Do you hear the people sing?

Einleitung ins Dossier

Musik bewegt uns alle, da gibt es wohl nur sehr wenige Ausnahmen. Sie begleitet die Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz: Forscher vermuten, dass Menschen schon so lange singen, wie sie sprechen können, also seit ungefähr 150 000 Jahren. Das älteste bisher entdeckte Instrument ist eine 40 000 Jahre alte Flöte.1 Die Musik hat sich zu einer universellen Sprache entwickelt, die nationen- und sprachenübergreifend Menschen gleichermaßen berühren kann.

Die positive Auswirkung von Musik fängt sogar bereits im Mutterleib an: Studien haben belegt, dass beruhigende Musik kurzfristig die Herzdynamiken des Fötus stabilisieren und so die Entwicklung des autonomen Nervensystems stimulieren kann.2 Diese entspannende Wirkung der Klänge dauert auch nach der Geburt fort, wenn dieselben Lieder gespielt werden.

Wenn wir Musik hören, zu ihr tanzen oder sie selbst spielen, dann schalten sich die Hirnregionen ein, die für die Verarbeitung von Emotionen und das Belohnungssystem zuständig sind. Der amerikanische Psychologe und Neurowissenschaftler Stefan Kölsch stellt fest, dass das tiefe Bedürfnis des Menschen, dazuzugehören und Gemeinschaft zu erleben, unmittelbar durch Musik ermöglicht wird. „Wenn sich Melodien wiederholen, können wir schnell einstimmen“, so der Forscher. „Und dadurch, dass wir unsere Aktivitäten, Emotionen, unsere Aufmerksamkeit und Kommunikation mit anderen Personen synchronisieren, werden wir Teil eines größeren Ganzen.“3

Musik kann vielerlei Emotionen aus­lösen: Sie bringt uns zum Lachen und zum Tanzen, zum Weinen und zum Nachdenken. Sie kann der Unterhaltung, Ani­mation, Ablenkung und Beruhigung dienen, sie kann uns aber auch aufwühlen, sogar aufwiegeln. Lieder haben schon Revo­lu­tio­nen begleitet, wie zum Bei­spiel die Marseillaise die Französische Revolution, die später zur National­hymne ernannt wurde, oder das Lied Grândola, Vila Morena von José Afonso, welches das geheime Signal für den Beginn der Nelken­revolution in Portugal 1974 war und gespielt wurde, um die Truppen zum Aufstand zu mobilisieren.

Auch in Luxemburg wissen wir, dass Lieder, ihre Melodien sowie Texte, identitäts­stiftende Effekte haben können. Die 1859 vom Dichter Michel Lentz verfassten Stücke De Feierwon und Ons Heemecht, letzteres von Jean-Antoine Zinnen vertont, haben mehr als jedes andere Lied zu unserer Nationen- und Gemein­schaftsbildung beigetragen. „Looss viru blénken d’Fräi­heets­sonn, déi mir sou laang gesinn!“

Aber wie sieht es heute mit der Musik in Luxemburg aus? Das wollten wir bei forum wissen und haben Musiker, Komponisten und Fachleute aus den unterschiedlichsten Bereichen der Musikbranche Luxemburgs um Einsicht gebeten. Und sie erhalten.

© Carlo Schmitz

Marc Nickts, Geschäftsführer der SACEM, der luxemburgischen Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikproduzenten, beleuchtet in seinem Beitrag „La musique au Luxembourg : entre richesse culturelle et fragilité structurelle?“ die Herausforderungen und Hürden in der Musikszene in Luxemburg. Mit welchen Einschränkungen werden luxemburgische Musikkünstler konfrontiert und wie sieht es mit fairer Vergütung und Urheberrechten von Musik in Zeiten künstlicher Intelligenz aus?

Ema Macara, Vizepräsidentin der kürzlich ge­gründeten Fédération des musicien(ne)s
interprètes au Luxembourg, erzählt in „We make the noise! Thoughts about life as a performing musician in Luxembourg“ aus persönlicher Perspektive, wie und wieso die FAMIL, eine gemeinnützige Vereinigung von Musikern, entstanden ist. Durch Solidarität und kollektives Engagement sollen sich neue Perspektiven für die luxemburgische Musikszene und ihre Vertreter eröffnen.

Claire Schadeck vom CID | Fraen an Gender weist in ihrem Artikel „Wo versteckst du dich, oh weibliche Kulturschaffende?“ auf die gravierende Unterrepräsentation der Frauen in der luxemburgischen Kultur-, spezifisch der Musikszene hin. Sowohl in Führungspositionen als auch auf den Bühnen sind die männlichen Pendants weitaus stärker vertreten: Was die Ursachen dafür sind und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Musiklandschaft des Landes geschlechtergerechter zu gestalten, erfahren Sie hier.

forum hat ein Interview mit dem Jazz-Vibraphonisten, Komponisten und Musiklehrer Pascal Schumacher geführt und ihn zu seinem musikalischen Werdegang, seinem Vorgehen beim Komponieren und seinen Inspirationsquellen befragt. Wie entsteht ein Stück und wie steht er der digitalen Welt der Streaming-Plattformen gegenüber?

Yves Stephany, Musikjournalist beim Radiosender 100,7 und selbst auch Musiker, weiß aus eigener Erfahrung, dass in Luxemburg aus Rücksicht vor den Kollegen ehrliche Kritik ab und an zu kurz kommt: Wieso Nähe kein Hindernis für offenes und konstruktives Feedback sein muss, verrät ihnen der Autor in seinem Artikel „Friendly Fire: Über vertraute Nähe, klare Worte und Musikjournalismus in Luxemburg“.

forum-Mitglied Viviane Thill hat mit einem der renommiertesten luxem­burgischen Filmkomponisten, André Dziezuk, gesprochen. Welche Praktiken der Filmmusikszene sieht er kritisch und was bedeutet Musik für den Komponisten? Und wie lukrativ ist das Schreiben von Filmmusik hierzulande und europaweit?

Cathy Schmartz, Psychologin und Musiktherapeutin, zeigt in „Hinter den Klängen: Zwischen Wissenschaft, Gefühl und sozialer Wirkung“, wie Musik nicht nur die Emotionen und Erinnerungen des Menschen beeinflussen, sondern auch heilende Effekte auf das Nerven- und Immunsystem ausüben kann. Welches mächtige Potential hinter den Klängen steckt, finden Sie hier heraus.

Patrick Morbach aka Brave ist Musikpä­dagoge und „Vollblutmusiker“. Das forum-Team hat ihn auf der Fête de la musique für ein Interview getroffen und ihm Fragen über seine Musikkarriere, seine private Musikschule BAMSS (Brave’s Alternative Music School) und seine Unterrichtsmethoden gestellt.

Tanja Duprez, ehrenamtlich in der Kommunikationsgruppe der Kollibri ASBL aktiv, fragt sich in „Nachhaltigkeit feiern? Musikfestivals zwischen Ressourcenverbrauch und gesellschaftlichem Mehrwert“, wie die Zukunft von Festivals angesichts der Klimakrise und Ressourcenknappheit aussehen kann. Zwischen Ökobilanzen, Umweltbewusstsein und kultureller Teilhabe müssen Festivalveranstalter eine vertretbare Balance finden.

Als Nachbarin hört Marianne Brausch Wen Hung, zweite Violinistin im Luxembourg Philharmonic, regelmäßig durch die Wand proben und wollte von der gebürtigen Taiwanesin wissen, wie sie ihren Weg nach Luxemburg gefunden, welche kulturellen und musikalischen Erfahrungen sie gemacht hat und was die Zukunft eventuell noch für sie bereithält.

Claudia Simone Dorchain, Philosophin und Therapeutin, zeigt in ihrem Artikel „Philosophie der Musik: Vom Schöpfungsklang bis zum Wertumsturz“, wie eng Gefühl, Kultur und Kosmos miteinander verwoben sind. Von Aristoteles über Schopenhauer bis hin zu Nietzsche illustriert sie, wie und wieso Musik schon immer Teil der menschlichen Existenz gewesen ist.

Als Musiker, Historiker und überzeugter Metal-Head kennt Claude Ewert sich mit den Subgenres des Metals und ihren politischen Verstrickungen bestens aus. Vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs inmitten nuklearer und existenzieller Bedrohungen erblicken Bands wie Metallica, Megadeth und Slayer das Licht: In „From Fallout to Floods: Thrash Metal’s Soundtrack to the End Times“ erfahren sie, wie politisch Musik sein kann.

Die Musikprofessoren Damien Sagrillo und Alain Nitschké geben dem Leser Einblick in zwei musikwissenschaftliche Forschungsprojekte der Universität Luxemburg. Denn erst mit ihrer Gründung wird die systematische Aufarbeitung und akademische Erfassung der reichen Musikgeschichte Luxemburgs möglich: Das Luxemburger Musikerlexikon und die Laurent-Menager-Gesamtausgabe bezeugen dies.

In ihrer Buchrezension „Zwischen Disziplin und Bühnenzauber: Pierre Nimax sen. als Musiker, Komponist und Kulturgestalter“ beschreibt die Musikwissenschaftlerin Tina Zeiß-Zippel, wie die neue Publikation Nimax. Zwischen Tasten und Taktstock das Leben und Werk einer Schlüsselfigur des luxemburgischen Musiklebens im 20. Jahrhundert würdigt. Der Band verbindet Biografie, Analyse und persönliche Anekdoten und schafft so ein lebendiges Porträt.

Abschließend finden Sie dann auch noch tolle Zeichnungen im Graphic-Novel-Stil von Bizou Futé, ganz in der Thematik des Dossiers: Become one with the music.

Klingt das alles schon wie Musik in Ihren Ohren? Dann hoffe ich, dass Sie nach diesem Auftakt eingestimmt sind und wir andere Saiten aufziehen können. Wir wünschen viel Vergnügen!


1 https://www.klassikradio.de/aktuelles/wie-lange-gibt-es-eigentlich-schon-musik-sie-fragen-wir-antworten/ (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 18. Juni 2025 aufgerufen.)

2 https://science.orf.at/stories/3228737/

3 https://www.quarks.de/gesellschaft/musik-gehirn-wirkung-funktion-leben-beeinflusst/

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