2000 m² für unser Essen

Ein Plädoyer für eine nachhaltige Agrar- und Esskultur

Die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung gibt Anlass zur Sorge, denn bereits heute übersteigt der Bedarf an globaler landwirtschaftlicher Fläche die zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Nutzfläche. Aktuell benötigt eine in Luxemburg lebende Person rund 3.700 m² reine Ackerfläche, um ihren Grundbedarf zu decken. Dabei würde eine Ackerfläche von global 2.000 m² pro Person, bzw. von 1.500 m² für das Jahr 2050 aufgrund der zu erwartenden steigenden Bevölkerungszahlen, bei einer nachhaltigen, gerechten Nutzung für die Versorgung der Weltbevölkerung ausreichen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine effizientere Nutzung der produzierten Nahrungsmittel (weniger Abfall), eine regional angepasste Ernährung und der Verzicht auf den Anbau von Energiepflanzen. Darüber hinaus ist in weiten Teilen der Welt und im Speziellen in Europa und Luxemburg eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte aufgrund des hohen Flächenverbrauchs zur Erzeugung der Futterpflanzen unerlässlich. Anders ausgedrückt, leben wir Einwohner*innen Luxemburgs momentan nicht nur auf Kosten der Umwelt, sondern auch auf Kosten anderer Menschen weltweit, die mit weniger landwirtschaftlicher Nutzfläche auskommen müssen.

Wie hingegen eine zukunftsfähige und ertragreiche Agrar-, sowie eine gleichzeitig nachhaltige und faire Esskultur aussehen könnte, zeigen natur&ëmwelt, das Institut für biologische Landwirtschaft und Agrarkultur Luxemburg (IBLA) und co-labor mit dem Projekt „2000 m² für unser Essen“. Ziel des Projektes ist es, ein auf der Realität basiertes Modell für eine gesunde, faire und zukunftsfähige Ernährung zu entwickeln und gleichzeitig zu zeigen, dass es möglich ist, den Grundbedarf an Nahrungsmitteln einer in Luxemburg lebenden Person nicht nur regional und biologisch zu produzieren, sondern auch nachhaltig zu decken. Finanziert wird das Projekt vom Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung.

„2000 m² für unser Essen“ ist ein mehrjähriges Sensibilisierungsprojekt, welches den Menschen zeigen soll, dass es nicht nötig ist, die meisten Nahrungsmittel aus Übersee oder von weit her zu importieren, um genug Essen zu haben oder gesund zu leben. Mit ihm erhofft man sich, das Wissen und das Bewusstsein der Bevölkerung für die mit der Nahrungsmittelproduktion einhergehenden Umweltprobleme zu stärken, um letztlich ein Umdenken zu bewirken. Dazu legen die Partner auf einem 2.000 m² großen Feld genau dar, wie die Fläche unter den gegebenen Bedingungen von Boden und Klima kultiviert, bepflanzt und bearbeitet werden kann, um die Versorgung der luxemburgischen Bevölkerung zu gewährleisten.

So ist das Feld in mehrere kleinere Flächen unterteilt, welche verschiedene Kulturen darstellen und die von den Proportionen her so konzipiert sind, dass sie den geografischen und landwirtschaftlichen Gegebenheiten, ebenso wie der Ernährungsrealität Luxemburgs entsprechen. Somit nimmt Grünland die Hälfte der 2.000 m²-Fläche ein, genauso wie es auch die Hälfte der bewirtschaftbaren Fläche Luxemburgs ausmacht. Der Rest der Fläche ist proportional so aufgeteilt, wie eine mögliche Ernährung, unter Berücksichtigung des Nahrungsmittelverbrauchs und der Erträge der jeweiligen Kulturen, aussehen könnte. So beansprucht Getreide beispielsweise eine größere Fläche als der Öllein, Kartoffeln mehr als Salat.

Ein weiteres wichtiges Element ist der sogenannte Fruchtwechsel, also die rotierende Anbaufolge der Kulturen auf der Fläche über mehrere Jahre hinweg. Hierdurch werden die Pflanzen optimal mit Nährstoffen versorgt, die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen und ihr Ernteertrag erhöht und somit eine nachhaltige und naturgerechte Felderbestellung gewährleistet. Diese Anbauweise steht im Gegensatz zum Anbau in Monokulturen, welcher die Böden auf Dauer auslaugt und durch den somit notwendig werdenden Einsatz von mineralischen Düngern zusätzlich belastet.

Das 2000 m²-Projekt im Kontext

Man hat den Eindruck, dass alle wissenschaftlichen Berichte der letzten Jahre über Klimawandel, Artenvielfalt und unsere Ernährungssysteme weder in der nahen noch in der fernen Zukunft viel Gutes erahnen lassen. Luxemburgische, aber auch europaweite und internationale Studien und Messungen warnen vor quasi-apokalyptischen Szenarien. Unsere intensive Art zu wirtschaften und zu bewirtschaften (Mineraldünger, Pestizide), der westliche Lebensstil, der globalisierte Handel, welcher auf Ineffizienz, der Suche nach dem „immer mehr“ und exzessivem Ressourcenverbrauch basiert, fördert die rasante Erderwärmung, den dramatischen Biodiversitätsverlust, die Zerstörung klimarelevanter Ökosysteme wie auch artenreicher Lebensräume, eine sich anbahnende Trinkwasserknappheit und die Erosion der Böden, um nur die meist diskutierten Gefahren zu nennen. Angesichts der aktuellen Geschehnisse gilt die intensive Landwirtschaft durch ihre Düngetechniken, die Viehstückzahl und -fütterung sowie ihre Produktionsbedingungen als einer der Hauptverursacher dieser Entwicklungen. Die Übernutzung der Agrarflächen ist mitverantwortlich für den rasanten Artenrückgang, die Bodenerosion, die Wasserverschmutzung und auch den Klimawandel. Auch der Transport von Lebensmitteln spielt in der aktuellen Klimadiskussion eine wesentliche Rolle.

Auch in Luxemburg bleiben wir weder verschont, noch sind wir unschuldig an den oben genannten Megatrends. Wir als Gesellschaft müssen verstehen, dass die Art und Weise, wie wir bisher ge- und bewirtschaftet haben, weder nachhaltig, noch zukunftsfähig ist und wir neue Wege mit realistischen und zum Teil bereits bestehenden Alternativen beschreiten müssen. Überdies haben unsere aktuellen Ernährungsgewohnheiten nicht nur einen großen Einfluss auf die Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt, das Klima und die soziale (Un-)Gerechtigkeit weltweit. „Wie“ wir essen, gewinnt also zunehmend an realer und unbestreitbar politischer Wichtigkeit.

Das 2.000 m²-Feld zeigt, wie eine zukunftstaugliche, naturverträgliche und gerechte Ackerbewirtschaftung aussehen kann. Um die Bedeutung der regionalen, nachhaltigen Landwirtschaft hervorzuheben, bei welcher der Schutz der Umwelt, insbesondere von Boden, Luft und Wasser, sowie der Erhalt der Biodiversität im Vordergrund stehen, wird auf den biologischen Landbau gesetzt, der sich auf den Anbau von geeigneten lokalen Kulturen, deren gesunde Rotation und auf eine weitestgehend regionale Suffizienz fokussiert. Der biologische Landbau verzichtet auf die Verwendung chemisch-synthetischer Pestizide und mineralischer Stickstoffdünger, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden und trägt somit nicht zuletzt zum Klima-, Wasser- und Bodenschutz bei.1

Nur mit „Bio“ können wir aber nicht den ganzen Planeten ernähren, denken Sie? Doch! Eine bereits 2017 veröffentlichte Studie2 hat belegt, dass eine pestizidfreie Landwirtschaft durchaus einen realistischen Ansatz für die Ernährung der Weltbevölkerung in der Zukunft darstellt. Wissenschaftler des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), der Universität Aberdeen, der ETH Zürich und der Alpen-Adria Universität Wien haben mit einem neu entwickelten Modell des globalen Ernährungssystems nachgewiesen, dass man 2050 sogar neun Milliarden Menschen weltweit mit einer hundertprozentig biologischen Landwirtschaft nachhaltig ernähren könnte. Dies erfordert zwar einige Maßnahmen, die aber durchaus realisierbar sind: die Reduktion des Konsums von tierischen Produkten sowie der Lebensmittelverluste und -verschwendung und die naturgemäße Fütterung der verbleibenden Nutztiere. Ein umwelt- und klimaschonendes Landwirtschaftssystem und eine nachhaltige Ernährungsweise sind also möglich, und somit sollten unsere Gesellschaft und die Regierung diese aktiv und verstärkt unterstützen und anstreben.

Wie sieht die Situation aktuell in Luxemburg aus?

Zurzeit liegt der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen in Luxemburg bei ca. 5 % und soll laut Koalitionsvertrag3 bis zum Jahr 2025 auf mindestens 20 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen und bis zum Jahr 2050 auf 100 % der Flächen ansteigen. Dabei sollen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrategien, wie z. B. die Verpflichtung, lokale biologisch produzierte Produkte in Schulkantinen zu verwenden, entwickelt werden, die nachhaltig für eine steigende Nachfrage an biologisch produzierten Lebensmitteln sorgen werden. Aktuell spielt die pflanzenbauliche Produktion für die direkte menschliche Ernährung eine geringe Rolle in Luxemburg (im Durchschnitt ca. 250 m² von 2.000 m²). Gemüse und Obst werden überwiegend importiert. Dabei spielen lange Transportwege, Kühlketten und Haltbarmachung der Produkte für die Verbraucher*innen eine wesentliche Rolle für die Emission von Treibhausgasen.

Was ist auf 2.000 m² in Luxemburg möglich?

Das Projekt „2000 m² für unser Essen“ zeigt eine Möglichkeit auf, wie man sich als Einwohner*in Luxemburgs nachhaltig ernähren könnte. Die Projektfläche spiegelt einerseits die Flächen wider, die benötigt werden, um Zuckerrüben, Getreide, Gemüse und Obst etc. anzubauen, anderseits zeigt sie auch, welche Kulturpflanzen unter den gegebenen klimatischen und bodenspezifischen Standortbedingungen Luxemburgs angebaut werden können. Dies beinhaltet sowohl das Grünland für die Wiederkäuer, Getreide und Leguminosen für weiteres Futter als auch Getreide für die direkte Ernährung, Gemüse und Obst, sowie Öl- und Eiweißpflanzen. Die biologische Bewirtschaftung der Projektfläche von natur&ëmwelt am Haus vun der Natur in Kockelscheuer erfolgt durch den Projektpartner co-labor. Die Vorbereitung der Flächen und Aussaat der Winterungen erfolgte vorbereitend im Jahr 2018, die weiteren Arbeiten und Anpflanzungen auf der Fläche wurden 2019 zum ersten Mal durchgeführt.

Mit ca. 1.400 m² ist bereits ein Großteil der Fläche für die Produktion von tierischen Produkten reserviert. Mit der dargestellten Fläche kann der durchschnittliche Bedarf an Milch (Luxemburg als Grünlandstandort ist für die Milchproduktion geeignet, wodurch sie der Nachfrage ohne weiteres gerecht werden kann) und Eiern gedeckt werden, jedoch nicht der Verbrauch an Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch. Hier liegt der Bedarf bei ca. 100 Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr. Auf der Fläche können Futtermittel für lediglich 55 Kilogramm Fleisch pro Jahr produziert werden. Dies bedeutet, dass der Fleischkonsum drastisch reduziert werden muss, um nachhaltig zu sein, ohne dass dies einen kompletten Verzicht auf Fleisch bedeuten muss.

Ein saisonaler, vielfältiger Genuss ist auf Basis von in der Großregion produziertem Obst und Gemüse auf jeden Fall möglich. Das bedeutet: Äpfel und Birnen statt Mango und Kiwi. Linsen, Erbsen und Soja aus regionalem Anbau statt Kichererbsen aus subtropischen Gebieten. Verschiedene Getreide wie Weizen, Roggen und Dinkel erlauben die Herstellung von vielfältigen Brotsorten und Teigwaren. Gemüse wie Kohlrabi, Mangold, Salat, Zuckerbohnen, Fenchel und auch Obst wie Erdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren wachsen auf dem 2.000 m²-Feld; man sieht also, dass „regional“ keinesfalls „monoton“ bedeuten muss. Im Gegenteil, es ist überraschend und schön zu sehen, welche Vielfalt an Obst und Gemüse wir in unseren Regionen anbauen können. Die Zusammenhänge zwischen Verbrauchsgewohnheiten, landwirtschaftlicher Fläche und Umwelt – insbesondere dem Klimaschutz – werden anhand des Feldes mit einer Fläche von 2.000 m² am Haus vun der Natur dargestellt und begehbar gemacht. Der Anbau auf dieser Fläche zeigt, dass eine nachhaltige, saisonale Ernährung mit biologisch produzierten Lebensmitteln und gleichzeitigem Schutz von Ressourcen realisierbar ist.

Die Besucher*innen sind i. d. R. begeistert und gleichzeitig beeindruckt, wie wenig Platz für die Ernährung einer Person benötigt wird. Das Bewusstsein dafür zu schaffen, wie viel Ressourcen und Platz es tatsächlich braucht, um Konsumgüter herzustellen, ist vor allem mit Hinblick auf die Zukunft ein sehr wichtiger Punkt. Deshalb wird es auch weiterhin von grundlegender Wichtigkeit sein, die Menschen darüber aufzuklären, welchen Impakt die jeweils unterschiedlichen Lebensstile auf Umwelt, Gesundheit und Mitmenschen haben.

Das „2000 m² für unser Essen“-Projekt bezieht sich auf Nahrungsmittel, doch ähnliche Projekte mit Textilien oder elektronischen Geräten und ihrem öko-sozialen Impakt wären weitere Sensibilisierungsmöglichkeiten für die Zukunft. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und einer bereits beeinträchtigten Umwelt wird es immer wichtiger zu wissen, wie sich unser Handeln auf globaler Ebene auswirkt. Denn nur wenn man die Informationen hat, kann man vernünftige oder zumindest verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.

Das Projekt läuft bis 2023. Interessent*in­nen­ können das „2000 m² für unser Essen“-Feld von Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 17 Uhr besuchen und/oder an einem dazugehörigen Workshop teilnehmen. Bleiben Sie informiert unter 2000m2.lu, naturemwelt.lu oder www.facebook.com/2000m2.lu/.

  1. Bernhard Freyer (Hg.), Ökologischer Landbau – Grundlagen, Wissenstand und Herausforderungen, Bern, Haupt, 2016.
  2. http://dx.doi.org/10.1038/s41467-017-01410-w (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 26. Juni aufgerufen).
  3. https://gouvernement.lu/de/publications/accord-coalition/2018-2023.html

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code