Am 1. September 2021 fand das erste Fußballländerspiel im neuen Stade de Luxembourg statt, ein WM-Qualifikationsspiel zwischen Luxemburg und Aserbaidschan. Das Tageblatt vom 2. September berichtet von einem „stimmungsvollen Auftakt im Stade de Luxembourg: Luxemburg besiegt Aserbaidschan“, das Luxemburger Wort spricht von einer „unvergesslichen Einweihungsfeier“, und Xavier Bettel gratuliert den „Roude Léiwen“ auf Twitter zum Sieg. „Eine bessere Einweihung konnte man sich nicht wünschen“, zitiert L’essentiel den Premier unmittelbar nach dem Spiel. Die offizielle Einweihung des Stadions von Seiten der Stadt Luxemburg und des Sportministeriums fand allerdings erst am 25. September statt, da hatte das Stadion schon mehrere sportliche Einsätze erlebt, neben besagtem Spiel gegen Aserbaidschan auch ein Freundschaftsspiel gegen Katar. Warum diese späte offizielle Einweihung? Könnte es sein, dass sich die Verantwortlichen der Stadt und des Sportministeriums für die „sportliche“ Einweihung eher andere Gegner gewünscht hätten, Mannschaften aus Ländern, die ein besseres Image haben, was die Einhaltung der Menschenrechte angeht?

Keine faire Stadioneinweihung

In diesem Text möchte ich drei Gründe entfalten, warum wir uns in Luxemburg für die Menschenrechtslage in Aserbaidschan interessieren sollten. Der erste Grund: Zum wiederholten Mal hat es die UEFA – nun mit der Wahl von Katar als Austragungsort der WM 2022 – geschafft, ins Kreuzfeuer der Kritik von Menschenorganisationen zu geraten. Dass es menschenverachtende Systeme, und um ein solches handelt es sich bei Katar, nicht kaltlässt, wenn ihnen eine große Sportveranstaltungen und damit eine Propagandaplattform entzogen wird, zeigt das Beispiel Belarus: Die Ausrichtung der Internationalen Eishockey-Weltmeisterschaft wurde dem Land aus politischen Gründen entzogen. Das WM-­Qualifikationsspiel Luxemburg – Aserbaidschan, übrigens die sechste Länderspielbegegnung seit 2010, ist unmittelbar mit der WM in Katar verbunden. Hinzu kommt, dass Aserbaidschan eine katastrophale Menschenrechtsbilanz aufzuweisen hat. Die Action des chrétiens pour l’abolition de la torture (ACAT) Luxemburg veröffentlichte dazu in einem Newsletter einen Bericht von Anne Ploetz (Amnesty International Luxemburg): „Egal auf welche politischen Indizes man schaut – um Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit ist es nicht gut bestellt in Aserbaidschan. Regelmäßig macht das am Kaspischen Meer gelegene Land durch Unterdrückung der Pressefreiheit, Korruption und Vorwürfen der Wahlfälschung Schlagzeilen, ganz abgesehen von Kriegsverbrechen im Konflikt mit Armenien.“ ACAT wollte mit einer Protestaktion, die am 1. September auf der hauptstädtischen Place d’Armes stattfand, anlässlich der immerhin sportlichen „Einweihung“ des neuen Stadions ein Zeichen für – auch im Hinblick auf Menschenrechte – faire Spiele setzen.

It’s the economy, stupid!

Ein zweiter Grund: wirtschaftliche Verstrickungen zwischen Luxemburg und Aserbaidschan. Die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und Aserbaidschan könnte für beide Länder aufgrund des geringen Volumens als zu vernachlässigen bezeichnet werden. Der Import aus Aserbaidschan nach Luxemburg beläuft sich auf nicht mehr als 5 Mio. EUR, und die Ausfuhren aus Luxemburg werden vom Statec für das Jahr 2020 auf 14 Mio. EUR geschätzt. Der Staatliche Ölfonds der Republik Aserbaidschan (SOFAZ) selbst erklärt jedoch, dass er in Luxemburg sieben Gesellschaften (SARL) für Immobilien und Vermögensverwaltung registriert hat, die insgesamt Vermögenswerte in Höhe von mehr als 2,6 Milliarden EUR verwalten. Darüber hinaus ist Aserbaidschan seit 2007 in Luxemburg durch eine luxemburgisch-­aserbaidschanische Handelskammer vertreten, die zwar an zwei Adressen im Herzen von Luxemburg-Stadt registriert ist, aber nicht sehr aktiv zu sein scheint; die letzte offiziell beworbene Veranstaltung stammt aus dem Jahr 2017. In diesem Zusammenhang ist auch der Fall Bettingen zu erwähnen, bei dem es um die Gefälligkeit eines Notars gegenüber Klienten aus Aserbaidschan ging und der die gut gepflegten Verbindungen zwischen der aserbaidschanischen Gemeinschaft in Luxemburg und den einheimischen Eliten, einschließlich der Notarkammer, offenlegte. Der Finanzplatz Luxemburg, durchaus bemüht um einen guten, besseren Ruf, sollte schon genau hinschauen, mit wem man Geschäfte treibt.

Kritik: unerwünscht

Kommen wir zum dritten Grund. Im April dieses Jahres kam es zu Schlagzeilen, als der aserbaidschanische Präsident Alijev auf eine Kritik von Außenminister Asselborn (LSAP) reagierte, der den Krieg um Bergkarabach „als Folge einer aserbaidschanischen Aggression gegen Armenien mit Hilfe des Verbündeten Türkei“ bezeichnet hatte. Präsident Alijev protestierte gegen diese Stellungnahme, indem er das „kleine“ und „unbedeutende“ Luxemburg mit Spott und Hohn überzog und sich jegliche Kritik an seiner Politik verbat. Seitdem Luxemburg 2015 offiziell den Genozid an den Armeniern anerkannt hatte, waren die diplomatischen Beziehungen zwischen Luxemburg und Aserbaidschan ohnehin schon frostig geworden. Auch Kritik an dem im April 2021 eröffneten „Trophäenpark“ in Baku, in dem in archaischer Weise Gewalthandlungen gegenüber armenischen Soldaten glorifiziert werden und das Andenken getöteter armenischer Soldaten verhöhnt wird, wollte Alijev nicht gelten lassen.

Im Krieg um Bergkarabach 2020 gab es tatsächlich Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten, und selbstverständlich fordern Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder auch ACAT eine unabhängige Untersuchung aller Vorwürfe. Das Europäische Parlament hat am 20. Mai 2021 unter Berufung auf Untersuchungsergebnisse von Human Rights Watch eine Entschließung zu „Kriegsgefangenen nach dem jüngsten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan“ verabschiedet und deutliche Worte gefunden: Armenische Kriegsgefangene seien missbraucht und im Zuge ihrer Gefangennahme während ihrer Überstellung oder während ihrer Inhaftierung in verschiedenen Hafteinrichtungen grausamer und erniedrigender Behandlung und Folter ausgesetzt gewesen. Noch jetzt, Stand Herbst 2021, befinden sich um die 200 armenische Soldaten in Kriegsgefangenschaft – weitere werden noch vermisst. In Luxemburg leben ungefähr 150 armenische Mitbürger, viele von ihnen in großer Sorge um den Verbleib von Freunden und Angehörigen in aserbaidschanischer Kriegsgefangenschaft. Mit ihrer Not ist der Krieg um Bergkarabach auch im friedlichen Luxemburg angekommen. Genau deshalb forderte ACAT Luxemburg im Rahmen der Protestveranstaltung am 1. September von Aserbaidschan den Stopp der andauernden Misshandlung und Folter von armenischen Kriegsgefangenen und die sofortige Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission zu den Foltervorwürfen und juristische Verfolgung der Straftaten.

Bleibt nur hinzuzufügen, dass der aserbaidschanische Botschafter Vaqif Sadiqov im Tageblatt vom 10. September 2021 eine Stellungnahme zu dem am 31. August 2021 dort veröffentlichten Beitrag „Aserbaidschan und Menschenrechte – ein Überblick“ von Anne Ploetz abgegeben hat, in der er die Vorwürfe gegen Aserbaidschan als voreingenommen bezeichnet und die Armenier und dann wohl auch die Luxemburger der „Aserbaidschanophobie“ bezichtigt.  

  1. Der Newsletter lässt sich hier herunterladen: https://acat.lu/de/protest-gegen-menschenrechtsverletzungen-in-aserbeidschan (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 27. September 2021 aufgerufen).
  2. https://www.reporter.lu/luxembourg-blanchiment-le-notaire-trebuche-sur-des-reseaux-dazerbaidjan ; https://journal.lu/de/reden-wir-ueber-aserbaidschan
  3. Vgl. ebd.
  4. https://www.tageblatt.lu/non-classe/aserbaidschan-und-menschenrechte-ein-ueberblick

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