Die verbriefte ligne éditoriale des Luxemburger Wort lässt nur wenige exegetische Spielräume zu: „Les médias de Saint-Paul Luxembourg se réclament de l’humanisme et des valeurs fondamentales du christianisme, notamment la doctrine sociale catholique“, heißt es da plastisch und prägnant. Wie könnte es auch anders sein in einem Medienunternehmen, das, über die Beteiligungsgesellschaft Lafayette s.a., zu 100 Prozent dem Erzbistum Luxemburg gehört? Das Tendenzrecht gehört unverrückbar zu den Grundpfeilern der Pressefreiheit im demokratischen Gemeinwesen, und wer als Journalist bei einer seit 170 Jahren katholisch orientierten Zeitung anheuert, der sollte – unabhängig und losgelöst von persönlicher religiöser oder areligiöser Überzeugung – wissen, wie er zum Besten seiner traditionellen Leserschaft, seines Arbeitgebers und seiner selbst damit umgeht.
Als die Zeitschrift forum vor 41 Jahren das Licht der Welt erblickte, stand das Luxemburger Wort in gewisser Weise Pate. Beflügelt von der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils und den sozialen Umbrüchen nach 1968, kritisierte sie die ihrer Meinung nach einseitige Ausrichtung der Zeitung. Viele Kirchenmitglieder, so die Kritiker, könnten sich mit den offenkundigen Verflechtungen zwischen LW und CSV sowie dessen Nibelungentreue zu den USA (Stichworte: Kalter Krieg, Vietnam, Chile, Südafrika, …) nicht identifizieren. Folglich sollte der Eigentümer des Verlags der Sankt-Paulus-Druckerei, Bischof Jean Hengen, bei Chefredakteur-Direktor André Heiderscheid, auch er ein Geistlicher, intervenieren, um sicherzustellen, dass alle Katholiken in Luxemburg in ihrer Zeitung zu Wort kämen, damit diese die gesamte theologische und politische Bandbreite des – damals noch numerisch starken – katholischen Milieus hierzulande reflektiere.
Davon aber wollte der unbeugsame Freigeist Heiderscheid nichts wissen. Er berief sich auf die professionelle Unabhängigkeit und Integrität seiner Journalisten, verwies auf den wirtschaftlichen Erfolg des Blattes als unangefochtener Marktführer und verbat sich jegliche Einmischung, auch von Seiten des Bistums, in die Belange der Redaktion.
Bischof Hengen wiederum, ein versöhnlicher Oberhirte, beauftragte Mitte der 1970er Jahre die Luxemburger Diözesansynode, ein Grundsatzdokument über „Die sozialen Kommunikationsmittel“ zu erstellen. Deren Empfehlungen, gutgeheißen von der synodalen Vollversammlung, zielten in gewisser Weise auf einen Kompromiss zwischen beiden Lagern ab, sprich der gebotenen Redaktionsfreiheit einerseits und dem eingeforderten Pluralismus andererseits.
Das – gemäßigte – Reformprogramm wurde nicht von einem Tag auf den anderen, sondern schrittweise umgesetzt. Unter Chefredakteur Léon Zeches öffnete sich die Zeitung, die Berichterstattung wurde vollständiger und ausgewogener, die Analysen und Kommentare, auch gegenüber der CSV, kritischer. Selbst neue Autoren, wie die Vertreter von Umwelt-, Drittwelt- oder Ausländerorganisationen, erhielten jetzt Zugang zu breiten publizistischen Tribünen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die Person von Jean-Lou Siweck, der dieser Tage auf Druck des Saint-Paul-Verwaltungsratspräsidenten – ein im freien Pressewesen unerhörter Vorgang – seinen Posten räumen musste, kein Solitär in der langen Reihe illustrer LW-Chefredakteure. Siweck hatte lediglich die Zeichen der Zeit in einem grundlegend veränderten technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Umfeld erkannt und, zwischen vielen Stühlen sitzend, den Säkularisierungsprozess mit forcierter Geschwindigkeit vorangetrieben.
Die Katholische Kirche in Luxemburg ist mit ihrem altehrwürdigen Medienhaus heute an einer historischen Weggabelung angelangt. Insofern sie nach der notwendigen internen Selbstfindung zur Erkenntnis gelangt, dass es nicht zu ihren originären Aufgaben gehört, als simpler shareholder von Unternehmen in der freien Marktwirtschaft mit maximaler Rendite Geld zu verdienen (z.B. als Besitzer einer Zeitung, deren profane, materialistische „Mitte-rechts“-Positionierung Buchstaben und Geist des christlichen Menschenbildes, der katholischen Soziallehre sowie der wegweisenden Pastoralinstruktion Communio et Progressio widerspricht), eröffnen sich ihr zwei Optionen:
1) Sie verkauft den Laden gewinnbringend an kapitalkräftige Investoren. Oder aber: 2) Sie besinnt sich auf ihre Kernmission der Verkündigung, entdeckt die Marktlücke, lockt die Creme der germanophonen liberal-katholischen Publizistik nach Luxemburg und lanciert, nach dem Vorbild der immer hervorragenden La Croix aus Paris, ein entsprechendes Schwesterprodukt für den gesamten deutschsprachigen Markt.
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