Die Reaktion von Hubert Hausemer auf unser Heft „Tierrechte“ stellt eine wichtige Ergänzung zu den dort veröffentlichten Texten dar. Er weist mit Recht daraufhin, dass es eine andere Position in der Debatte gibt, die die Sonderstellung des Menschen aus philosophischer und rechtlicher Sicht zu verteidigen weiß.
Dabei ist die Unterscheidung zwischen Tierschutz und Tierrecht von besonderer Wichtigkeit. Wenn man Tieren Rechte zuschreibt, rückt man sie dem Menschen näher oder stellt sie womöglich auf die gleiche Stufe. Dem Menschen könnte aber aus verschiedenen Gründen eine Sonderstellung zugeschrieben werden – nicht zuletzt ist der Mensch das einzige Wesen, das, soweit wir wissen, überhaupt eine Auffassung von Recht hat. Wenn man dem Menschen eine Sonderstellung in diesem Sinne zuschreiben möchte, dann können Tiere eben nicht voll und ganz Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft sein.
Dass Tiere nicht Teil einer Rechtgemeinschaft sein können, da sie etwaige Rechte nicht einklagen können, scheint schlüssig. Andererseits können auch bestimmte Menschen, wie Kleinkinder, Personen im Komazustand, und geistig Behinderte auch ihre Rechte nur eingeschränkt oder gar nicht einklagen. Man könnte natürlich anführen, dass diese Personen aufgrund ihres Menschseins zumindest potenziell die Möglichkeit hätten, Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft zu sein.
Innerhalb des Tierrechtsdiskurses gibt es auch wichtige Unterschiede zwischen verschiedenen denkerischen und aktivistischen Strömungen; nicht alle befürworten einen radikalen Antispeziesmus, der die Kategorie des „Lebens“ zu einem allgemeinen Prinzip jenseits von allen Differenzierungen erhebt. So erkennen die meisten Denker und Aktivisten Unterschiede zwischen Leidens- und Bewusstseinsfähigkeit verschiedener Tierarten an und setzen sich für ein graduelles Verständnis von Rechten ein, wie Herr Hausemer auch andeutet. Auch führt Antispeziesismus nicht zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass man überhaupt keine Unterschiede zwischen verschiedenen Lebewesen anerkennt. Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier können als graduell angesehen werden, oder eben als qualitativ und grundverschieden. Dies ist eben die philosophische und wissenschaftliche Frage, die es zu erörtern gilt.
Dass Begriffe wie „Würde“, „Bewusstsein“ oder „Rechte“ (auch im Sinne der Menschenrechte) in Wissenschaft, Recht und Philosophie viel diskutiert und keineswegs unumstritten sind, ist bekannt. Wir sind uns noch keineswegs einig, was den Menschen essentiell ausmacht, weder philosophisch noch rechtlich. Die gleichen begrifflichen Fragen stellen sich auch im Hinblick auf Tiere – dies führt dazu, dass man aus dieser Notlage heraus mit metaphysischen Begriffen argumentiert, denen es oft an Präzision fehlt.
Das revolutionäre Element in der heutigen Debatte ist unserer Ansicht nach, dass man Tiere nicht mehr als Objekte, sondern als Lebewesen ansieht. Dieser Paradigmenwechsel kann auch innerhalb des Tierschutzdiskurses situiert werden und ist nicht nur im Tierrechtediskurs zu finden. Letzen Endes geht es um Wörter, die zwar wichtig sind, aber nur insofern, als sie Konzepte für eine gewisse Lebenspraxis liefern können, die ein gerechteres Leben ermöglichen.
Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.
Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!
