grotesk maskierte Kunstfigur, die als vermeintliche Marionette des Regimes an dem Rennen teilnimmt. Einer Widerstandsorganisation, angeführt von Thomasina Paine, einer fiktiven Nachfahrin des amerikanischen Unabhängigkeitsaktivisten Thomas Paine (1736-1809), gelingt es jedoch, die Mitstreiterin Annie (Simone Griffeth) als Frankensteins neue Kopilotin in das Todesrennen einzuschleusen, und dieses von innen heraus zu sabotieren; der Film endet damit, dass „Frankenstein“ den Präsidenten stürzt und selbst das höchste Amt der Vereinigten Staaten einnimmt (ja, wirklich).

Death Race 2000 (c) New World Pictures

Während Death Race 2000 allein aufgrund seiner Themen – die Lust an obsessiv zelebrierter Gewalt und eine religiös fundierte Herrschaft vor dem Hintergrund einer Versorgungskrise –, die in den 1970ern noch einen gewissen Aktualitätsbezug hatten, zumindest in der Theorie einige Ansätze für kritische Diskussionen böte, verhindert die zynische und exploitative Zurschaustellung von Gewalt allerdings eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sujet. Bartels Film ist in dieser Hinsicht in guter Gesellschaft, denn auch zahlreiche weitere Sci-Fi-Dystopien, die vorgeblich totalitäre Strukturen, moralische Abgründigkeit und mediale Dauerüberwachung anprangern, erliegen früher oder später der Verlockung, ebendiese Ausschweifungen möglichst drastisch abzubilden.

Bei The Running Man ist das nicht anders. Sehr lose basierend auf einem Roman (1982) von Richard Bachmann alias Stephen King, dreht sich hier alles um die titelgebende Fernsehshow, in der verurteilte Kriminelle entweder durch eine Spielzone gehetzt werden, oder in neongrellen Kampfarenen gegen teils mitunter bewaffnete Mörder wie „Subzero” (Charles Kalani, Jr.) und „Captain Freedom” (Jesse Ventura), die nicht von ungefähr an WWE-Wrestler erinnern, antreten müssen. Als sich der Polizist und Helikopterpilot Ben Richards (Arnold Schwarzenegger) während einer Protestaktion weigert, auf harmlose Zivilisten zu schießen, wird er kurzerhand festgenommen und mittels Bildmanipulationen der Gehorsamsverweigerung angeklagt. Nach einem Gefängnisausbruch, der aber nur von kurzer Dauer ist, werden Richards und seine Mitstreiter (u. a. Yaphet Kotto) von Moderator Killian (Richard Dawson) gezwungen, an der Spielshow teilzunehmen. Im Laufe der Sendung avanciert Richards, der den meisten Kämpfern körperlich überlegen ist, zum Star der Show. Er schließt sich einer geheimen Widerstandsgruppe an, die eine erfolgreiche Revolte gegen den Moderator, seine Show und den Polizeiapparat in Gang setzen.

Zwar persifliert The Running Man in einigen Momenten durchaus die tief verwurzelte Begeisterung der US-Gesellschaft für gewalttätiges, skandalträchtiges Reality-TV und Wrestling, und prangert Möglichkeiten des medialen Machtmissbrauchs an, die auch heute nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben. Auf der anderen Seite unterliegt der Film, der in Schwarzeneggers kommerzieller Blütezeit entstanden ist, aber den Zwängen seiner Zeit: die wenigen kritischen Aspekte müssen stets nach allerkürzester Zeit dem nächsten zynischen Oneliner weichen.

Rollerball (c) United Artists

Etwas reflektierter begegnete Regisseur Norman Jewison 1975 dem Gefahrenpotential der Globalisierung: in dem Sci-Fi-Sportdrama Rollerball, das im Jahr 2018 angesiedelt ist, haben Konglomerate von Wirtschaftskonzernen, die für Energie, Ernährung, das Transportwesen, etc. zuständig sind, die Nationalstaaten abgelöst. Konflikte unter diesen Konzernen werden nicht mehr in kriegerischen Auseinandersetzungen gelöst, sondern mittels einer brutalen Sportart namens „Rollerball“ – einer Mischung aus Motorradrennen, Rollerskates, Hockey und Football – die in einer zirkulären Arena (mit Reminiszenzen an die römischen Wagenrennen) ausgetragen wird. Ziel des Spiels, bei dem jeweils zwei Mannschaften unterschiedlicher Konzerne gegeneinander antreten, eine schwere Metallkugel in einem Trichter zu versenken. Regeln gibt es so gut wie keine, (fast) alles ist erlaubt, auch brachialste Gewalt – der barbarische Sport dient allein dazu, die Gelüste der Massen zu befriedigen, Wünsche nach mehr Individualität und Selbstbestimmung zu unterdrücken, und Aufstände zu verhindern.

Was dem Konzernchef Bartholomew so gar nicht passt: Spieler Jonathan (James Caan) ist seit Jahren Teil des Houstoner Teams und wird als gesellschaftliche Ikone gefeiert. Er legt Jonathan den Rücktritt nahe – doch dieser weigert sich. Als Konsequenz werden die ohnehin laxen Regeln des Rollerball-Spiels quasi völlig abgeschafft, mit dem Ziel, Jonathan und seine Mitstreiter in bzw. durch die Wettkämpfe zu töten. Doch Jonathan überlebt auch das letzte Todesmatch, und der Film endet mit einer gespenstigen, vieldeutigen Sequenz, in der die Menge seinen Namen skandiert. Regisseur Norman Jewison nahm in Rollerball die wirtschaftlichen Auswüchse und Machtkonzentrationen der Globalisierung bereits vorweg, die heute, in der Realität, dafür verantwortlich zeichnen, dass wirtschaftspolitische Interessen, insbesondere in der Technologiebranche, gar nicht mehr auf der Ebene nationalstaatlicher Kooperationen verhandelt werden, sondern sich diesem Rahmen immer stärker entziehen.

Catching Fire

The Hunger Games: Catching Fire (c) Lionsgate

Die vierteilige filmische Adaptation der dystopischen Romanreihe The Hunger Games (2008-10, verfilmt von Gary Ross: The Hunger Games, 2012 und Francis Lawrence: Catching Fire, 2013, Mockingjay – Part I, 2014 sowie Mockingjay – Part II, 2015) stellt gewissermaßen ein Best-of bisheriger filmischer Gladiatorenspiele dar.

Die US-Autorin Suzanne Collins siedelt ihre Romane in der Nation Panem an, in der alljährlich 24 jugendliche „Tribute“ aus den zwölf Distrikten in die Hauptstadt Capitol entsandt werden, um dort in einem mediatisierten martialischen Spektakel, den sogenannten „Hungerspielen“, gegeneinander zu kämpfen, bis es nur eine:n Gewinner:in gibt; diese:r muss fortan lebenslang im Dienste des Regimes stehen, um für dieses zu werben. Bei der Etablierung dieses literarischen Kosmos stellt Collins unübersehbare Bezüge zum Römischen Reich her: Angefangen bei den „Tributen“ genannten Kämpfer:innen, über die Ausbildungsstätten, die an antike Gladiatorenschulen erinnern, Propagandabauten, die dem römischen Kolosseum entlehnt sind, Streitwagen, die zur Präsentation der Tribute genutzt werden, bis hin zu den Vornamen der dekadent-privilegierten Oberschicht von Panem, die auf antiken Persönlichkeiten beruhen (u.a. Caesar Flickerman, Seneca Crane, Plutarch Heavensbee).

❝… die Präsenz einer eigenwilligen Heldin im Zentrum der Geschichte, kalt und verletzlich zugleich, die erst nach und nach in ihre Rolle als Heilsbringerin hineinfinden muss, die ihr eigentlich gar nicht zusagt, ist eine willkommene Abwechslung zur männerdominierten Sphäre der filmischen Gladiatorenkämpfe.❞

Die titelgebenden Hungerspiele sind eine Bestrafung, die der unerbittliche Staatsapparat von Präsident Coriolanus Snow (Donald Sutherland) der neu gegründeten Nation Panem nach einer missglückten Revolution auferlegt hat. Rekrutiert werden die Tribute per Zufallslosung aus den Reihen der Bevölkerung der verschiedenen Distrikte, die, entsprechend ihrer Nummerierung, graduell ärmer sind.

Im Zentrum der Handlung steht die 16-jährige Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) aus Distrikt 12, die sich für eine freiwillige Teilnahme an den Hungerspielen entscheidet, nachdem zuvor ihre jüngere Schwester Primrose (Willow Shields) per Zufallsprinzip auserkoren wurde; als männlicher Kandidat aus Distrikt 12, eigentlich ein Bergbau-Distrikt, partizipiert der Bäckersjunge Peeta Mellark (Josh Hutcherson). Beide Tribute werden von einem früheren Gewinner der Spiele, Haymitch Abernathy (Woody Harrelson), und seinem Team (u. a. Elizabeth Banks und Lenny Kravitz) in Erscheinungs- sowie PR-Fragen gecoacht, um dem allgegenwärtigen staatlichen Überwachungsapparat à la 1984 die passenden Bilder zu liefern, die sie möglichst publikumswirksam in Szene setzen und so ihre Siegchancen erhöhen. Katniss und Peeta wird geraten, eine öffentliche Liebesbeziehung zu beginnen – eine Entscheidung, die vor allem in Katniss‘ Gefühlswelt einiges durcheinanderwirbelt.

The Hunger Games: Catching Fire (c) Lionsgate

Zur Überraschung aller, auch des autokratischen Präsidenten, entwickelt sich die versierte Bogenschützin Katniss trotz (oder gerade wegen) ihrer ungeschliffenen Art zu einem Publikumsliebling. Die eigentlichen Hungerspiele, ein barbarischer Gladiatorenkampf in einer weitläufigen Waldarena, in die die Spielmacher jederzeit eingreifen können, meistert die Außenseiterin Katniss schließlich mit einer Mischung aus Bravado, Raffinesse, Integrität – und öffentlich zur Schau gestelltem Trotz gegenüber den Organisatoren und den mit heiligem Ernst vorgetragenen Regeln der Hungerspiele. Ihr Erkennungszeichen, der Ruf des „Mockingjays“ (dt. Spotttölpel, ein Fantasievogel), entfacht ein Revolutionsfeuer in Panem; Katniss selbst avanciert schließlich ungewollt zur Gallionsfigur einer im Geheimen operierenden Widerstandsgruppe, die sie für ihre Belange einspannt und propagandistisch in Szene setzt. „Fire is catching, and if we burn, you burn with us!“, ruft Katniss Präsident Snow per inszenierter Videobotschaft zu, bevor sie und ihre Mitstreiter:innen sich daran machen, ihn zu Fall zu bringen.

Obwohl die Hunger Games-Romane und -Filme viele Versatzstücker früherer Dystopien aufgreifen und neu arrangieren, so muss man Collins (und den Filmemachern) doch zugutehalten, dass sie sich bemüht haben, der Thematik um öffentlich ausgetragene Gladiatorenspiele einige Ambivalenzen abzuringen. So werden Katniss (bzw. Peeta) nicht etwa nur von Snows Machtapparat minutiös vorgeführt und zur Manipulation der Massen eingesetzt, sondern auch von den Guten, also der Widerstandsbewegung um Gegenpräsidentin Alma Coin (Julianne Moore), die ihrerseits auch nur deswegen auf Katniss als Identifikationsfigur zurückgreift, weil sie bereits über einen medialen Bekanntheitsgrad verfügt, der sich instrumentalisiert lässt. Auch die Präsenz einer eigenwilligen Heldin im Zentrum der Geschichte, kalt und verletzlich zugleich, die erst nach und nach in ihre Rolle als Heilsbringerin hineinfinden muss, die ihr eigentlich gar nicht zusagt, ist eine willkommene Abwechslung zur männerdominierten Sphäre der filmischen Gladiatorenkämpfe.

Todestänze

Battle Royale (c) Battle Royale Production

Manchmal finden die filmischen Todesspiele aber auch abseits der Fernsehkameras statt bzw. es wird nur das Endresultat der Öffentlichkeit mitgeteilt – der Überlebenskampf findet als filmischer Todestanz in der Sphäre des Individuums statt.

In Kinji Fuchskusus kontroversem Survivaldrama Battle Royale (jap. Batoru Rowaiaru, 2000), mittlerweile zum Kultfilm deklariert, erlebt das Japan der nahen Zukunft seine größte Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Weitverbreitete Arbeitslosigkeit hat das Land in eine Apathie gezwungen, die sich auch auf die Heranwachsenden überträgt. Als Reaktion auf marodierende Schüler:innen, und zwecks künftiger Abschreckung, hat die Regierung ein Gesetz erlassen, dass sie dazu befähigt, jedes Jahr eine besonders aufmüpfige Schulklasse auf einer isolierten Insel auszusetzen, wo die Jugendlichen mit unterschiedlichen Waffen (die von der Gartenschere bis zur Schnellfeuerwaffe reichen) so lange aufeinander losegehen müssen, bis nur noch eine:r überlebt, der oder die den Medien dann als Sieger:in präsentiert wird. Die Parallelen zu den unterhaltsameren Hunger Games mögen offensichtlich erscheinen, Autorin Collins hat aber immer wieder darauf beharrt, die japanische Produktion zuvor nicht gekannt zu haben.

Battle Royale (c) Battle Royale Production

Fuchskusus Thriller ist eine böse, satirische Auseinandersetzung mit den rigiden Gesellschaftsstrukturen und dem Leistungsdruck Japans (der vor allem auf den Kindern lastet), der seinerzeit sogar Debatten im japanischen Parlament auslöste – und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass hier Minderjährige mit Waffen aufeinander losgingen. Die Wirtschaft am Boden, die Pädagogik überfordert, die Politik ratlos, das unsichtbare Band, das die Gesellschaft eint und strukturiert: zerschnitten, der kaum verhohlene Fingerzeig auf die gesellschaftliche Akzeptanz Japans für mediatisierte Gewalt – all dies rüttelte, dem futuristischen Kontext zum Trotz, heftig am japanischen Selbstverständnis.

Der letzte hier besprochene Film entspricht eigentlich keinen der zuvor genannten Kriterien: er verfügt weder über ein dystopisches Setting, noch überträgt er seinen sportlichen Wettkampf in die breite Öffentlichkeit.

They Shoot Horses, Don’t They? (c) ABC Pictures

In Sydney Pollacks Gesellschaftsdrama They Shoot Horses, Don’t They? von 1969 ist der „Todestanz“ wörtlich zu nehmen, und auch hier impliziert er das Individuum auf fast schon archaische Weise. Angesiedelt in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise von 1929, in der Zeit der Großen Depression, erzählt der Film die Geschichte eines Marathontanzturniers, bei dem die von Existenznot und Perspektivlosigkeit geplagten Teilnehmer:innen (u.a. Jane Fonda, Michael Sarrazin, Bruce Dern, Red Buttons) in Erwartung eines Preisgeldes wochenlang bis zum Tod tanzen. Aufgeben oder Weitermachen, Niederlage oder Sieg, sind auch hier Ausdruck einer erbarmungslosen, auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft, die letztlich nur Verlierer hervorbringt – ein filmisches Todesspiel im Verborgenen, das gleichzeitig näher als alle anderen hier genannten Filme an der Realität gebaut ist.

Todesspiele im Kino, Teil 1: Menschenjagden

The Most Dangerous Game DR

 

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