Menschenrechte sichtbar und erfahrbar machen 

ACAT Luxemburg wagt einen neuen Ansatz in der Menschenrechtsbildung

© Philippe Reuter / forum

Vom 9.-17. Dezember 2022 zeigte ACAT Luxemburg die Ausstellung Pictures for the Human Rights der gleichnamigen Organisation aus Regensburg. Damit war sie erstmalig in Luxemburg zu sehen – im Forum Campus Geesseknäppchen im Rahmen des Human Rights Festivals Stand Up for Human Rights.

Die Ausstellung umfasst 30 Werke von internationalen KünstlerInnen, ein Bild zu jedem Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, auf großflächigen Planen reproduziert und an Bauzäunen aufgehängt.

Vernissage

Bei der Vernissage der Ausstellung am 9. Dezember traten u. a. die Ausstellungsmacherin und Künstlerin Barbara Wilmers-Hillenbrand, der Disability Art Consultant Narek Minassian sowie der Anwalt François Moyse auf, letzterer mit einem Beitrag zu Artikel 1 der Menschenrechtserklärung aus juristischer Per­spektive. Ullrich Wilhelm Klöckner, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg, begrüßte die Initiative, diese Ausstellung aus Deutschland nach Luxemburg geholt zu haben. Er sprach in eindringlichen Worten über seine diplomatischen Missionen in Ländern, in denen Folter an der Tagesordnung ist. Anne Goedert, Sonderbotschafterin für Menschenrechte in Luxemburg, gratulierte ACAT Luxemburg zu dem zukunftsweisenden Projekt für Menschenrechtsbildung. Alioune Touré, Vizepräsident der Commission consultative des droits de l’homme (CCDH), hob aus aktuellem Anlass der WM in Katar die Dringlichkeit hervor, im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen nachhaltig Menschenrechtsstandards einzufordern. Als Vertreter der katholischen Kirche beehrte Weihbischof Leo Wagener die Veranstaltung. Ich selbst erklärte in der Eigenschaft als Präsidentin von ACAT Luxemburg in meiner Eingangsrede, warum wir die Ausstellung nach Luxemburg geholt haben.

„Wir versprechen uns, über den künstlerischen Zugang zu Menschenrechtsthemen mehr und andere Menschen für dieses wichtige Thema zu gewinnen. Wir erwarten uns in einer interaktiven kreativen Auseinandersetzung in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die für die Einhaltung der Menschenrechte arbeiten, insbesondere junge Menschen für ein Engagement zu gewinnen. Pictures for the Human Rights ist gleichermaßen ein Kunst- und ein pädagogisches Projekt. So wollen wir nachhaltig Menschenrechtsarbeit im schulischen und nichtschulischen Bereich implementieren. Menschenrechtsbildung sollte ein Gegengewicht setzen in unserem edukativen System, das viel zu sehr auf ökonomische Zurichtung der Jugend in der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt ausgelegt ist. Menschenrechtsbildung ist Erziehung zur Demokratiefähigkeit und dazu, sich nicht nur kurzfristig zu empören und zu engagieren, sondern eine Haltung der dauerhaften Wachsamkeit zu entwickeln, die zu einem langfristigen Engagement führen kann.“

Inklusion leben

ACAT setzt mit der Präsentation der Ausstellung im Forum Campus Geesseknäppchen den Auftakt für eine „Reise“ der 30 Werke samt pädagogischen Begleitprogramms zu fünf Schulstandorten überall im Land, mit der wir unseren innovativen Ansatz der Menschenrechtsbildung verbreiten wollen. In 2021 hat ACAT Luxemburg einen neuen Service „Young ACAT“ gegründet, der sich zuallererst an junge Menschen unterschiedlicher Herkunft richtet mit dem Ziel, einen sicheren diskriminierungsfreien Raum für Austausch und kreatives Schaffen und Teilhabe an der Kultur zur Verfügung zu stellen, ein Raum, in dem wesentliche Menschenrechte realisiert und somit erfahrbar werden. Wir wollen in unseren Veranstaltungen Jugendliche in Luxemburg – für die Menschenrechte im Allgemeinen so selbstverständlich sind wie das Wasser für den Fisch, so Tatev Margaryan von unserer Partnerorganisation Formation et sensibilisation Luxembourg in ihrem Grußwort – mit jungen Menschen, die bereits die Erfahrung der Verletzung ihrer elementaren Rechte gemacht haben, zusammenbringen, damit sie gemeinsam den humanitären Schatz der Menschenrechte bergen und kultivieren können.

© Philippe Reuter / forum

Unser Konzept sieht vor, auf verschiedenen Ebenen Inklusion statt Diskriminierung zu leben. Inwieweit ist es uns gelungen, in unserem Festival Stand Up for Human Rights den Anspruch, Menschenrechte wahr und erfahrbar zu machen, zumindest ansatzweise zu realisieren? Tatsächlich haben über 1.000 überwiegend junge Menschen an den kulturellen und pädagogischen Aktivitäten teilgenommen. So setzten sich SchülerInnen in Workshops von Lëtz Rise Up mit dem Thema Rassismus auseinander, ATD Quart Monde bot ein Atelier zum Thema Diskriminierung wegen Armut an, respect.lu hatte das Thema: „Meine Brille – Deine Brille“, eine Schulung in Sachen Empathie.

Living Library Luxemburg (LLL) lud bereits zum zweiten Mal zu einer Living Library ein. Menschen, die wesentliche biografische Geschichten mitzuteilen haben, werden „Bücher“ genannt, die dann von anderen Menschen „gelesen“ werden können. „Buch“ und „LeserIn“ treten in einen intensiven Austausch, der es beiden Seiten erlaubt, Vorurteile und Diskriminierung zu überwinden. Mehr als 140 Menschen waren an der diesjährigen Ausgabe der LLL beteiligt.

Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, folgten 120 vorwiegend junge Menschen aus christlichen, jüdischen, muslimischen, buddhistischen Gruppen und der Bahai’i-Gemeinschaft dem Aufruf von Ingo Hanke (AGIR) zum interreligiösen Austausch und Gebet. ACAT Luxemburg beschloss – gemäß unserer spirituellen Tradition – die Veranstaltung mit dem Gebet „Öffne unsere Augen“. Der Tag der Menschenrechte stand unter dem Motto, insbesondere junge Menschen für den menschen(rechts)freundlichen Kern aller Religionen zu gewinnen.

ACAT Luxemburg hat Pictures for the Human Rights unter kompetenter Führung von Narek Minassian mit einem inklusiven Design verbunden, um so ein konkretes Zeichen für Inklusion und gegen den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen zu setzen. In einem aufwändigen Prozess wurden insgesamt zwölf der 30 Bilder der Ausstellung in einem Soundtrack mit Texten und einer atonalen Musik von Jean-Marc Michels für Blinde wahrnehmbar und anschaulich gemacht. Für uns war dies ein erster Schritt – in Zusammenarbeit mit Patrick Hurst, Präsident CET und Nëmmen Mat Eis, sowie Patrick De Rond, Präsident Info Handicap –, unsere Aktivitäten zukünftig noch stärker an inklusiven Kriterien auszurichten.

Das „C“ in ACAT

ACAT Luxemburg trägt in seinem Namen das „C“ für „christlich“ als Inspiration und Vermächtnis, aber auch als Bürde: Angesichts der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die in Geschichte und Gegenwart nicht einfach von einzelnen „sündigen“ Menschen, sondern vor allem von versteinerten christlichen Strukturen zu verantworten sind, gilt es, das „C“ in der Nachfolge Jesu neu zu interpretieren und anzueignen. Für uns steht ein erweitertes „C“ etwa für Croyance/Conviction oder auch Coexister/Cooperation aller Menschen guten Willens, die an einer menschenfreundlicheren Gesellschaft arbeiten wollen, in der ohne Unterschied die Würde und die Rechte jedes einzelnen Menschen respektiert werden. Wir verstehen uns im besten christlichen Sinn als Gastgeber für diesen Grenzen überschreitenden Prozess. In unseren interkulturellen Kulturveranstaltungen – etwa dem Konzert „Sound of Humanity“ von Danainii oder im Wordmusic Event – feiern wir die Möglichkeit des gemeinsamen Menschseins, und wir essen und trinken gemeinsam, denn: Der Weg ist lang.

Zum Abschluss eine kleine Geschichte, die mir Hoffnung macht, dass unser Konzept aufgehen kann: In der Living Library kam ich ins Gespräch mit R., einem Transmann, LGBTQI*-Aktivisten und Bürgerrechtler, der 2016 vor einer Gefängnisstrafe aus Russland floh und politisches Asyl in Luxemburg erhielt. R. wollte nach den Erfahrungen mit der russisch-orthodoxen Kirche nie mehr etwas mit „C“ zu tun haben und hat deshalb damals auf der Suche nach einem Engagement ACAT ausgeschlossen. R. hat sich nach unserem Gespräch bereit erklärt, für ACAT im kommenden Jahr an Schulen für Workshops und Vorträge zur Verfügung zu stehen.  


Christina Fabian ist seit über vier Jahren Präsidentin der Action des chrétiens pour l’abolition de la torture (ACAT) Luxemburg. Mehr Infos zur Ausstellung und dem Festival unter www.youngacat.lu bzw. www.acat.lu

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