Léif alleguer!
Es hätte ihr großer Tag werden sollen; es wurde aber „nur“ ein großer Tag für die Sache. Carole Dieschbourg (déi gréng) war bereits zurückgetreten, als die fünf Gesetzesentwürfe zur Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft am 27. April in der Chamber mit unterschiedlichen Mehrheiten angenommen wurden. Wie wegweisend dieses Paket sein würde, merkte man schon an der harschen Kritik, die es in der Entwurfsphase begleitete. Dass es über EU-Vorgaben hinausgehe, war davon nur eine, die erst recht bewies, wie ernst es der Ministerin in dieser Sache war. Wie nachhaltig, unbequem und deshalb effektiv dieses Paket unseren alltäglichen Umgang mit dem Müll verändern wird, werden wir in den kommenden Jahren sehen, wenn die Vorgaben Schritt für Schritt verbindlich werden. Man hätte es Dieschbourg, die so hart für die Gesetze gekämpft hatte, gegönnt, diesen Tag als Ministerin zu erleben. So musste sie die Abstimmung von der Seitenbank verfolgen.
Zugegeben, Sportvergleiche in Sachen Politik nerven. Aber die vielen Wechsel auf Ministeriumsebene, die wir seit Beginn der Bettel-II-Legislatur erleben, sind zahlreicher als bei einem durchschnittlichen Länderspiel. Vor dem Wechsel von Carole Dieschbourg zu Joëlle Welfring stand im Januar dieses Jahres der große Austausch bei der LSAP an: Georges Engel übernahm den Sport und die Arbeit von Dan Kersch, Claude Haagen folgte auf Romain Schneider als Minister für Landwirtschaft und soziale Sicherheit. Am selben Tag übernahm für die DP Yuriko Backes das Finanzministerium von Pierre Gramegna. Im Juli 2020, also noch vor der Halbzeit, hatte François Bausch Platz für Henri Kox (beide déi gréng) im Ministerium für innere Sicherheit gemacht, und fünf Monate zuvor übergab Etienne Schneider die Wirtschaftsstaffel an seinen LSAP-Kollegen Franz Fayot, der zeitgleich auch Paulette Lenerts Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit übernahm, die wiederum vom selben Tag an das Gesundheitsministerium für die Sozialist*innen verantwortete, das zuvor bei Etienne Schneider lag. Nur vier Monate zuvor kam es in Folge des Herzinfarkts von Felix Braz zum grünen Austausch: Die Justiz ging an Kulturministerin Sam Tanson, die am selben Tag, dem 11. Oktober 2019, den Wohnungsbau an Henri Kox abgab.
Beigeordnete Minister*innenämterwechsel entfallen in dieser Aufstellung, die von – je nach Geschmack – unruhigen oder lebhaften Zeiten zeugt. Auf jeden Fall gäbe sie eine prima Liste für eine mögliche erste luxemburgische Folge von Wer wird Minister? ab. Diese wird aber wohl so wenig kommen wie eine luxemburgische Beteiligung am Eurovision Song Contest, der an diesem Samstag nicht nur ohne Russland und die Türkei, sondern mal wieder auch ohne Luxemburg auskommen muss. Schade, hatten wir doch noch 2019 in unserer Mai-Ausgabe nachdrücklich dazu aufgerufen, dass auch das Großherzogtum wieder mitsingen solle. RTL hört aber einfach nicht auf uns. Wenigstens hat das Europäische Parlament mit Unterstützung durch Marc Angel, Charles Goerens, Tilly Metz und Monica Semedo unsere damalige Forderung (forum 395, Mai 2019) nach einer EU-Wahlreform – wenn auch etwas verstümmelt – in Form einer internationalen Kandidat*innenliste für die kommende Europawahl angenommen. Der Ball, um nochmal sportlich zu vergleichen, liegt nun allerdings beim Rat. Oh je.
Aber zurück zur Fluktuation: Die gibt es nicht nur in der Politik, sondern auch bei forum, wo sie historisch gesehen immer schon eine doppelte Bedeutung hatte: Neben Menschen fluktuierte auch das Wasser in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch unseren Keller. Aber nun kehrt Ruhe ein. Seit fast einem Jahr liegt der Keller (mit einer kleinen Ausnahme vor ein paar Wochen) trocken. Und einen neuen Mitarbeiter haben wir auch gefunden. Philippe Reuter, bislang Fotograf und Autor für die revue, wird am kommenden Montag, den 16. Mai, bei uns an Bord gehen. Das Büro-Team und die Redaktion freuen sich immens auf diese wunderbare Verstärkung. Philippe wird u. a. den Veranstaltungsbetrieb übernehmen, den wir weiterhin ausbauen werden. Unser nächster Streich folgt bereits am 13. Juni zum Thema „Krieg und Friedensbewegung“.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch die Friedensaktivist*innen hierzulande in ihrem Selbstverständnis getroffen, und die Frage steht im Raum, ob noch alle, so wie vor dem 24. Februar, die Devise „Frieden schaffen ohne Waffen“ mit voller Überzeugung unterschreiben können. Diesen Reflexionsprozess wollen wir im Juni öffentlich machen und als Impulsgeber auch Gäste aus den Bereichen Politik und Journalismus dazu einladen. Wie immer beim public forum setzen wir auf die rege Diskussionsteilnahme des Publikums, und so sind Sie schon jetzt dazu aufgerufen, sich diesen Termin dick im Kalender zu notieren.
Auf ein Wiedersehen!
Ihr Henning Marmulla
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