Wenn man für einen Moment all die menschengemachten und menschenverachtenden Katastrophen ausblendet, die das Jahr 2022 hervorbrachte, hörte das Kriegs-, WM- und Esch-Jahr erstaunlich gut auf. Zum Redaktionsschluss am 22. Dezember erreichten uns gleich mehrere zuversichtlich stimmende Nachrichten. Der US-Kongress machte den Weg frei für eine Strafverfolgung des ehemaligen US-Präsidenten; außerdem stimmte er für eine Veröffentlichung von Trumps Steuerunterlagen. Eine gute Nachricht auch, dass Twitter-Chef Musk schon wieder plant, als CEO der asozialen Plattform, die binnen kurzer Zeit unter seiner Leitung noch asozialer wurde, zurückzutreten. So sagt er zumindest. Dass sowohl im Falle Trump als auch im Falle Musk Zweifel angebracht sind, dass die Geschichten so gut und gerecht ausgehen wie ein Weihnachtsmärchen, muss man bedenken. Dennoch konnte man sich in der Dezemberkälte für ein paar Momente an diesen Meldungen wärmen.

Auch in Luxemburg gibt es gute Nachrichten. Der Weihnachtsmarkt wurde dieses Jahr nicht gestürmt, der Index wird bald aus seinem Sommer-, Herbst- und Winterschlaf geweckt, und Luxemburg bleibt Monarchie. Was auch mit Blick auf zukünftige Verhandlungen mit arabischen Scheichs nicht schlecht ist: In Katar stehen bald schon neue sportliche Groß-Events an. So ein Großherzog macht da mehr her als ein demokratisch gewählter Präsident. Und Frank Engel, früher CSV, nun Fokus, konnte sich nicht mit seiner Idee durchsetzen, aus dem Superwahljahr einen Superwahltag zu machen. Gut so, denn so bleibt das ganze Jahr spannend wie ein Krimi. Unser Dossier in diesem Monat bereitet Sie auf die Wahlen vor.

Und noch eine gute Nachricht – jedenfalls für die hiesige Musikbranche und Menschen wie mich, die den Eurovision Song Contest (ESC) ironiefrei für eine wichtige Veranstaltung halten, ein Event, an dem Luxemburg zuletzt 1993 teilgenommen hatte. Vielleicht kehrt das Großherzogtum im Jahr 2024 zum ESC zurück. Im Mai 2019 hatte ich in dieser Zeitschrift argumentiert, dass Luxemburgs erneute Teilnahme an dem Musikwettbewerb dringend nötig sei, um auch bei uns eine emotionale Note gegen die grassierende Europa-müdigkeit zu setzen. Integration besteht nicht nur aus Gesetzen und Erweiterungsplänen, sondern aus gelebtem Austausch. Zudem, so schrieb ich, sei der ESC ein gutes Medikament gegen Ressentiments und für Völkerverständigung, einfach aus dem Grund, dass man niemals für das eigene Land stimmen könne. Doch meine Rufe verhallten im Nirwana des luxemburgischen Blätterwaldes. Im Dezember 2019 hakte ich in einem Interview bei der Kulturministerin nach. Ihre Antwort ließ mich resignieren: „Es ist nicht meine allererste Priorität […]. Die Idee hinter dem ESC finde ich wirklich toll. Und ich habe das als Kind immer angesehen. Aber die Entwicklung gefällt mir immer weniger. Es ist mittlerweile so ein Hyper-Event geworden.“

Drei Jahre, eine Dubidai-Expo und ein „ruppiges“ Kulturhauptstadtjahr später – es ist ja nicht so, als hätte man in Luxemburg per se was gegen Hyper-Events – wird nun also laut über die Rückkehr zum ESC nachgedacht. Wie mehrere Medien im Advent berichteten, sei bereits eine von Xavier Bettel geleitete Arbeitsgruppe gegründet worden, die die Machbarkeit einer Luxemburger Teilnahme ab 2024 prüfen soll. Beteiligt an der ESC-AG sind auch Sam Tanson, die den Wettbewerb als Kind mochte, und Jean Asselborn, der 12 Jahre alt war, als der erste Sieg beim ESC nach Luxemburg ging.

Der Weihnachtsmarkt wurde dieses Jahr nicht gestürmt, der Index wird bald aus seinem Sommer-, Herbst- und Winter-schlaf geweckt, und Luxemburg bleibt Monarchie. 

Die Teilnahme Luxemburgs am ESC wäre nun die Chance, die hiesige Musikbranche nach innen weiter zu professionalisieren und nach außen zu promovieren. Nation branding für die einen, Förderung für die anderen. Win-win, könnte man sagen. Die Struktur, die mit dieser Förderung und Promotion befasst ist, heißt Kultur|lx. Arts Council Luxembourg. Bisher als ASBL fungierend und sechs verschiedene Kultursparten umfassend, wird sie nun in eine öffentlich-rechtliche Einrichtung transformiert. Das Gesetz wurde noch im Dezember gestimmt. Vielleicht können C’est Karma, Francis of Delirium, Tuys oder die vielen anderen großartigen Musiker*innen hier im Lande also bald Millionen erreichen. Und korrupter als Teile des Europäischen Parlaments, möchte ich ergänzen, kann der ESC auch nicht sein. Die Katarer würden jedenfalls einen Teufel tun und sich in diese Regenbogen-Diversitäts-Show auch nur mit einem Dollar einmischen.

Ansonsten haben wir im letzten Herbst die Dossier-Themen für 2023 festgelegt. Im März geht es um Armut. Und im November folgt unsere zweite forum_story über Schwarzarbeit in Luxemburg. Alle anderen Dossier-Themen finden Sie unter https://www.forum.lu/dossiers-2023. Und bitte merken Sie sich auch den 26. Januar vor: Im Anschluss an eine Aufführung des neuen Stücks von Roland Meyer, in dem die Geschichte vom Tel Mo weitererzählt wird (King Tel Mo Rei), diskutieren am Mierscher Kulturhaus u. a. OKAJU Charel Schmit, Fanny Dedenbach (ONE), Autor Roland Meyer und Anwältin Valérie Dupong – unter der Moderation von Nico Meisch (Präsident des Zentrum fir politesch Bildung) – über die geplante Reform des Jugendschutzgesetzes. Tickets für das Stück gibt es auf luxembourg-ticket.lu (Beginn: 18.30 Uhr), das public forum um 20.15 Uhr ist wie immer kostenlos. 

Frohes neues Jahr!

Ihr Henning Marmulla

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