Wenn man über die Zukunft der Demokratie nachdenkt, führt kein Weg an den Jugendparteien vorbei, von denen wir die sieben, deren Mutterparteien in der Chamber vertreten sind, um Antworten auf drei Fragen gebeten haben. ADRenalin, die CSJ, ELO!, die JDL, die jonk gréng, und die JSL haben uns Antworten geschickt zum Zustand der Demokratie in Luxemburg und zur demokratischen Praxis in ihrer eigenen Partei.
1.Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell und in der Zukunft für die Demokratie in Luxemburg?
2.Welche Vorschläge haben Sie zur Weiterentwicklung der Demokratie in Luxemburg?
3.Wie schätzen Sie die demokratische Praxis in Ihrer eigenen Partei ein?
ADRenalin
1. Die sozialen Medien fordern ihren Tribut. Politik ist polarisierender geworden, wo doch der Konsens lange Jahre oberstes Gebot in Luxemburg war. Getrieben durch die sozialen Reaktionen auf Facebook & Co, die allzu leichtfertig als Meinungsumfrage gedeutet werden, ist Politik auch sprunghafter und dadurch weniger nachhaltig geworden. Nachhaltigkeit als multidimensionales Denken – sozial, ökologisch und ökonomisch – überfordert aber nicht nur Politiker, die sich persönlichen und parteiischen strategischen Überlegungen und dann auch noch dem Wohl des Wählers unterordnen müssen.
Trotzdem bergen Polarisierung und Sprunghaftigkeit Gefahren für die Demokratie. Sie verleiten zu einer Umdeutung oder wenigstens einer Verwischung politischer Prinzipien und Grundwerte. So ist die Missachtung der Gewaltentrennung kein Kavaliersdelikt, sondern ein Attentat auf jegliche Demokratieform. In Luxemburg häufen sich diese Grenzüberschreitungen und werden prompt verharmlost.Nicht minder schwer wiegt ein politischer Diskurs, der nicht mehr anecken will und der mehr verschweigt, als er offen ausspricht. Wenn ein Premier in der Abgeordnetenkammer mehrfach von drei Landessprachen spricht, macht er eine sachliche Diskussion unmöglich. Wer eine politische Orientierungsskala von extrem rechts bis extrem links mutwillig auflöst, um – trotz ausdrücklich anderslautender wissenschaftlicher Analysen – eine Partei als rechtsextrem oder rechtspopulistisch zu verunglimpfen, bringt Demokratie und Meinungsfreiheit in Gefahr. Bringt diese diffuse Segregation Erfolg, werden ihr weitere oppositionelle Parteien zum Opfer fallen.
2. Die Verwischung der Begriffe verbirgt freilich schlecht Widersprüche, die sich in der Politik auftun. Aktuell tun sich die drei Regierungsparteien sehr schwer zu kaschieren, wie wenig ihre Regierungsarbeit ihren Parteiprogrammen entspricht. In diesem Spannungsfeld ist die größte Herausforderung der Politik, zu einer Linie des gesunden Menschenverstands und zu einem konsenssuchenden Dialog zurückzufinden, in scharfem Kontrast zum aktuellen Gegeneinanderausspielen von Interessengruppen.
Referenden und die Möglichkeit, Petitionen einzureichen, sind sehr gute Ansätze, Politik näher an den Bürger zu bringen. Sieht man die Konzentration der Macht innerhalb der Zivilgesellschaft, die immer mehr eine Einheitsmeinung vertritt, sind die Möglichkeiten individuellen Mitwirkens und Meinungsäußerns überlebenswichtig für die Demokratie, besonders wenn ihre Standpunkte als Ansatz für politische Weiterbildung der Wähler genutzt werden. Die Politik sollte sich hüten, diesen keimenden demokratischen Meinungsausdruck wieder einzugrenzen, weil ihr 2015 ein Resultat nicht passte. Ansonsten gibt es in Luxemburg das gern beschworene Demokratiedefizit nicht! Denn wohl jeder Einwohner Luxemburgs hat das Recht der Stimmabgabe für sein nationales Parlament.
3. Die ADR ist eine Partei der kurzen Wege mit sehr hohem Mitspracherecht. Neumitglieder erwartet eine klar strukturierte Karriere, die sie in absehbarer Zeit in viele entscheidungsbefugte Gremien bringen kann. Programmatisch bietet die ADR Platz für ein großes, konservatives bis bürgerlich rechtes Meinungsspektrum. Die ADR überzeugt durch den Freiraum, den sie jedem einzelnen lässt, seinen politischen Gestaltungswillen in die Partei einfließen zu lassen.
CSJ
Alex Donnersbach
1. Mit den Veränderungen in unserer Gesellschaft müssen wir auch hinterfragen, ob unsere demokratischen Institutionen, Regeln und Prozesse heute noch unseren Ansprüchen genügen. So steht unsere Demokratie in Luxemburg ganz klar vor einigen Herausforderungen. Diese betreffen das Wahlrecht sowie sinnvolle Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung, aber auch die Art und Weise, wie unsere gewählten Vertreter ihre Mandate – und damit ihre wichtigen Aufgaben im Dienste der Menschen – überhaupt erfüllen können. Insbesondere müssen wir uns fragen: Sind die Doppelmandate des Bürgermeisters/Schöffen und Abgeordneten heutzutage noch vertretbar und im Interesse der Menschen in Luxemburg?
Ich erwarte mir jedenfalls, dass meine gewählten Vertreter sich intensiv und vollzeitig mit den Problemen beschäftigen, für welche sie gewählt worden sind. Als Abgeordneter gilt es, sich in die Themenbereiche einzuarbeiten, Lösungsansätze zu entwickeln oder zu hinterfragen und dabei regelmäßig im Dialog mit den Bürgern zu stehen. Als Bürgermeister oder Schöffe gilt es heute, kleine und große Gemeindeverwaltungen zu führen und viel Präsenz auf dem Gemeindegebiet bei den zahlreichen Vereinen und Organisationen zu zeigen. Die Arbeitsbelastung eines Bürgermeisters und teilweise selbst die eines Schöffen verlangt heute genauso nach einem Vollzeitmandat wie jene eines Volksvertreters im Parlament.
Dennoch sind fast die Hälfte (25 von 60) aller Volksvertreter auch als Bürgermeister und Schöffe in den Gemeindeverwaltungen tätig. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass manche Abgeordnete, trotz Anstrengungen und guten Willens, ihre nationalen Aufgaben manchmal vernachlässigen. Dazu kommt, dass der Bürgermeister oft nur noch administrativer Verwalter von Projekten ist, da er keine Zeit hat, die Initiative zu ergreifen. Neben dem Zeitfaktor gibt es weitere Probleme mit den Doppelmandaten. Es stellen sich regelmäßig Fragen von potenziellen Interessenkonflikten: Nicht wenigen Député-Maires/Echevins geht es bei dem Nationalmandat auch um die Wahrung ihrer lokalen Interessen. Alles zusammen schadet dies am Ende wiederum der repräsentativen Demokratie in Luxemburg.
2. Ich bin überzeugt, dass eine Mandatstrennung in Luxemburg eine Stärkung unserer demokratischen Gesellschaft bedeutet und es im Sinne aller ist, wenn unsere lokalen und nationalen Politiker sich auf ein Amt konzentrieren können. Deshalb fordern wir als CSJ:
- eine verfassungsrechtliche Verankerung der Mandatstrennung zwischen dem Amt des Abgeordneten und dem des Bürgermeisters und des Schöffen ab dem Jahr 2023,
- die Professionalisierung der Mandate des Schöffenrates mit entsprechender Entlohnung und entsprechendem „congé politique“,
- die Aufwertung des Abgeordnetenmandats mit dementsprechendem „congé politique“ und Bereitstellung der notwendigen Mittel u.a. für zusätzliche Mitarbeiter für Fraktionen und für das Parlament.
Um den Stimmen der Gemeindevertreter und damit den lokalen Interessen in der nationalen Debatte weiterhin Gehör zu verschaffen, sollten alle Gemeinden in einer Institution, ähnlich einer „Chambre professionnelle“, vertreten sein, um insbesondere kommunalrelevante Gesetzesvorhaben des Parlaments mit obligatorischer, beratender Stimme zu begleiten und in einigen Fällen eine „Opposition formelle“ im Vorbild des Staatsrates einlegen zu können.
3. Seit ich 2012 der CSV beigetreten bin, hat sich in diesem Bereich vieles weiterentwickelt. Die Mitgliedsbestimmung wurde durch die Statutenreform von 2015 deutlich erweitert. Dies war sicherlich auch den Bemühungen der Jugendpartei zu verdanken. Eine dieser Neurungen, die Einführung eines Themenkongresses, wurde erst kürzlich genutzt, um unseren Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, an der Ausarbeitung der CSV-Klimastrategie mitzuwirken. Die Möglichkeiten sind demnach auf Papier gegeben, es liegt jetzt an uns Parteimitgliedern, sie auch regelmäßig mit Leben zu füllen.
Elo!
(Ekologesch Lénk Jugendorganisatioun)
1. Beim Thema Demokratie kommt man in den heutigen Zeiten nicht daran vorbei, über den allgemeinen Rechtsruck zu reden – in Luxemburg und in Europa. Hier in Luxemburg sehen wir uns – zum Glück – noch nicht von den gleichen rechtsradikalen Kräften bedroht, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Und dennoch: Zum einen wissen wir, dass uns auch hier die gleichen Gefahren wie in unseren Nachbarländern drohen, zum anderen gibt es auch heute schon bei uns vereinzelte Personen, die unsere Meinungsfreiheit bedrohen, indem sie immer wieder Anzeigen gegen politische GegnerInnen erstatten um diese so einzuschüchtern.
In der ganzen Diskussion um RechtspopulistInnen sollte jedoch eine andere, zurzeit weitaus akutere Gefahr für unsere Demokratie nicht zu kurz kommen. Die neoliberale Wirtschaftspolitik, die in den meisten industrialisierten Ländern herrscht, beeinflusst immer größere Teile des gesellschaftlichen Lebens. Durch bilaterale Freihandelsabkommen wie CETA, das womöglich demnächst im luxemburgischen Parlament gestimmt wird, wird unsere Demokratie immer weiter eingeschränkt. Multinationale Unternehmen können dadurch vor privaten Schiedsgerichten gegen Gesetzgebungen klagen (mit großer Chance auf Erfolg), wenn diese ihren erwarteten Gewinn schmälern könnten. Neben den sozialen und ökologischen Folgen solcher Abkommen muss man daher feststellen, dass PolitikerInnen, die diese Abkommen unterstützen, ihren eigenen Handlungsspielraum stutzen.
2. Erstens sind wir der Meinung, dass das Wahlrecht reformiert und erweitert werden muss, um so viele Menschen wie möglich in Luxemburg an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Dazu gehören unter anderem ein fakultatives Wahlrecht für Jugendliche ab 16 sowie das Einwohnerwahlrecht.
Zweitens sind wir der Meinung, dass Demokratie viel mehr ist, als an Wahlen oder Referenden teilzunehmen. Zum einen soll die Zivilgesellschaft die Möglichkeit bekommen, selber Gesetzesvorschläge in das Parlament einzubringen, welche dann auch debattiert werden müssen. Genau so muss es möglich sein, vor einem Verfassungsgericht zu klagen.
Schließlich ist besonders die lokale Ebene gut geeignet, um die Demokratie weiterzuentwickeln und BürgerInnen in die Prozesse einzubinden. Die Einführung eines partizipativen Budgets, bei dem die BürgerInnen am Prozess zur Planung des öffentlichen Haushalts beteiligt werden, könnte beispielsweise eine solche Möglichkeit darstellen. Eine größtmögliche Beteiligung bei der Planung von Einnahmen und Ausgaben öffentlicher finanzieller Mittel von Menschen unterschiedlicher Herkunft und jedes Alters könnte mehr Transparenz und eine sozial gerechte und bedarfsorientierte Gestaltung des Budgets sicherstellen.
3. „Elo“ wurde erst vor einigen Monaten gegründet und befindet sich noch in der Findungsphase. Bisher wurden alle Entscheidungen einstimmig getroffen und alle Mitglieder können sich so in die Arbeit einbringen, wie sie wollen und ihre Zeit das zulässt.
Bei déi Lénk herrscht eine sehr basisdemokratische Struktur mit flachen Hierarchien. Jedes Mitglied hat Zugang zu fast jedem Gremium und Stimmrecht beim jährlichen Kongress. Seit einiger Zeit wird mit alternativen Möglichkeiten experimentiert, um so viele Mitglieder wie möglich in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubinden. So wurde zum Beispiel vor kurzem jedes Mitglied eingeladen, an einer Online-Umfrage über politische Positionen sowie interne Strukturen von déi Lénk teilzunehmen.
Trotz all dieser Möglichkeiten gibt es immer noch einige Mitglieder, die nicht vollkommen einbezogen werden konnten, so dass auch in Zukunft Maßnahmen ausprobiert werden müssen, um den Partizipationscharakter der Partei zu stärken.
JDL – Jonk Demokraten
Lou Linster
1. Bereits bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts vor 100 Jahren wurde das Ausländerwahlrecht thematisiert. Infolge des letzten Referendums wird es allerdings wohl noch eine Weile dauern, bis es wieder weiter oben auf der politischen Agenda stehen wird. Dabei scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Luxemburger bevölkerungstechnisch in der Minderheit sein werden. Angesichts dieser Entwicklung scheint mir ein Demokratiedefizit immanent.
Die Einführung des Ausländerwahlrechts allein würde das Problem des Demokratiedefizits jedoch nicht von heute auf morgen lösen. Es existiert ja bereits bei Kommunal- und, für EU-Bürger, bei Europawahlen. Trotz aufwendig gestalteter Werbekampagnen gelingt es jedoch weder der Regierung noch den Parteien, Nicht-Luxemburger in nennenswerter Anzahl zu mobilisieren. Das wäre bei der Einführung eines Ausländerwahlrechts bei Legislativwahlen a priori nicht anders.
Eine weitere Herausforderung stellt die Überarbeitung des veralteten Wahlsystems dar, das den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Wie Umfragen belegen, fordert eine Mehrheit die Schaffung eines Einheitsbezirks bei gleichzeitiger Beibehaltung des Panaschierens. Dies scheint einer Quadratur des Kreises gleichzukommen.
2. Meiner Meinung nach muss die Lokalpolitik in der Mobilisierung der nicht-luxemburgischen Mitbürger eine stärkere Rolle spielen, weil die lokalen Mandatsträger und Kandidaten näher an deren Problemen dran sind. Eine höhere Anzahl an nicht-luxemburgischen Kandidaten auf den einzelnen Listen wäre ein erster Schritt hin zu einer höheren Mobilisierung der Nicht-Luxemburger. In den Schöffen- und Gemeinderäten sind bislang nur sehr wenige Nicht-Luxemburger vertreten.
Eine weitere Lösung könnte der Ausbau des Zentrums fir politesch Bildung sein sowie die regelmäßige Organisation von Rundtischgesprächen in Schulen – und zwar nicht nur vor Wahlen – mit dem Ziel, zumindest die Jugend politisch stärker zu mobilisieren.
Um den sich mehrenden Forderungen nach einer Reform des Wahlsystems Rechnung zu tragen, hat die DP einen entsprechenden Arbeitskreis ins Leben gerufen, der diesbezüglich Vorschläge ausarbeiten soll.
3. Das politische Engagement fängt oft auf der lokalen Ebene an. In den Lokalsektionen der DP wird i.d.R. jeder in den Vorstand aufgenommen, der sich meldet, und die meisten liberalen Gemeindepolitiker, ob Bürgermeister, Schöffen- oder Gemeinderäte, binden den Vorstand ihrer Sektion eng in den Entscheidungsprozess mit ein. In der DP ist es jedoch nicht anders als bei den anderen großen Parteien auch: Wer es bis ganz nach oben schaffen will, muss lange dabei sein und hart arbeiten.
Die JDL nehmen regelmäßig Einfluss auf die politischen Positionen der DP. So wurden in den letzten Jahren viele Vorschläge der JDL in die Wahlprogramme der DP übernommen. Dazu zählen die Cannabis-Legalisierung, die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten oder die Legalisierung von Blut- und Plasmaspenden durch homosexuelle Männer. Zudem gesteht die DP der JDL eine feste Anzahl an Delegierten in ihren unterschiedlichen Gremien zu, vom Vorstand der Lokalsektion bis hin zum Comité Directeur.
Außerdem setzt sich die JDL für mehr Partizipation innerhalb der DP ein. So wurden 2014 auf unsere Initiative hin themenspezifische Arbeitskreise innerhalb der DP eingeführt, deren Aufgabe es ist, der Parteiführung regelmäßig konkrete Vorschläge zu unterbreiten. U.a. dem Engagement der JDL ist zu verdanken, dass sich diese Arbeitskreise regelmäßig treffen.
jonk gréng
Jessie Thill, Meris Sehovic
1. Eine der größten Herausforderungen für die Demokratie in Luxemburg und in ganz Europa stellt aktuell der generelle Vertrauensverlust in die Politik, die repräsentative Demokratie und in die Medien dar. Beeinflusst wird dieses Phänomen einerseits sicherlich durch die hemmungslose Verbreitung von „Fake News“ und den immer konkreter werdenden Missbrauch von persönlichen Daten. Hinzu kommt andererseits, dass das Parlament hierzulande von weniger als der Hälfte der in Luxemburg wohnenden Bürger*innen gewählt wird, was leider weder zur Repräsentativität noch zur Stärkung der Demokratie im Land beiträgt.
100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts sind Frauen noch immer politisch unterrepräsentiert: 5 von 17 Regierungsmitgliedern und 12 von insgesamt 102 Bürgermeister*innen sind weiblich; im nationalen Parlament machen Frauen weniger als 30% der Abgeordneten aus.
2. Um die Demokratie in Luxemburg weiterzuentwickeln, muss auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden. Auf lokaler Ebene sehen wir vor allem die Möglichkeit, die Wahlpflicht bei den Gemeindewahlen auf ausländische Einwohner*innen auszuweiten. Auch die junge Generation muss stärker eingebunden werden. Die Klimaproteste der letzten Monate haben gezeigt, dass diese stark politisiert ist und sich mit Erfolg für Themen wie Klima- und Umweltschutz eingesetzt hat. Diese Dynamik gilt es zu nutzen, indem man sie stärker in politische Prozesse einbindet, z. B. durch die Gewährung des Wahlrechts ab 16. Auch bei der Bürgerbeteiligung besteht noch Verbesserungsbedarf. Warum nicht Bürger*innenräte auf lokaler und nationaler Ebene, bestehend aus zufällig ausgelosten Bürger*innen, ins Leben rufen, als Beitrag zu einer besseren Einbindung der Menschen in politische Entscheidungsprozesse?
Neben den dringend notwendigen Reformen des Wahlrechts gibt es aber viele weitere Stellschrauben, an denen gedreht werden sollte. So zum Beispiel durch eine überfällige Reform des Staatsrates, um diesen transparenter zu gestalten und seine Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürger*innen zu stärken, oder auch durch die Abschaffung der Doppelmandate und einer parallelen Aufwertung der kommunalen und nationalen Mandate. Auch bei der Unterstützung von Frauen und verletzlichen Gruppen im politischen Bereich ist noch Luft nach oben.
3. Die basisdemokratische Kultur macht einen wichtigen Teil der grünen DNA aus. Auch zu Zeiten grüner Regierungsbeteiligung wird die Basis weiter in Entscheidungsprozesse und Prozesse zur Weiterentwicklung der Partei eingebunden, wie zum Beispiel durch ihre aktive Mitarbeit in Arbeitsgruppen zu allen möglichen gesellschaftlichen und politischen Schwerpunkten. Durch die paritätische Besetzung von parteiinternen Gremien wird außerdem sichergestellt, dass keine Geschlechtergruppe außen vorgelassen wird und alle Mitglieder gleichberechtigt eingebunden werden können. Dies gilt auch für die jungen Menschen, wurde doch innerhalb der Partei ein Umfeld geschaffen, in welchem ihre Stimme gehört wird und ihnen so ermöglicht wird, aktiv mitzureden und mitzuarbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen Partei und ihrer Jugendorganisation beruht somit auf einer respektvollen und vertrauensvollen Basis.
Es ist klar, dass auch innerhalb unserer Partei die Anstrengungen in Sachen Transparenz und Rechenschaftspflicht weitergedacht werden müssen. Rezente Ereignisse haben gezeigt, dass ein Deontologie-Kodex für die Ausübung lokaler Mandate dringend benötigt wird. Deshalb erscheint es uns wichtig, dass wir diese Diskussion in der Gesellschaft führen, und gleichzeitig als Partei mit gutem Vorbild vorangehen, beispielsweise in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung für unsere Mandatsträger*innen.
JSL
Georges Sold
1. In Luxemburg werden wir uns in den nächsten Jahrzehnten mit zwei grundlegenden Fragestellungen auseinandersetzen müssen, wenn wir uns weiterhin als Demokratie verstehen wollen. Und nein, eine davon wird diesmal nicht der Klimawandel sein. Zum einen geht es um den Aspekt der Kommunikation. Das Demos, das Volk, kann nur dann vernünftig regieren, wenn es sich verständigen kann. In Zeiten der digitalen Revolution, in denen Informationen und Nachrichten in Sekundenschnelle Verbreitung finden, ist es von elementarer Bedeutung, die Informationen auch qualitativ auswerten und verstehen zu können. Es hilft uns beispielsweise nicht, eine ungefähre Vorstellung von „Fake News“ und Populismus zu haben, nur um irgendwie am öffentlichen Diskurs teilhaben zu können. Wenn diese Begriffe scheinbar willkürlich dazu verwendet werden, politische Gegner zu diskreditieren, laufen wir Gefahr, dem Streich des Hirtenjungen zum Opfer zu fallen und die Bedrohung durch den wahren Wolf Populismus nicht mehr zu erkennen, wenn es soweit ist. Wenn Bürger*innen durch mangelnde Sprachbildung nicht am öffentlichen Diskurs teilhaben können, werden sie damit unweigerlich von demokratischen Prozessen ausgeschlossen. Was auf den ersten Blick abstrakt erscheinen mag, manifestiert sich durch eine Diskriminierung großer Bevölkerungsteile, die nicht wahlberechtigt sind, unter anderem aus Gründen der Sprachdifferenz.
Zum anderen werden wir uns mit dem Feminismus beschäftigen müssen. Luxemburg scheint sich zwar mittlerweile langsam mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau anfreunden zu können, die wirkliche Gleichstellung der Geschlechter ist allerdings noch weit entfernte Zukunftsmusik. Dieses Zusammenspiel von bewusster Sprachbedienung und der damit verbundenen Wertschätzung feministischer Forderungen ist der Grundstein einer Demokratie, an der beide Geschlechter gleichmäßig teilhaben können.
2. Aufbauend auf den zwei Fragestellungen, von denen ich denke, dass wir uns ab heute damit beschäftigen sollten, müssen wir Sprache und ihre Vermittlungsrolle ausgiebig und tiefgründig in Schulen lehren. Da die gesamte Gesellschaft – und Luxemburg aufgrund der Mehrsprachigkeit im Besonderen – auf das gemeinsame Verständnis von Sprache angewiesen ist, müssen wir uns dementsprechend intensiv von Beginn an mit ihr beschäftigen. Es hilft unserer Demokratie wenig, wenn Sprache für uns nur aus Vokabeln und Voltaire besteht, während politische Rhetorik und Metaphorik kaum bis gar nicht behandelt werden. Ziel der Bildungseinrichtungen sollte auch nicht sein, so viele Sprachen wie nur möglich innerhalb kürzester Zeit in die Köpfe zu prügeln. Vielmehr sollte der Fokus auf einer Sprache liegen, die es zu meistern gelte, während die anderen eher als zusätzliche Leistung angesehen werden sollten.
Die Gleichstellung der Geschlechter sollte ebenfalls bereits von Beginn an gelehrt werden. So ist es wichtig, dass Kinder von Anfang an lernen, was Parität bedeutet. Parallel dazu müssen mehr Kampagnen und Gesetze in die Wege geleitet werden, denen die Gleichstellung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit zugrunde liegen.
3. Die LSAP legt besonderen Wert auf demokratische Prozesse. Das heißt jedoch nicht zwingend, dass diese in der Praxis immer zur Geltung kommen. Machtgehabe und kleinere Intrigen sind das Übel der Politik. Wir müssen lernen, uns von diesem Geplänkel zu verabschieden, wenn wir jemals wahrhaft demokratisch agieren wollen.
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