Während das Alte noch eine ganze Weile die Situation zu beherrschen scheint, bahnt sich das Neue unter der Oberfläche schon seinen Weg. So schien zum Beispiel die Zukunft der Pferde in den Straßen von New York zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesichert. Ihre Zahl war sogar derart gestiegen, dass die Stadtverantwortlichen die Tausenden von Tonnen Pferdekot und Gülle, die die Tiere jeden Tag auf den Straßen abließen, als eine der größten Herausforderungen für die Entwicklung ihrer Metropole einschätzten. Es ist – wie wir wissen – dann ganz anders gekommen, und schon in den 30er Jahren waren Pferde­kutschen in New York eine absolute Rarität.

Die Geschichte der Medien macht da natürlich keine Ausnahme und der Wandel geht auch in diesem Bereich zügig voran. So scheint der 15 Jahre währende Siegeszug der herkömmlich(en) sozialen Medien schon wieder gebrochen zu sein. Die Entwicklung geht weg von den Plattformen, die mit dem Versprechen angetreten waren, die Menschen weltweit in Kontakt zu bringen. Facebook und selbst Instagram sehen heute alt aus, und stattdessen haben sich Plattformen wie TikTok durchgesetzt, bei denen die überwältigende Mehrheit der NutzerInnen sich auf passiven Konsum beschränkt. Ihr Input wird nicht einmal mehr über Likes abgefragt, sondern der Algorithmus füttert sich über die Zeit, die die Menschen mit den verschiedenen Inhalten verbringen, bevor sie weiterklicken. Plattformen wie TikTok oder Youtube liefern heute alles in kleinen und größeren Häppchen: von Unterhaltung über Meinungen bis zu tagesaktuellen (Fake-)News. Die Kommunikation zwischen den Menschen findet demgegenüber zusehends in mehr oder weniger geschlossenen Gruppen statt, sei es auf Telegram oder WhatsApp. Hier kann man relativ unbehelligt in einer Gruppe Gleichinteressierter oder Gleichgesinnter miteinander kommunizieren.   

Die Entwicklung geht weg von den Plattformen, die mit dem Versprechen angetreten waren, die Menschen weltweit in Kontakt zu bringen.

MeinungsbildnerInnen und MeinungsführerInnen, die wir heute Influencer nennen, finden in diesem Umfeld neue Kanäle, um sich an ihr Publikum zu wenden. Sie sind vielfach ExpertInnen in ihrem Bereich, aber auch Projektions­flächen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, ErsatzfreundInnen oder einfach erfolgreiche VerkäuferInnen. Die vermeintliche Authentizität der Performance, regelmäßiger „Kontakt“ und direkte Anrede schaffen Vertrauen und Verbundenheit auf Seiten der KonsumentInnen. Dass das selbst bei politischen Themen funktioniert und dabei nicht notwendigerweise Trash entsteht, beweisen im deutschsprachigen Raum die journalistischen Formate von Rezo oder auch von Jung&Naiv. Unser Dossier versucht einen Blick in diese Welt zu werfen, die vielen Menschen heute als Ersatz für den Konsum traditioneller Medien dient. 

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Mittlerweile ist es dem Letzten in Luxemburg aufgegangen, dass die Wahlgewinnerin der Parlamentswahlen im letzten Oktober nicht die DP war, sondern nur ein kleiner Teil von ihr unter der Führung von Lydie Polfer. Für Xavier Bettel und seiner etwas wirren, aber konzilianten Vision eines modernen, gerechten und aufgeschlossenen Luxemburgs war das Ergebnis der Wahl am Ende doch ein Absturz. Die neue Regierung, der er zähneknirschend angehören muss, geht mit einer bemerkenswerten Rücksichtslosigkeit und jener für Luc Frieden charakteristischen Naivität an die Arbeit. Sie hat in den ersten 100 Tagen signalisiert, dass sie ihr Mandat für eine Agenda nutzen möchte, die zumindest in wirtschafts- und sozial­politischen Fragen stark an die 90er Jahre erinnert. Auf den ersten Blick beruhigend erscheint dann, dass der ehemalige Justiz- und heutige Premierminister immerhin „beschlossen“ hat, sich nicht mehr in laufende Gerichtsverfahren einzumischen, wie er in einem aktuellen Interview dem Lëtzebuerger Land versicherte.  

Eine spannende und womöglich auch noch analoge Lektüre wünschen wir Ihnen mit diesem Heft

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