- Energie
Alternative Erdgas-Auto?
Zum Für oder Wider von Erdgas als Treibstoff
Ja, aber. Beide Wörter fassen die Antwort zusammen. Es geht um den Unterschied zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Unter dem Begriff der Wirtschaftlichkeit für den Autofahrer werden im Folgenden Erdgasautos analysiert, während die Perspektive der Nachhaltigkeit dasselbe für die Gesellschaft als Ganzes versucht. Den Abstand zwischen diesen beiden stellen Externalitäten dar, also der Allgemeinheit entstehende Nutzen oder Kosten unkompensierter Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen. Falls Kosten und Nutzen sich die Waage halten, ist die wirtschaftliche Nutzung des Autofahrers nachhaltig. Leider ist das selten der Fall. Der Autofahrer tut seinem ökologischen Gewissen und Portemonnaie ein Gutes mit dem Kauf eines Erdgasfahrzeugs. Die Automobilindustrie bietet eine beschränkte Modellauswahl serienmäßig seit Mitte der 1990er Jahre an. Der preisgünstige Treibstoff erlaubt es, die Fahrzeugmehrkosten bei mittlerer Fahrleistung binnen Jahresfrist abzutragen. Obschon das Umweltministerium seine Beihilfe beim Kauf eines Erdgasautos seit 2013 eingestellt hat, unterstützt ein großes Energieversorgungsunternehmen in Luxemburg den Neukauf eines solchen Fahrzeugs mit bis zu 5% der Kosten. Zusätzliche Versicherungskosten fallen keine an. Weshalb also sind Erdgasautos unpopulär?
In Luxemburg gab es Ende 2016 234 Erdgasautos1, fünf Mal mehr als vor zehn Jahren. Damit ist der Anteil an der Gesamtflotte noch immer verschwindend gering. Es ist unverkennbar, dass europaweit der Scheitelpunkt der Verbreitung von Erdgasfahrzeugen überschritten ist. Ihr Anteil an den Neuzulassungen fällt seit Jahren im Gleichschritt mit den Spritkosten und lag 2016 bei nur noch 0,4%. In Italien liegt er mit gerade mal 1,5% am höchsten. Verblasst ist hierzulande eine Kampagne der im Jahre 2005 gegründeten Initiative Lëtzebuerg gëtt Gas, bestehend aus Vertretern der Tankstellenbetreiber, der Automobilhändler, der Erdgaszulieferer und des ACL mit dem Ziel, die Kommerzialisierung von Erdgasfahrzeugen zu fördern.
Man mag die geringe Marktdurchdringung erdgasbetriebener Fahrzeuge mit Markthemmnissen erklären. Oder umgekehrt. Die geringe Anzahl an Erdgastankstellen – es gibt nur sechs in Luxemburg – und die abweichende Betankungsinfrastruktur macht die Kaufentscheidung nicht leicht. Dazu gesellen sich neben der bescheidenen Modellauswahl die gegenüber konventionellen Fahrzeugen höheren Kosten für Anschaffung und Wartung. Negativ ins Gewicht fällt bei Erdgasautos auch ihre geringe Gesamtreichweite von maximal 500 Kilometern. Wer mit den einheimischen Dieselfahrern mit ihrem Anspruch auf eine weit höhere Reichweite gleichziehen möchte, sollte dabei anstatt dem von Werk aus eingebauten Benzinnottank einen zweiten, vollwertigen Tank für den Benzinbetrieb ordern.
Im Verbrennungszyklus ist Erdgas sauber
Der Kraftstoff Erdgas2, nicht zu verwechseln mit Flüssiggas3, emittiert rund 20 Prozent weniger Treibhausgas CO2 als Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Erdgas bietet deshalb eine ernste Alternative zur CO2-Reduzierung. Eine weit höhere Verbreitung von Erdgasfahrzeugen würde den anvisierten Grenz-wert von 95 g CO2/km für neu zugelassene Pkws in der EU tatsächlich ermöglichen, wissend dass die Treibhausgasemissionen der konventionellen Flotte geflissentlich um bis zu 40% unterschätzt werden4. Infolge der sauberen Verbrennung der kurzen Methan-Moleküle CH4 setzt sich diese Ersparnis fort in einer deutlichen Umweltentlastung mit weniger Stickoxiden und Ruß, vor allem im Vergleich zu Diesel.
Es gilt dennoch zu monieren. Die Klimabilanz eines Treibstoffs wird nicht nur durch den Verbrennungszyklus bestimmt. Während des Produktionszyklus von Erdgas werden an vielen Orten der Welt erhebliche Verluste bei der Förderung vermutet. Diese treten jedoch auch auf, wenn die Absicht ausschließlich darin besteht, flüssige Kohlenwasserstoffe aus dem Boden zu pumpen. Wenn Erdgas unverbrannt in die Atmosphäre gelangt, was bei gescheiterten Erschließungen von Erdöl- und Erdgaslagerstätten, Leckagen an Erdgaspipelines und der hauptsächlich in Nordamerika praktizierten Schiefergasgewinnung nur allzu häufig passiert, entfaltet dessen Hauptbestandteil Methan (CH4) einen mehr als 20 Mal klimaschädlicheren Treibhausgaseffekt als Kohlendioxid. Erdölkonzerne lassen sich hier ungern in die Karten schauen und hüllen sich meist in ein Mäntelchen des Schweigens. Unweit von Los Angeles musste letztes Jahr der Notstand ausgerufen werden, nachdem ein mittels Satellitenaufnahmen geortetes Erdgasleck rund 100000 Tonnen Methan in die Luft gepustet hatte.
Erdgas als „bridge fuel“ auf dem Weg ins Elektrozeitalter?
In den letzten Jahrzehnten hat in Europa vielerorts Erdgas das Heizen mit Kohle und Mitteldestillat (Heizöl) verdrängt. Im Transportsektor aber ruht die Energiezufuhr weiterhin fast ausschließlich auf den flüssigen Treibstoffen Mitteldestillat (Diesel) und Benzin. Hinsichtlich bedrohlicher Erderwärmung und hoher Luftverschmutzung stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, vermehrt Erdgas als Übergangslösung in Betracht zu ziehen, ehe die Dekarbonisierung und Elektrifizierung der Transportmittel in die Gänge kommt. Folglich müsste nicht nur in die Erweiterung des Fahrzeugangebots und in den Ausbau der Tankinfrastruktur investiert werden, sondern auch weitere Incentives geleistet werden, um die Verbraucher auf Erdgas einzustimmen. Ist dies realistisch?
Wohl kaum. Man läuft Gefahr, dass Investitionen in Erdgasinfrastrukturen zukunftsträchtigere Anstrengungen bei der Dekarbonisierung verhindern, wie die Elektrifizierung des Verkehrs und seine Energieversorgung mit Grünstrom. Ferner gilt zu bedenken, dass mittelfristig angelegte Investitionen in Erdgasfahrzeuge und Infrastrukturen erst abgeschrieben werden möchten und so die Umstellung auf Elektromobilität verzögern. Verbesserte Verbraucherinformationen könnten potentiellen Kunden zwar den vergleichsweise hohen Energiegehalt von Erdgas vermitteln, der wegen der in Gewicht (kg) ausgedrückten Preisdarstellung an der Tankstelle wenig bekannt sein dürfte, doch dürfte dies zumal in Zeiten des billigen Sprits kaum locken.
Vor allem aber sollte Europa nicht jenen Fehler wiederholen, der uns heute eine Unzahl stark verschmutzender Dieselfahrzeuge ohne nennenswerten Klimavorteil beschert. In den 1990er Jahren führte der vermeintliche Vorteil von reduzierten Treibhausgasemissionen der Dieselautos dazu, die EU-Mitgliedsstaaten anzuhalten, Dieseltreibstoff und Diesel-Pkw steuerlich zu bevorteilen, ohne sich auch nur im geringsten um deren schlechte Abgaswerte zu scheren. Das Ergebnis war ein rebound effect, d.h. die Dieselfahrer nutzten das Einsparpotenzial, um sich größere Fahrzeuge zuzulegen und damit mehr zu fahren. Bei Erdgas könnte dasselbe auftreten. Eine steuerliche Bevorzugung von einer Treibstoffart hintertreibt die langjährigen Bestrebungen der europäischen Kommission, die Energiesteuer am Brennwert und damit an die CO2-Emissionen eines Treibstoffs zu koppeln. Diese sinnvolle Forderung, welche regelmäßig unter anderem von Luxemburg abgewiesen wird, ist längst nicht erfüllt.
Erdgas tanken in Luxemburg ist wegen Steuerbegünstigung unschlagbar billig. Der Preis liegt zurzeit bei 0,664 €/kg. Diese Menge entspricht vom Energieinhalt her etwa 1,33 Liter Diesel beziehungsweise 1,5 Liter Benzin. Damit kostet Erdgas energetisch fast nur halb so viel wie Diesel und über zwei ein halb Mal weniger als Benzin. Der Preis an der Tankstelle pro Kilogramm ausgestoßenes Treibhausgas liegt bei nur 24 c für Erdgas, während er bei Diesel bei 36 c und bei Benzin sogar bei 49 c liegt. Der Verdacht liegt somit nahe, dass, im Falle, wo Erdgasfahren auf breiter Basis gefördert würde, die Autofahrer auf noch größere und leistungsstärkere Automodelle umsteigen würden, als sie dies beim Umsteigen auf Diesel bereits taten.
Das Erdgasnetz als Glücksgriff
Wenige Wirtschaftsbereiche sind derart im Veränderungsprozess wie der Energiesektor. Erneuerbare Energieträger wie Wind oder Sonne bieten heute bereits ein wirtschaftliches Potential, das bis vor kurzem unmöglich schien. Ein Engpass liegt jedoch bei der Energiespeicherung. Strom kann kaum gespeichert werden. Pumpspeicherwerke (wie Vianden) sind aufwendig und teuer und die Batterietechnik ist unausgereift und deren Umweltverträglichkeit nicht abschließend geklärt. Als Alternative beziehungsweise Ergänzung bieten sich die im europäischen Verbund angelegten Erdgasnetze oder auch unterirdische Kavernen als Energiespeicher an. Dabei wird Wind- oder Solarstrom im sogenannten Power-to-Gas-Verfahren als sogenanntes Windgas ins Erdgasnetz eingespeist. Mit erneuerbarem Strom wird aus Wasser durch Elektrolyse Wasserstoff produziert, welches mithilfe von CO2 zu Windgas umgewandelt wird. Umwandlungsverluste von etwa 40% sind hinnehmbar, wenn Überflußenergie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht. Da Methan und Erdgas identisch sind, ist es ein ideales Speichermedium, das zum Heizen oder zum Fahren genutzt werden kann. Es kann auch wiederverstromt werden, wobei aber weitere 40% Verluste auftreten. Erdgas ist außerdem eine Alternative für den Schwerlastverkehr und die Schifffahrt, insbesondere in der gekühlten Flüssigerdgas-Form5.
Erdgas mag nicht so schnell abgeschrieben werden wie vermutet. Künstlich hergestelltes Erdgas hätte den zusätzlichen Vorteil der polit-strategischen Energiesicherheit. Auch könnte so den vermuteten starken Methanverlusten entgegen gewirkt werden, da weniger Erdgas aus natürlichen Lagerstätten gefördert werden müsste, insbesondere den Schiefergasfeldern. Dem Erdgas in Form von CO2-neutralem Windgas könnte deshalb denn doch eine Zukunft beschert sein, und sei es vorrangig im Bereich des Güterverkehrs, und dies auf Augenhöhe mit der Elektromobilität.
1 European Alternative Fuels Observatory, www.eafo.eu
2 CNG, Compressed Natural Gas
3 LPG, Liquefied Petroleum Gas, viel geringerer Energieinhalt
4 http://www.theicct.org/laboratory-road-2014-update
5 LNG, Liquid Natural Gas, auf volumetrischer Vergleichsbasis erlaubt es in etwa die doppelte Reichweite wie CNG
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