Besser verstehen – besser teilhaben

Luxemburg ist seit 2011 gesetzlich dazu verpflichtet, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen. Dazu gehören auch das Recht auf Mitsprache sowie der Zugang zu Information, die in den Artikeln 9 und 21 der Konvention verankert sind. Das offiziell dreisprachige Luxemburg steht aber in vielen Bereichen noch am Anfang seines Weges zu einer durchgehend barrierefreien Kultur im Land.

Welche Barrieren gibt es?

Warum etwas kompliziert ausdrücken, wenn es auch einfach geht? Gesetze, Verträge, Briefe von Verwaltungen, Beipack-Zettel, Nachrichten, Wahlprogramme, Fahrpläne und Hinweistafeln,… Etliche Informationen sind schwer verständlich geschrieben und gestaltet. In manchen Dokumenten wird eine viel zu kleine Schrift benutzt. Andere Informationsblätter sind überladen und unübersichtlich gestaltet, so dass sie das Lesen sehr mühsam machen. Das gilt auch für Internet-Seiten. Sehr häufig werden offizielle Dokumente und Informationen nur auf Französisch veröffentlicht. Die Internetseite „guichet.lu“ ist mittlerweile auf Deutsch und Französisch verfügbar, aber die Formulare selbst stehen oft nur in französischer Sprache zur Verfügung.

Auch die gesprochene Sprache kann ein Hindernis sein: schnelles Sprechen ohne Pause, mit Fremdwörtern und Nebensätzen geschmückte Reden und Vorträge, Fachsprache in den Verwaltungen und vor Gericht. Eigentlich betreffen diese Barrieren viele Bürger, Menschen mit Behinderungen aber ganz besonders. Blinde und Gehörlose benötigen technische Hilfen, um an die Informationen zu gelangen.

Für Menschen mit Lernschwierigkeiten (also einer intellektuellen Beeinträchtigung) gibt es die „Leichte Sprache“. Sie ist ein möglicher Weg, um komplizierte Informationen einfacher zu formulieren, zu gestalten, zu sprechen, und es so den Adressaten zu erlauben, sich selbständiger zu informieren. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben oft keine oder nur wenig Lesekompetenz. Manche Nicht-Lesende hören lieber Informationen, aber auch diese müssen klar und einfach gesprochen sein. Auch andere Menschen profitieren von leicht verständlicher Sprache, z.B.:

-Personen, welche die Landessprache
wenig beherrschen
-Personen, die sich schnell einen Überblick verschaffen möchten und keine Lust auf die Lektüre langer Texte haben
-„Funktionale Analphabeten“, also Menschen mit begrenzten Lese- und Schreibfähigkeiten, die für die Anforderungen im jeweiligen Kulturkreis nicht ausreichen
-Menschen mit altersbedingten Einschränkungen

Was ist Leichte Sprache?

Die Begriffe „Leichte Sprache – einfache Sprache – easy to read – facile à lire et à comprendre (FALC)“ meinen eine sehr klare Sprache, die sich auf die wesentlichen Informationen beschränkt. Sie richtet sich an Erwachsene und ist nicht banal oder kindlich. Während wir in der Schule gelernt haben, möglichst abwechslungsreich mit verschiedenen Begriffen zu jonglieren und viele Nebensätze zu machen, geht es bei der Leichten Sprache um das Gegenteil. Das Hauptziel ist: Wie bekomme ich die Information so gut verständlich wie nur möglich an die Frau oder an den Mann gebracht? Welche unnötigen Barrieren kann ich im Sinne der Leser- oder Zuhörerschaft aus dem Weg räumen, damit die Information sie besser erreicht? Leichte Sprache ist ein zusätzliches Angebot.

Regeln helfen, eine möglichst einheitliche Schreibweise in den Dokumenten zu bekommen. Diese Regeln für Leichte Sprache wurden vor etwa 20 Jahren im Rahmen eines europäischen Projektes zusammen mit Menschen, die Lernschwierigkeiten haben, entwickelt. Es geht dabei um Dokumente, Vorträge, Filmbeiträge und Internet-Seiten.

Die Regeln betreffen Inhalt, Satzbau, Wörter, Zahlen und Zeichen, Gestaltung, Bilder und das Prüfen der Texte. Die Sätze sind kurz. Man packt nur eine Idee in den Satz. Komplizierte Zeitformen werden weggelassen. Die Schrift ist gerade und größer als gewohnt. Die Wörter kommen aus der Alltagssprache. Wenn Fremdwörter oder Abkürzungen vorkommen, werden sie erklärt. Beispiele und Bilder können da gut helfen.

Die Gestaltung spielt eine wichtige Rolle: kurze Abschnitte, linksbündig mit Flattersatz, Überschriften, Farben als Leitsysteme, dezente Dekoration, keine Blockbuchstaben…Ein nicht unwesentlicher Teil hiervon stimmt mit Richtlinien aus Redaktion und Grafik überein.

Je nach Bedarf müssen die Regeln auf die Situation des einzelnen Landes angepasst werden. Luxemburg befindet sich durch seine drei offiziellen Sprachen in einer besonderen Situation. Zahlreiche Dokumente sind nur auf Französisch verfügbar. Menschen mit schwachen Lesekenntnissen, die ihre Schullaufbahn innerhalb des Luxemburger Schulsystems gemacht haben, können meistens besser Deutsch als Luxemburgisch lesen. Französisch haben sie oft gar nicht erst gelernt. Auch viele Gehörlose machen ihre Schulkarriere auf Deutsch. Daher werden die Texte in Leichter Sprache auf Deutsch verfasst, und falls nötig in eine weitere Sprache übersetzt.

Das gesprochene Luxemburgisch ist nicht unbedingt dasselbe wie das geschriebene, da wir jede Menge Dialekte im Land haben. Man muss auch beachten, dass im Luxemburgischen oft Begriffe benutzt werden, die es so im Deutschen nicht gibt. Das können Namen für Dienste, Maßnahmen oder sonstige Ausdrücke sein. Beispiel: Vertrag – Kontrakt, Reißverschluss – Tirette. Es ist daher in Luxemburg üblich, dass beide Begriffe in der leichten Übersetzung stehen.
Die Prüfer

Die Dokumente und Bilder, die in Leichte Sprache umgeschrieben wurden, werden vor Herausgabe noch geprüft. Und zwar von Vertretern aus der Zielgruppe. Das ist sehr wichtig. In diesem Fall sind das Menschen mit Lernschwierigkeiten. Diese Experten in eigener Sache arbeiten zum Beispiel in geschützten Werkstätten. So zum Beispiel bei Klaro, einer Initiative der APEMH. Die Prüfer für Leichte Sprache lernen Texte und Bilder kritisch zu prüfen. Was noch nicht verständlich
genug ist, wird noch einmal umgeschrieben oder anders erklärt. Zur Zeit arbeiten sie zusammen mit Klaro an einem elektronischen „Leichte Sprache-Wörterbuch“ für Luxemburg. Menschen mit Lernschwierigkeiten machen diese Tätigkeit im Rahmen ihrer Arbeit. Sie erklären auch Professionellen in Fortbildungen, wie Leichte Sprache funktioniert.

Leichte Sprache heißt allerdings nicht, dass jeder sie versteht. Es gibt immer Personen, die durch ihre Behinderung die persönliche Unterstützung von einem anderen Menschen brauchen werden und Inhalte nur begrenzt verstehen können.

Zukunft der Leichten Sprache in Luxemburg

Wir brauchen mehr Kenner und Koordinatoren vor Ort sowie in den Verwaltungen. Sie sollten Fortbildungen besucht haben und als Ansprechpartner dienen. Sie sollten sich mit Barrierefreiheit gut auskennen. Die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik müssen mehr Budget einplanen, damit Artikel 9 und 21 der Konvention umgesetzt werden können. Manche Verwaltungen in Ministerien oder Gemeinden fühlen sich zwar angesprochen, aber es fehlt noch der automatische Reflex, Dokumente so zu verfassen, dass sie alle Bürger erreichen. Es fehlt ein detaillierter Aktionsplan für die einzelnen Abteilungen.

Braucht man noch ein kompliziertes Formular, wenn es auch einfach geht? Wir stellen fest: Sobald es eine vereinfachte Version gibt, benutzt niemand mehr das komplizierte Formular oder liest einen langen Bericht. Demnach ist es in vielen Fällen günstiger, von vornherein leicht verständliche Dokumente für Bürger zu verfassen. Man braucht nicht immer x verschiedene Versionen. Wenn Themen leicht veröffentlicht werden sollen, muss das von Anfang an mit eingeplant werden, damit auch die Grafiker eine barrierefreie Gestaltung in Betracht ziehen können.

Ein anderer Ansatz wäre mehr KoProduktion, wo Gestalter und Nutzer zusammen arbeiten, um die nötigen „Produkte“ oder Angebote nutzerfreundlicher zu verwirklichen. Denn oft reicht es nicht, nur in einem bestimmten Moment mitreden zu dürfen. Es bringt mehr, wenn ein Angebot durchgehend gemeinsam gestaltet wird. Menschen mit Lernschwierigkeiten könnten mehr einbezogen werden, um Themen aufzubereiten: In der Presse, in der Verwaltung, beim Entwurf von Wege-
leitsystemen und Informationstafeln,… In der Presse werden immer mehr Infografiken und Bilder eingebaut, was ein guter Schritt ist. Leicht verständliche Bilder und klare Infografiken helfen, Inhalte besser zu verstehen.

Im Ausland gibt es in manchen Zeitungen auch zusätzliche Seiten in Leichter Sprache, wie zum Beispiel in der Zeitschrift Das Parlament aus Deutschland, wo Themen leicht erklärt werden. Oder eine Redaktion in Österreich, in der Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv mitarbeiten: Das ist dann echt gelebte Inklusion.

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